Grau und weiss sind die Farben, mit denen uns «Tonis Zoo» in der Luzerner Vorortgemeinde Rothenburg an diesem Januartag empfängt. Grau ist der Himmel, weiss alles andere – noch hat der Regen den Schnee der Festtage nicht weggewaschen. Den Ponys ist das Hudelwetter schnurzegal. Sie machen sich gerade über ein ungewöhnliches Zvieri her: Eine Tierpflegerin hat nicht aufgepasst, als sie sich mit einer Tüte Popcorn in der Hand dem Ponygehege näherte, das sich gleich beim Eingang befindet. Prompt schnappte eines der schwarzen Pferdchen nach dem Sack und die Pflegerin verschüttete dessen Inhalt im Schnee. Nun hilft die ganze Ponygruppe beim «Aufräumen».

Wir haben uns darauf eingestellt, dass wir bei unserem Familienausflug die Tiere heute eher in ihren Innengehegen suchen müssen. Trotzdem gehen wir ein paar Schritte durchs Gestöber. Und siehe da: Nicht nur die wetter­erprobten Ponys treiben sich draussen herum. Ein Strauss prüft mit seinem Schnabel, ob sich unter der Schneedecke etwas Fressbares verbirgt. Zwei Nasenbären drehen ihre Runden. Und der Gepard steht mitten in der weissen Pracht – als ob Schnee in den Savannen Afrikas das Normalste der Welt wäre.

Tiere als Werbeträger für Gartenbau
Auch die Berberaffen zeigen sich unbeeindruckt von der Kälte. Einige dieser in Nordafrika beheimateten Makaken haben den Schnee mit ihren Händen ein bisschen zur Seite gewischt und klauben nun im Gras herum. «Die Berberaffen haben zwar einen heizbaren Raum, aber noch bei 15 Grad unter Null sind praktisch immer alle draussen», sagt Toni Röösli, der Besitzer des Zoos. «Tiere haben es eben wie wir Menschen: Sie wollen an die frische Luft, auch bei Kälte.» Wichtig sei aber, im Winter mehr Futter zu geben, sagt Röösli. «Viele Tiere müssen sich in der kalten Jahreszeit etwas Speck anfressen – Fett ist ihre beste Isolation.»

Angefangen hat Toni Rööslis Karriere als Zoodirektor mit der Eselin Amanda, der er diverse Kunststücke beibrachte. 1991 lieh er Amanda an den inzwischen verstorbenen Fussballspieler und -trainer Timo Konietzka aus, der sie im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Schweiz mitnahm auf eine Wanderung. Der «Blick» berichtete über den lustigen Esel, mit der Folge, dass sich Tierfan und Bandleader Pepe Lienhard bei Röösli meldete. «Pepe Lienhard pflegt Kontakte zu vielen europäischen Zoos und hat mir so die ersten exotischen Tiere vermittelt», erinnert sich Röösli. 

Als Gartenbauer mit eigener Gärtnerei und Baumschule hatte Röösli genügend Platz für die Tiere. Seine Idee war es, die Bevölkerung mit einem Kleintierpark anzulocken und ihr dabei die Möglichkeiten des Gartenbaus aufzuzeigen. Das Konzept ging auf: Immer mehr Menschen pilgerten nach Rothenburg. Der Tierpark wuchs. Aus den Treibhäusern wurden Vogelvolieren, Terrarien und Affenhäuser. In der Baumschule entstanden Aussengehege für Ponys, Kamele und Raubtiere – die Bäume dienten als Schattenspender. 

Lamas streicheln tut der Seele gut
Heute ist der Zoo Rööslis Hauptgeschäft. «Ich mache zwar immer noch etwas Gartenbau, aber nur noch für wenige Kunden», sagt er. Statt Humus und Rasensamen benötigt er nun Tierfutter: 350 Kilo Grünzeug und 25 Kilo Fleisch verschlingen die inzwischen fast 500 Tiere täglich. Sie werden an schönen Wochenenden von bis zu 2000 Besuchern bestaunt. 

Am heutigen Tag hält sich der Besucheransturm in Grenzen. Vor dem Leopardengehege stehen nur eine Frau und ein Mädchen. «Wohnt da niemand?», fragt es. «Doch doch», sagt die Frau, «aber vielleicht ist es den Leoparden zu kalt, oder sie sind etwas scheu.»

Letzteres würde Toni Röösli in Abrede stellen. Sein Credo ist es, Besuchern seine Tiere «hautnah» zu zeigen. So nah, dass er zum Beispiel seine handzahmen Geparde für Hochzeitsfotos mit dem Brautpaar posieren lässt. Für diese Art der Tierhaltung ist Röösli schon oft kritisiert worden. Aber er ist überzeugt, dass es möglich ist, auch Wildtiere so zu pflegen und zu trainieren, dass sie sich in Menschennähe wohlfühlen. «Wenn ein Zootier vor den Menschen davonrennt, ist etwas schiefgelaufen», sagt er. Für ihn gehören Mensch und Tier zu einer Familie. «Wenn wir Tiere entsprechend erziehen, dann verstehen sie das auch.» Die Leoparden zum Beispiel kämen oft an die Scheibe ihres Geheges und würden dort mit Kindern «spielen», indem sie eine Tatze ans Glas hielten. 

Solche Kontakte seien für beide Seiten ein Gewinn, ist Röösli überzeugt. «Das Tier beschäftigt sich, und für den Menschen ist es besser als Medizin.» Jedes Jahr würden 50 bis 60 Alters- und diverse Behindertenheime einen Ausflug in «Tonis Zoo» machen. «Für diese Menschen ist es oft das Grösste, wenn sie einmal eine Schlange auf dem Schoss halten, ein Lama streicheln oder einen Affen füttern können», sagt Röösli. Heimleiter berichteten ihm, dass einige ihrer Schützlinge, die sonst permanent einen «Lätsch» machten, noch Monate nach dem Zoobesuch strahlen und von dem Erlebten erzählen würden.

 Auch wir machen kein langes Gesicht, sondern wärmen, stärken und erheitern uns im «Affestübli». Wir sitzen direkt am Fenster zum Gehege der Kattas und merken rasch: Die Lemuren sind kein bisschen menschenscheu. Wie Gummibälle hüpfen sie hin und her, setzen sich immer wieder auf die Fensterbank und beäugen uns – es ist ihnen nicht zu verdenken, schliesslich gaffen wir auch. 

Wir führen unseren Rundgang fort, diesmal drinnen, durch die ehemaligen Gewächshäuser. Die bunte Welt in den Gehegen und Volieren macht das trübe Winterwetter im Nu vergessen. Zwei gelb-schwarze Gould-Warane liegen einträchtig nebeneinander. Einer von ihnen hat immerhin die Augen offen. Von den drei Wüstenfüchsen ein paar Schritte weiter kann man das nicht behaupten; sie schlafen tief und fest, aneinandergekuschelt unter einer Wärmelampe. Und das, obwohl die Papageien nebenan einen ziemlichen Krach veranstalten. Einer von ihnen begrüsst uns mit einem jovialen «Hallo!» und aus einer anderen Voliere wollen meine Frau und meine Tochter kurz darauf ein keckes «Chömed Buebe» vernommen haben.

Frische Fische für Frackträger
Um punkt vier Uhr sind wir wieder draussen. Die Fütterung der Pinguine wollen wir nicht verpassen. Vollzählig versammelt wartet das gefiederte Trüppchen bereits vor einer Holztür. Und wirklich: Zwei Minuten später geht die Tür auf. Eine Pflegerin stellt einen Metalleimer auf die Schwelle und greift hinein. Einen Fisch nach dem anderen nimmt sie daraus hervor und streckt sie den Brillenpinguinen hin. Ist das ein Gedränge! Wer einen Happen erwischt hat, würgt ihn blitzschnell herunter und versucht den nächsten zu ergattern. Etwa fünf Minuten dauert der Spuk, dann ist der Kübel leer und die Tür geht zu. Die Pinguine drehen ab und watscheln durch den Schnee davon. Für sie war es ein prächtiger Tag, genau wie für uns.

Tonis Zoo, Holzhüsern, 6023 Rothenburg LU
Öffnungszeiten: 1. Nov. – 28. Febr. 9–17 Uhr, 1. März – 31. Okt. 9–18 Uhr
www.toniszoo.ch