Als Panzernashorndame Saar letzten November den Zoo Basel in Richtung Frankreich verliess, passierte das im Geheimen. Wie meistens. «Wäre das Datum bekannt gewesen, wären die Medien bei uns auf der Matte gestanden. Das wollen wir nicht», sagt Victor Bindy. Ein Tier, das auf Reisen gehe, habe schon so Stress genug. Es wisse nicht, was mit ihm passiere und wo es hinkomme. Da brauche es nicht auch noch Publikum.

Bindy ist 54 und arbeitet seit über zwanzig Jahren im Zolli. Seit sechs Jahren ist er Betriebsleiter und Chef Transporte – oder Reiseveranstalter, wie er es nennt. Pro Jahr organisiert und betreut er fünfzig solcher Weg- und Zugänge. Zwei Drittel sind Exporte. So wie jener von Saar. Dass sie den Zolli nach anderthalb Jahren verlassen musste, lag daran, dass sie sich nicht decken liess. «Wir hoffen, in ihrem neuen Zuhause, dem Parc Animalier et Botanique Branféré, klappt das besser mit dem Nachwuchs», sagt Bindy. Das sei umso wichtiger, als die in Südasien beheimateten Panzernashörner eine stark bedrohte Tierart sind. Laut Weltnaturschutzunion IUCN gibt es nur noch rund 2600 frei lebende Exemplare (Stand 2007). In Zoos und Tiergärten sind es 210. «Solche Transporte sind also ein Beitrag zum Artenschutz.»

Am Tag von Saars Abschied musste es rasch gehen. Der zuständige Tierpfleger und die Kuratorin trieben das Weibchen behutsam, aber bestimmt in die grosse Transportkiste am Stallausgang. Auch der Zolli-Tierarzt war vor Ort, hielt sich aber zusammen mit weiteren Beteiligten im Hintergrund. «Bei solchen Schwergewichten gilt es, mit dem Überraschungseffekt zu arbeiten», sagt Bindy. «Tier rein, Schieber runter, fertig.» In manchen Fällen sei auch eine Sedierung angezeigt. Also die Verabreichung eines Beruhigungsmittels. «Intern nennen wir das ‹die rosarote Brille aufsetzen›.» Das funktioniere zum Beispiel bei Giraffen sehr gut.

Wach und nüchtern über die Grenze
Bei einer Grosskatze wie dem Schneeleoparden-Männchen, das 2016 nach Paris zügelte, reicht das nicht. Da kommt das Blasrohr mit Betäubungspfeil zum Einsatz. Das betäubte Tier wird dann mit vereinten Kräften in die Transportkiste gehievt, bei Bedarf noch gewogen. Oft werden bei dieser Gelegenheit auch Blut- und Kotproben entnommen. Danach spritzt der Zootierarzt ein Gegenmittel. Dies sollte relativ schnell geschehen, denn das Tier muss beim Grenzübertritt wach und nüchtern sein. «Ist es benommen, könnte der Grenztierarzt dies allenfalls als Anzeichen einer Krankheit oder Seuche deuten und die Weiterreise verbieten», erklärt Bindy.

Es gibt noch andere Verfahren, um Tiere in Transportkisten zu packen. Somali-Wildesel zum Beispiel werden angefüttert. Die Kiste wird dafür neben den Stall gestellt und mit Heu und Futter gefüllt. Die Esel gehen immer wieder rein und gewöhnen sich daran. «Kleinaffen fangen wir mit dem Netz ein», sagt Bindy. Das mache er in der Regel selbst. Blöd nur, dass die Affen das mittlerweile gecheckt haben und sich sofort in Sicherheit bringen, wenn er ins Affenhaus kommt.

Kisten müssen genau angepasst sein. Nicht zu gross, nicht zu klein. Das Tier muss stehen und sich hinlegen können; aber niemals sich drehen (gilt nicht für Affen und Vögel) oder gar in die Luft springen. «Wenn zum Beispiel ein Känguru nervös wird und einen Satz macht, könnte es sich verletzen», sagt Bindy. Daher würden manche Kisten zusätzlich ausgepolstert. Probleme beim Transport gebe es selten. Und wenn, dann ziehe man die nötigen Lehren daraus.

Flamingos in Strumpfhosen
Dazugelernt haben die Basler etwa bei den Rosaflamingos. Aufgrund der grossen, regelmässig brütenden Kolonie, kann der Zolli jedes Jahr bis zu 30 von ihnen an andere Zoos abgeben. Ganz früher wurden die staksigen Vögel in engen Zweierboxen transportiert. Da gab es Tote und Verletzte, etwa durch heftige Flügelschläge. Danach versuchte man es mit Einzelboxen. «Wir haben jeden Flamingo in eine Art Strumpfhose gepackt und an die Decke gehängt. Das funktionierte besser», sagt Bindy. Neu werden die Tiere gruppenweise in einem Holzverschlag mit Rasenteppich transportiert. So seien sie am ruhigsten.

Viele Transportkisten werden in der zooeigenen Schreinerei gebaut. Dabei gilt es viele Vorschriften zu beachten. Vor allem, wenn die Reise per Flugzeug stattfindet. Der internationale Luftfahrtverband Iata veröffentlicht diesbezüglich jedes Jahr ein dickes Handbuch. Darin ist für jede Tierart beschrieben, wie und aus welchen Materialien die Kiste gebaut sein muss. Weitere Punkte sind die Ausbruchsicherheit, Luftlöcher, Futter- und Wasserklappen sowie ein doppelter Boden für Kot und Urin. «Sonst bilden sich giftige Ammoniakdämpfe und das Tier könnte daran ersticken», sagt Bindy.

Natürlich werden nicht alle Tiere als Luftfracht in andere Zoos gebracht. Nur, wenn diese in Übersee liegen. Das meiste geht per Lastwagen. In Europa gibt es dafür ein paar wenige auf Wildtiertransporte spezialisierte Spediteure. Für eine Giraffe etwa braucht es einen Spezialanhänger mit absenkbarem Dach, um unter Brücken durchzukommen. Dabei muss sich die Giraffe kurzzeitig etwas bücken. Es muss aber nicht immer kompliziert sein. Bei den zwei Rentieren, die dieser Tage nach Deutschland gebracht werden, reichte ein normaler Viehtransporter. «Die verladen wir dann wie Kühe», sagt Bindy.

Die meisten Transporte finden in der kühleren Jahreszeit statt. Und sie werden so kurz wie möglich gehalten. Unterwegs muss der Chauffeur zudem alle zwei bis drei Stunden haltmachen und nach den Tieren sehen, insbesondere, ob sie genügend Flüssigkeit haben. Laut Bindy das Wichtigste. Manche Spediteure haben sogar Überwachungskameras im Transportraum installiert. Eher selten begleitet der zuständige Pfleger das Tier. 

Die Kosten für einen Transport sind nicht zu unterschätzen. «Allein einen Elefanten zu transportieren, kostet schnell einmal um die 25 000 Franken», sagt Bindy. Deshalb greife man bei kleineren Tieren gerne auch mal auf Sammeltransporte zurück. Das spart Geld. Wobei ergänzt werden muss: Es ist immer der Empfängerzoo, der die Transportkosten eines Tieres übernimmt. Dafür bekommt er es gratis.

Gorillas aus dem Katalog
Bis vor rund 45 Jahren war das anders. Der Handel mit Wildtieren florierte. «Das war ein lukratives Geschäft», sagt Bindy. Zoodirektoren aus aller Welt, auch aus Basel, besuchten Wildfangstationen in Afrika, wo sie sich Tiere für ihren Zoo aussuchten. «Es gab sogar Bestellkataloge. Da sah man: Ein Gorilla kostet so viel, ein Löwe so viel ...» Das änderte sich erst 1973 mit dem Artenschutzübereinkommen Cites (siehe Box Seite 15).

Panzernashörner wie Saar sind dadurch nochmals speziell geschützt. Sowohl für die Ausfuhr als auch für die Einfuhr braucht es eine Bewilligung. Das ist aber noch lange nicht alles. Das Tier muss vor seiner Reise amtlich erfasst werden. Es muss vom Empfängerzoo eine Bestätigung vorliegen, dass er die Bewilligung und den Platz hat, diese Art zu halten. Das kantonale Veterinäramt prüft den Gesundheitszustand, die Transportkiste, den Spediteur inklusive Lastwagen und Anhänger. Der Grenztierarzt muss informiert werden. Und für alles gibt es ein Formular oder eine Bescheinigung. «Der Papierkram ist lästig – aber nötig», sagt Bindy. Ist das Tier dann endlich über die Grenze, ist die Sache gelaufen. Eigentlich. «Für mich ist der Transport erst abgeschlossen, wenn uns der Empfängerzoo meldet, dass das Tier wohlbehalten angekommen ist.» Bei Saar war das nach 15 Stunden der Fall.