Dichtestress im Naherholungsgebiet — seit Beginn der Pandemie erfreuen sich die ländlichen Regionen nah der Städte immer mehr Beliebtheit, was Verkehrsverbände und Gastronomie freut, bedeutet für Bäuerinnen und Bauern, Einheimische und auch für Reiter *Innen oft Stress pur. Besonders letztere müssen nun, ihre bis anhin einsamen Wege mit Fussgänger*Innen, Velofahrer*innen und Jogger*Innen teilen. Da sind Konflikte mit dem Fluchttier Pferd vorprogrammiert. Darum trafen sich Vertreter verschiedener Reitsportverände und -organisationen am 6. November für eine Tagung zum Thema «Pferd und Gesellschaft». 

Mit der stetig wachsenden Bevölkerung steige das Konfliktpotenzial zwischen Pferd und Gesellschaft, erklärte laut Mitteilung zur Tagung Reto Burkhardt vom Zentralschweizerischen Kavallerie- und Pferdesportverband (ZKV). Damit man sich auch künftig mit Pferden in der Natur bewegen könne, müsse man das Thema Pferd und Gesellschaft nationalisieren und an einem gemeinsamen Strick ziehen. Um dies zu erreichen, soll eine nationale Anlaufstelle geschaffen werden.

Jede Reiterin und jeder Reiter sei Botschafter seiner Leidenschaft, erklärt FDP-Ständerat Damian Müller, der neu Präsident des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport (SVPS) ist. Man müsse gemeinsam daran arbeiten, dass auch in Zukunft Pferde gehalten werden könnten.

SVP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Freibergerverbandes (SFV) Albert Rösti betonte, dass das Verständnis für das Fluchttier Pferd bei einem grossen Teil der Bevölkerung nicht mehr vorhanden sei. Man müsse dafür sorgen, dass das Pferd seinen Platz im ländlichen Raum nicht verliere.

Für Reiter gibt es bereits einen ausführlichen Knigge zum Verhalten im gemeinsam genutzten Lebensraum. Doch nicht selten fragen sich Jogger, Biker und Fussgänger, wie sie sich im Kontakt mit Pferden verhalten sollen. 

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Fussgänger vs. Pferd

Ein relativ einfaches und entspanntes Aufeinandertreffen. Fussgänger sind für Pferde meist gut zu erkennen und selten der Grund für einen Schreck beim Fluchttier. Wenn sSe aber abseits der gesicherten Wegen im Wald sind, zum Beispiel auf der Suche nach Pilzen, können sehr brenzlige Situationen entstehen. Weder Pferd noch Reiter*in erwarten dort Fussgänger. Oft sind Sie nicht zu sehen, sondern nur zu hören. 

Für ein Pferd sind Sie ein potenzielles Raubtier, zudem hört es wesentlich besser als sein Reiter, seine Reiterin. Darum empfiehlt sich generell, auf den signalisierten Wegen zu bleiben. Auch zum Schutz der Waldbewohner. Wenn Sie dennoch im Unterholz unterwegs sind und ein Pferd-Mensch-Team sehen, machen Sie sich mit Ihrer Stimme bemerkbar. Bleiben Sie stehen und rufen Sie laut genug einen Gruss. Solange, bis sie bemerkt werden. Dann können Sie vorsichtig weitergehen. Noch besser machen Sie sich sichtbar, indem Sie, vor dem Pferd, wieder auf den Weg gehen.

Pferde entspannen meist sofort, wenn sie merken, dass es sich bei dem unbekannten Wesen um einen Menschen handelt. Achten Sie darauf, niemals hinter Pferd und Reiter*in aus dem Gebüsch zu kommen. 

Jogger vs. Pferd

Auch hier gilt: Machen Sie sich bemerkbar. Sprechen Sie Pferd und Reiter*in an — besonders, wenn Sie von hinten an das Paar heran joggen. Wichtig ist, dass Sie sich niemals anschleichen. Machen Sie Geräusche, laufen Sie bemerkbar, pfeiffen, husten oder rufen Sie.

Sie sind wahrscheinlich schneller als der Schritt des Pferdes. Müssen Sie überholen, drängeln Sie sich nicht vorbei, sondern bitten darum, dass man Ihnen den Weg freimacht. Reiter*Innen sind häufig sehr auf Ihr Tier konzentriert und bemerken Sie vielleicht nicht gleich. Wenn Sie Kopfhörer aufhaben, kann es sein, dass Sie nicht bemerken, wenn von hinten ein Reiter, eine Reiterin kommt. Dann ist es an diesen, Sie auf sich aufmerksam zu machen. Machen Sie sich aber bewusst, das Duo ist sehr gross und kann erschreckend wirken, wenn man es nicht kommen hört.Darum empfiehlt es sich, die Musik nicht auf volle Lautstärke zu stellen.

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Fahrrad vs. Pferd

Hier liegt wohl das grösste Konflikpotential. Bike-Wege in Wäldern sind in den meisten Fällen auch Reitwege. Rücksicht und Toleranz sind also das oberste Gebot. 

Als Biker und Velofahrer, sollten Sie sich stets bewusst sein, dass Sie in ländlichen Regionen die Wege mit einem Fluchttier teilen. Sind Sie also auf einer Downhillstrecke und geben grad so richtig schön Gas, seien Sie so umsichtig und bremsen vor schlecht einsehbaren Kurven ab. Ein plötzliches Aufeinandertreffen mit einem Pferd kann für Sie, das Tier und den Reitenden lebensgefährlich werden. 

Fahren Sie von hinten an ein Pferd heran, bremsen Sie ab und machen Sie sich bemerkbar. Am besten mit Ihrer Stimme und nicht mit der Klingel, dieses Geräusch kann der Equide nicht zuordnen, ihren Ruf schon eher. Wurden Sie bemerkt, fragen Sie Reiterin oder Reiter, ob sie problemlos überholen können. Es kann sein, dass das Pferd unruhig geworden ist, es nach Ihnen austreten oder durchgehen kann. Darum ist Vorsicht besser als Nachsicht.  Fahren Sie beim Überholen in angemessem Tempo und halten Sie genügend Abstand, dann können Sie wieder losdüsen. 

Rennvelofahrer sollten bei Begegnungen mit Pferden ebenfalls abbremsen, rufen und erst dann wieder Gas geben, wenn Tier und Halter*in das «Go» geben. So ist die Sicherheit aller gewährleistet.

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Hund vs. Pferd

Hündeler und Rösseler müssen praktisch immer aneinander vorbeikommen. Oft geht dabei aber vergessen, dass das Pferd zwar ein Fluchtier, aber durchaus in der Lage ist, sich gegen den vermeintlichen Angriff Ihres Vierbeiners zu wehren. Nicht selten wagen sich Hunde zu nah an Hufe und Herrchen oder Frauchen denken nicht daran, dass ein gezielter Tritt, das geliebte Fellknäuel sofort töten kann. 

Ein Hund, der im Wald oder auf Feldwegen frei laufen darf, muss abrufbar sein. Das gilt übrigens auch ohne Pferdekontakt. Jagt der Wohnzimmer-Wolf unkontrolliert durchs Unterholz, bedeutet das immer Stress für die ansässigen Wildtiere. 

Ist das Kind in den Brunnen gefallen, der Hund hat ein Pferd bemerkt und bedrängt es, versuchen Sie ihn so schnell wie möglich an die Leine zu nehmen. Bleiben Sie aber ruhig, denn schreien und Stress helfen in einer solchen Situation weder den Tieren noch den Menschen.