Viel Zeit bleibt Marek Egyhazy und seinem Mitarbeiter nicht, als gegen Mittag die angekündigte Fracht eintrifft. Vier Deutsche Schäferhunde, eine Französische Bulldogge und einen Falken gilt es anzuschauen und zu versorgen. Das muss sorgfältig, in diesem Fall aber auch schnell und effizient geschehen, denn die Tiere sind auf der Durchreise und dürfen ihre Anschlussflüge nicht verpassen. Die fünf Hunde, allesamt Welpen, reisen nach Chicago in die Vereinigten Staaten weiter. Der Greifvogel dagegen bleibt in Europa. Er fliegt in die österreichische Hauptstadt Wien.


Egyhazy ist Gruppenleiter des Fachbereichs Tierpflege am Flughafen Zürich. Zusammen mit seinem Team kümmert er sich um das körperliche und geistige Wohlbefinden von Tieren im Frachtverkehr. «Darf ein Flugpassagier sein Frettchen oder seinen Mops hingegen in die Kabine mitnehmen, dann haben wir damit nichts zu tun», sagt er. Ebenfalls kein Thema seien Grosstiere wie Elefanten und Giraffen oder Huftiere wie Kühe und Schweine. Dafür fehle die nötige Infrastruktur. «Ansonsten haben wir hier alles Mögliche: Insekten, Reptilien, Zierfische, bis hin zu ausgewachsenen Wölfen und Löwen, was für uns besonders spannend ist.» Seit zwei, drei Jahren, sagt Egyhazy, seien jedoch klassische Haustiere wie Hunde und Katzen deutlich auf dem Vormarsch.

Auffallend viele Welpen
Tierräume gibt es am Flughafen Zürich zwei: den EU- und den Drittland-Tierraum. Ersterer untersteht dem kantonalen Veterinäramt. Hier arbeiten die Tierpfleger autonom. Im Drittland-Tierraum hingegen, wo das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen die Hoheit hat, sind es die Grenztierärzte, die jede Sendung mit Unterstützung der vier Tierpfleger kontrollieren. Pro Jahr wickelt der Flughafen Zürich rund 5000 Tiersendungen ab. 60 Prozent davon sind Transit und je 20 Prozent Import und Export. Das Gesamtgewicht beträgt 2000 Tonnen.
Wie viele Tiere es effektiv sind, lässt sich nicht beziffern.

Egyhazy spricht von Millionen. Vor allem bei Insekten oder Fischen kann die Zahl an Individuen pro Transportbehälter schnell einmal in die Hunderte gehen. Konkreter wird der Tierpfleger bei den klassischen Haustieren: rund 2000 Hunde und 1200 Katzen kämen hier durch. Darunter auffallend viele Welpen. Der Grossteil ist für den Verkauf bestimmt. Um die Papiere – dazu gehören unter anderem Impf- und Heimtierausweis – sowie die Identifikation mittels Mikrochip, Tätowierung oder der internationalen Datenbank Traces kümmert sich eine Abfertigungsgesellschaft.

Trinkwasser in Eisform
Mittlerweile sind die angelieferten Tiere auf drei Zellen verteilt worden. Getrennt wird nach Herkunftsland, aus Seuchenschutzgründen. «Als Nächstes schauen wir, in welchem Zustand die Tiere sind, ob es ihnen gut geht», sagt Egyhazy, während er die Transportbox mit der Französischen Bulldogge öffnet. Er lässt den Hund mit den Glubschaugen vorsichtig seine Hand beschnuppern, nimmt ihn heraus, hält ihn hoch, dreht ihn nach rechts, links. Schliesslich setzt er ihn in einen der beiden Zwinger im Raum ab. Der Welpe nutzt die Gelegenheit, jetzt, da er etwas Platz hat, und springt ein paarmal hin und her, auf und ab. Wäre etwas nicht in Ordnung mit ihm, würde Egyhazy einen Grenztierarzt zurate ziehen. Notfalls käme das Tier in Quarantäne.

Gestresste oder sehr ängstliche Tiere sehen wir hier zum Glück selten», sagt Egyhazy. Die meisten seien einfach nur etwas aufgeregt. Was zeige, dass sie gut auf ihre Flugreise vorbereitet wurden. Vorbereitung sei sowieso das A und O. «Wenn Sie einen Hund oder eine Katze einen Tag vor Abflug das erste Mal in die Transportbox setzen, dann kommt das nicht gut.» Die Angewöhnung sollte über mehrere Wochen geschehen und mit dem Tierarzt besprochen werden. Welche Tiere wie transportiert werden dürfen, regeln die betroffenen Fluggesellschaften und der internationale Luftfahrtverband Iata. «Ich empfehle, sich hier frühzeitig zu informieren», sagt Egyhazy. Dann nimmt er die Box unter die Lupe, untersucht sie auf Schäden. Alles scheint in Ordnung. Nur rausgeputzt werden muss sie. Mit Latexhandschuhen entfernt er ein grosses Büschel Papierstreifen und ersetzt es durch ein neues. Es dient als Hygieneeinlage und Polsterung.

Zeit für die Fütterung
Es folgt die Fütterung. Sie hängt davon ab, wie lange ein Tier bereits unterwegs war oder noch unterwegs sein wird. «Wir haben für jede Art von Haustier und jede Altersklasse Futter an Lager», sagt Egyhazy. Bei Wildtieren sei das weniger ein Thema. Die könnten auch mal ein, zwei Tage fasten. Am allerwichtigsten sei aber genügend Wasser. Sagts und klemmt eine volle Trinkschale an die Innenseite der Transportbox.

Was auffällt: Das Wasser ist gefroren – aus gutem Grund. Wäre es flüssig, könnte es durch die Erschütterungen auf dem Gepäckwagen oder beim Verladen auf der schrägen Rampe auslaufen. Hat das Tier Durst, kann es am Eis lecken; mit der Zeit taut dieses zudem auf.

Tönt alles logisch, ist aber umstritten. Denn Eiswasser kann bei sensiblen Hunden die Magenschleimhaut reizen (wegen der Kälte) und allenfalls zu Durchfall oder Erbrechen führen. Jedoch müssten die Tiere grössere Mengen in kurzer Zeit aufnehmen. Zudem können auch die Nervosität während der Flugreise oder irgendwelche Darmparasiten als Auslöser infrage kommen. Egyhazy und sein Team kennen die Kontroverse. «Wir haben uns nach reiflicher Überlegung für die Eisvariante entschieden, weil wir es einfach nicht riskieren wollen, dass ein Hund oder eine Katze ohne Wasser auf einen Elf-Stunden-Flug muss, nur weil dieses auf dem Weg zum Flugzeug verschüttet wurde.»

Streicheleinheiten sind eher selten
Die Französische Bulldogge ist mittlerweile abflugbereit. Auch die Schäferhunde sind versorgt. Jetzt gilt es, einen Blick auf den Falken zu werfen. Da Vögel allgemein ruhiger sind, wenn sie nichts sehen können, ist dessen Transportbox speziell abgedichtet. Egyhazy findet trotzdem einen kleinen Schlitz und späht hindurch. Sogleich rumpelt es. Man hört Flattergeräusche. «Ja, der macht einen guten Eindruck. Ist ein bisschen aufgeregt, darum lassen wir ihn jetzt.»
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Tierräumen des Flughafens Zürich beträgt sechs Stunden. Bei den Welpen waren es gerade mal 15 Minuten. Bei anderen dauert es Tage. «Einmal sind fünf Faultiere bei uns gestrandet, die nach China hätten fliegen sollen», erzählt Egyhazy. Doch es war Wochenende und die Tierstation am Pekinger Flughafen nicht besetzt. Also blieben sie in Zürich. Drei Tage lang.

Auch heute hat es Tiere, die bereits eine Nacht hier verbracht haben. Darunter eine junge Birma-Katze, die von Brüssel herkommend auf ihren Flug nach Boston, USA, wartet. «Bei langhaarigen Katzen oder Hunden kümmern wir uns bei Bedarf auch um die Fellpflege», sagt Egyhazy. Spiel und Streicheleinheiten gebe es aber nur selten, und das sei gut so: «Die Tiere brauchen hier vor allem eines: Ruhe. Und die geben wir ihnen.»