Wenn im Frühling die Saatkrähen brüten, ist es vorbei mit der Ruhe für die Bewohnerinnen und Bewohner manch eines Quartiers. Immer mehr dieser Rabenvögel entdecken die Schweizer Wohngebiete als idealen Ort für ihre Brutkolonien.

So auch in Wabern, wo die Saatkrähen ihre Jungen ausbrüten können, ohne gross von Feinden behelligt zu werden, genügend Nahrung in Form von Essensresten finden, für kulinarische Abwechslung aber auch schnell den nahen Tierpark Dählhölzli oder das umliegende Kulturland erreichen. 

Es ist also kein Zufall, dass ausgerechnet das Infozentrum Eichholz, das sich in Wabern am Aareufer befindet, zusammen mit dem Künstler Dino Rigoli das Projekt Corvo ins Leben gerufen hat, um das schlechte Image der Vögel aufzupolieren und zwischen Mensch und Krähe zu vermitteln. «Wir wollten das Verständnis gegenüber den Saatkrähen fördern und ihre negative Aura durchbrechen, haben uns aber dann entschieden, das Projekt auf alle Rabenvögel auszudehnen», sagt Rigoli.

Vor diesem Hintergrund ist im Infozentrum die Ausstellung «Rabenvögel – schlaue Biester» entstanden, die zwar schon seit einigen Monaten fertiggestellt war, aufgrund der Corona-Pandemie aber erst im Juni eröffnet werden konnte.

Nun geht es im Einbahnverkehr durch den Ausstellungsraum. Betritt man diesen, sticht die Vitrine mit den Präparaten aller zehn heimischen Rabenvögel – von der seltenen Alpenkrähe bis zum majestätischen Kolkraben – sofort ins Auge. Als Erstes wird aber die aussergewöhnliche Intelligenz der Rabenvögel thematisiert. Sie basteln Werkzeuge, können komplexe Probleme lösen und verfügen über ein aussergewöhnliches Erinnerungsvermögen.

In Dialog mit den Krähen treten
Es verwundert also nicht, dass solch schlaue Tiere bei vielen indigenen Stämmen Nordamerikas als Göttervögel verehrt wurden. Nicht so in Europa, wie man als Nächstes erfährt. Ihren schlechten Ruf haben die Rabenvögel vor allem, weil sie sich im Mittelalter an Hinrichtungsplätzen oder auf Schlachtfeldern rumtrieben und gerne auch einen Bissen von den Gefallenen kosteten. Das Bild des Galgenvogels haftet ihnen bis heute an. 

Um die Saatkrähen loszuwerden, hat die Stadt Bern schon einiges versucht und dafür auch viel Geld ausgegeben. Zu den ausprobierten Vergrämungsmassnahmen gehören auch Uhu-Attrappen, an denen man immer wieder ziehen muss, damit sie die Flügel bewegen, was man in der Ausstellung gleich ausprobieren kann. Die Krähen lassen sich davon aber nicht gross beeindrucken. «Sie nisten einfach ein paar Bäume weiter», sagt Rigoli. Den genervten Anwohnern ist damit kaum geholfen.

Es gehe in dem Projekt auch nicht darum, das Problem zu verharmlosen, sagt Rigoli. «Es geht darum aufzuzeigen, dass wir mit dem Vögeln gemeinsam eine Lösung finden müssen.» Das Projekt wolle Denkanstösse geben und einen Perspektivenwechsel ermöglichen.

Einen solchen gab auch die im Frühling im Rahmen des Projekts installierte Webcam, bei der man sich überzeugen konnte, dass Saatkrähen alles andere als Rabeneltern sind. Im Infozentrum Eichholz, in dem sich gleich neben einer geschäftigen Badi in einer ehemaligen Fischzucht eine vielfältige Natur­oase befindet, eröffnete mit der Ausstellung ein neuer Beobachtungsturm – auch er erlaubt den Blick aus einer neuen Perspektive. 

Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist ein Themenweg, der zum Infozentrum führt. Auch hier möchte Rigoli den Anwohnerinnen die Sicht der Krähen näherbringen. «Wir können mit den Vögeln in Dialog treten, auch wenn es nicht so einfach ist, ihre Sprache zu verstehen», sagt der Künstler. Wie viel Mensch und Krähe voneinander verstanden haben, wird sich nächsten Frühling zeigen. 
 

Die Ausstellung läuft bis zum 25. Oktober. Öffnungszeiten: Mi, Sa, So 13.30 – 17.30 Uhr.
www.kraehennest.ch