Ein grosses, umzäuntes Waldstück im Berner Tierpark Dählhölzli. Eine beschlagene Glasscheibe, durch die überhaupt nichts zu sehen ist, kein optimaler Tag, um ein Wolfsgehege einzuweihen, denkt man, zumal dieser 31. Januar dem Besucher einen ganz schön eisigen Wind durch die Kleider bläst. 

Nicht optimal? Tierparkdirektor Bernd Schildger ist da ganz anderer Meinung: «Es ist gut, dass Sie die Wölfe gar nicht sehen», erklärt er, «denn das IST der Wolf». Vielmehr als die Bedürfnisse der Schaulustigen will man im Dählhölzli die Bedürfnisse der Tiere befriedigen, weshalb man die neuen Wölfe Amarouk und Juliette so nah wie möglich an ihren natürlichen Lebensraum heranbringen will. So könne man, so Schildger, die Wölfe nicht nur sehen, sondern erfahren. «Das erste, was man erfährt, ist, dass man nichts sieht!» 

Die Omega-Tiere Amarouk und Juliette
Der Bau dieses neuen Wolfsgeheges wurde erst im August vergangenen Jahres begonnen, bereits vier Monate später war die Anlage bezugsbereit. Juliette, die dreijährige Wölfin aus dem Tierpark im lothringischen Rhodes konnte sich schon im Dezember in der neuen Anlage einleben, während der gleichaltrige Amarouk erst Mitte Januar dazustiess. Sowohl Juliette als auch er, ein Geschenk des Wildparks Langenberg, waren in ihren bisherigen Rudeln Tiere von niedrigem Rang und daher gefordert, sich um die Bildung eines eigenen Rudels zu kümmern. Genau dies wird – hoffentlich – in den nächsten Monaten und Jahren im Tierpark Dählhölzli zu sehen sein. Oder eben nicht zu sehen, denn auch als das Gehege durch den traditionellen Schnitt durch das rot-weisse Absperrband feierlich eröffnet wird, ist weit und breit kein Wolf zu sehen.

Russische Bären als Nachbarn
Gleich neben dem Wolfsgehege sind die Bären Misha und Masha zuhause, die beiden Staatsgeschenke aus Russland. Momentan sind sie zwar im Winterschlaf, aber wenn sie im Frühling erwachen, könnten sie sich ab und zu über Besuch wundern: Die Wölfe können sich nämlich ins Bärengehege schleichen. Durch Verbindungsschieber können sie den Bärenwald erkunden, müssen aber ihrerseits keine Angst vor bärigem Besuch haben. Misha und Masha passen nämlich nicht durch die Schleuse.

Und tatsächlich scheint sich in der Nähe des Bärengeheges, in der Tiefe des Waldes etwas zu tun: Wolfsrüde Amarouk streift dort hinten durchs Unterholz. Er scheint verunsichert, aber neugierig, und so traut er sich etwas näher an die vordere Absperrung. Immer wieder kehrt er um und verschwindet wieder im Dickicht, aber jedesmal kommt er zurück, näher und näher, bis er den Fotografen letztlich seine Schokoladenseite knipsfertig präsentiert. Seine Gefährtin Juliette hingegen traut sich nicht heraus. Wahrscheinlich versteckt sie sich in einer der sechs Höhlen, die den Wölfen als Unterschlupf dienen.

Ein Erlebnis ist es sicher, Wölfe, wie Direktor Schildger bemerkte, zu «erfahren». Aber halt doch noch etwas spannender, sie auch tatsächlich zu sehen.