Wölfe siedeln sich am liebsten dort an, wo sie viel Rotwild und Rehe vorfinden. Zu diesem Schluss kamen diesen Frühling Forschende der Universität Bern, nachdem sie vier Winter lang die Aufenthaltsorte der Raubtiere im Wallis verfolgten. Aus den Daten der 100 Fotofallen lassen sich nun Karten möglicher bevorzugter Aufenthaltsgebiete der Wölfe erstellen – Regionen, in denen Schutzmassnahmen für Weidetiere besonders sinnvoll sind. Denn die Rückkehr des Wolfes ist konfliktbeladen.

So betonen Schafhalter seit Jahren: Wollen sie ihre Tiere auf Alpen sömmern, in deren Nähe auch Grossraubtiere leben, müssen sie für den Schutz ihrer Schafe tief in die Tasche greifen. Wie tief, war bisher unbekannt, da verlässliche Daten fehlten. Nun liefert sie eine Studie des Büros Alpe und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule: Die Anpassungen für den Schafschutz verursachen auf alle Schweizer Alpen hochgerechnet Mehrkosten von 7,6 Millionen Franken. Pro Alp und Jahr macht dies 17’875 Franken, pro gesömmertes Schaf 43 Franken.

Die Zahlen sind das Resultat einer Untersuchung von 13 Schafalpen in den Kantonen Uri und Wallis, die die breite Palette solcher Alpen in der Schweiz repräsentieren. So unterscheiden sie sich in der Grös­se: Drei Betriebe sind mit über 870 Tieren gross, hinzu kommen sechs mittlere mit über 400 und vier kleine mit weniger als 400 Schafen. Zudem arbeiten sie mit verschiedenen Weidesystemen und haben unterschiedliche Strategien zur Anpassung an die Grossraubtiersituation umgesetzt.

Kostenfaktor «Personal»
Auf Hirtenhunde setzen sechs Betriebe – dies meist in Kombination mit weiteren arbeitsintensiven Herdenschutzmassnahmen wie Umzäunung der Weiden oder Nachtpferchen. Zu den betrieblichen Änderungen kommt die Anstellung von Personal. Ursprünglich setzten nur zwei Betriebe auf ständige Behirtung, neun Alpen haben darauf umgesattelt. Dies geht ins Geld: Die Löhne der Angestellten und ihre Unterkünfte machten durchschnittlich 43 Prozent der Mehrkosten aus. Im Schnitt stiegen die Kosten für die gesamte Alpbewirtschaftung um 87 Prozent.

Auf der Einnahmenseite stehen Sömmerungsbeiträge sowie Gelder für die Förderung der Biodiversität, für die Landschaftspflege und für Herdenschutzmassnahmen. Doch dies deckt die Mehrkosten längst nicht: Die Hälfte tragen die Alpbewirtschafter selber. Ihre wirtschaftliche Lage hat sich gemäss Studie fast ausnahmslos verschlechtert. Deshalb empfehlen die Autoren eine Anpassung des Förderungssystems. Möglich sei die Erweiterung der Direktzahlungen um erhöhte Beiträge für die ständige Behirtung, und zwar unabhängig von weiteren Schutzmassnahmen.

Dies sei mit vergleichsweise wenig administrativem Aufwand möglich und trage der Tatsache Rechnung, dass Alppersonal einerseits eine gute Voraussetzung für weitere Schutzmassnahmen sei, andererseits aber auch der grösste Kostenfaktor. Pauschalbeträge könne man aber weniger gezielt einsetzen. Deshalb sieht der zweite Vorschlag der Autoren die Abgeltung der tatsächlich anfallenden Mehrkosten vor, was aber viel administrativen Aufwand verursache.

Was ist mit den Mutterkühen?
Wie wichtig der Schutz von Schafalpen ist, zeigen kürzlich veröffentlichte Zahlen der «Gruppe Wolf Schweiz»: 94 Prozent der 2019 knapp über 400 von Wölfen gerissenen Nutztiere sind Schafe. 1999 wurden etwa 150 Nutztiere gerissen. Diese Zunahme sei auf die Vermehrung der Wölfe zurückzuführen, betonen die Wolfsschützer: «Pro Wolf werden heute deutlich weniger Nutztiere gerissen als in der Anfangsphase der Rückkehr der Tierart in die Schweiz.» Der Eindruck, Wölfe würden immer mehr Nutztiere reissen und Herdenschutz werde immer schwieriger, täusche («Tierwelt online» berichtete).

Die Diskussionen sind lanciert: Die Schweiz stimmt am 27. September über das neue Jagdgesetz ab, das unter anderem den Schutz von Wölfen lockern will. Und seit einiger Zeit schlagen Landwirte im Bündner Oberland Alarm, weil ihre Mutterkühe verstärkt und nervös auf die Wolfspräsenz reagieren. Auch wenn Wölfe kaum Rinder angreifen, sind sich Fachleute weitgehend einig, dass Kälber gefährdet sein können.

Doch während Hunde Schafe und Ziegen wirkungsvoll schützen können, ist dies bei Rindern nicht der Fall. Wittern Kühe einen Wolf, reagieren sie aggressiv – ein Hund ist dann kaum in die Herde zu integrieren. Wie gefährdet Rinder sind, soll nun im Projekt «Mutterkuh und Grossraubtiere» von Bund und Kanton Graubünden analysiert werden, damit man Massnahmen erarbeiten kann.