Malaienbärin Lotinkas Leben begann wohl tragisch. Sie stammt aus einer Auffangstation in Vietnam, wo sie landete, weil sie irgendwo illegal als Haustier gehalten und schliesslich von den Behörden konfisziert wurde. Ihre Mutter wurde wahrscheinlich wegen der in der chinesischen Medizin begehrten Bärengalle gewildert (lesen Sie hier mehr dazu), das Jungtier wurde mitgenommen und von Menschen aufgezogen. Ein Schicksal, wie es Tausende von Bären in Südostasien ereilt.    

Von der Auffangstation kam Lotinka ins europäische Erhaltungszuchtprogramm für Malaienbären, die kleinsten Vertreter der Familie der Bären. Dieses führte sie erst in einen Zoo in die damalige Tschechoslowakei, in den 1990ern zügelte sie nach Frankfurt. 2010 startete man dort mit dem Umbau der Bärenanlage. Den Stress des Umbaus wollte man der Bärin nicht zumuten und suchte einen Platz, an dem sie vorübergehend bleiben konnte. Basel sagte zu. «Ein ganz normaler Austausch im Rahmen des Erhaltungszuchtprogramms», beteuert Zolli-Kurator Adrian Baumeyer, der sich jüngst mit dem Vorwurf konfrontiert sah, die Bärin sei ihr Leben lang nur herumgereicht worden.    

Lotti, wie sie in Basel genannt wird, ist heute stolze 33 Jahre alt und damit der zweitälteste Malaienbär Europas. Sie galt aber schon vor neun Jahren beim Umbau in Frankfurt als alte Dame. Ausserdem stand es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten, als sie nach Basel kam. Sie war stark übergewichtig. In Basel sei es gelungen, ihr zu mehr Bewegung zu verhelfen. Malaienbären klettern sehr gerne. Auch Lotti fing wieder vermehrt damit an und nahm etwas ab. Weil Transporte für Tiere immer mit viel Stress verbunden sind, Lotti schon so alt war und sich ihre Gesundheit in Basel verbessert hatte, beschloss man, sie im Zolli zu behalten.   

Petition für Lotti
Dass es Lotti dort gut geht, glauben aber nicht alle. So startete der Basler Tierschützer Olivier Bieli mit seinem Verein «Hilfe für Tiere in Not» vor einigen Wochen eine Petition, die den Zolli dazu bringen will, Lotti einen würdevollen Lebensabend zu gestalten und sich endlich um sie zu kümmern. Denn ihre Anlage sei viel zu klein und biete keine Rückzugsmöglichkeiten. Die Bärin könne sich den Blicken der Zoo-Besucher nicht entziehen. «Von jeder Stelle ausserhalb des Geheges sieht man an jede Stelle innerhalb des minimalistischen Bärengefängnisses», schreibt Bieli. Die kleine Bärin sei einsam, wirke gelangweilt und lustlos. «Auf ihrem Kleinstlebensraum findet sie auch in auf ihre alten Tage kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. Wir finden dies nicht tragbar.»    

Für das vom Basler Stimmvolk abgelehnte Ozeanium habe der Zoo Millionen gesammelt und viel Geld für die Planung verbraucht, heisst es in der Petition weiter. «Wir fragen uns, weshalb man für den scheuen Malaienbären nicht Millionen in ein neues, artgerechtes Gehege investieren möchte. Wohl ist der sich langsam bewegende, eher scheue Bär für Besucher und Zoo mittlerweile zu unspektakulär geworden.»

«Wir wünschen uns von Zoos, insbesondere von Zoos mit wenig Fläche wie in Basel, dass sie allen Tieren gerecht werden – auch denen die keine Publikumsmagnete sind», sagt Olivier Bieli gegenüber «Tierwelt Online». «In Basel herrscht bei einigen Tieren dringend Handlungsbedarf, was die Grösse der Gehege betrifft.»

Gesundheitschecks und Zahnfüllungen
Diese Vorwürfe treffen Kurator Baumeyer. «Ja, die Anlage hat wenig Platz», räumt er ein, «und wenn Lotti mal nicht mehr ist, werden wir darin keine Malaienbären mehr halten.» Was die Besucher allerdings nicht sehen, sei die Innenanlage, die Lotinka nochmals mehr als die Hälfte des Platzes der Aussenanlage biete und auch draussen gebe es Rückzugsmöglichkeiten. Zudem werde Lotti «intensiv beschäftigt», zum Beispiel, in dem man ihr Futter aufhängt, so dass sie es selber herunterholen muss. Weil sie aber schon so alt sei, komme sie nicht mehr so hoch wie früher. «Lotti klettert praktisch nicht mehr», sagt Baumeyer.      

Obwohl sie zur Zucht vorgesehen war, hatte Lotinka nie Nachwuchs. Einmal habe sie ein Männchen bei einem Zuchtversuch sogar angegriffen. In traumatischen und prekären Verhältnissen aufgewachsen, hat sie nie gelernt, wie sie sich gegenüber Artgenossen verhalten soll. Doch Malaienbären sind Einzelgänger, weshalb Baumeyer auch vom Vorwurf Lotti sei einsam, nichts wissen will.    

«Wir ermöglichen Lotti einen sehr würdigen Lebensabend», sagt er. Man warte keinesfalls nur noch darauf, dass sie stirbt, wie es ein Bericht in der «Basler Zeitung» suggerierte: «Das Gegenteil ist der Fall, Lotti bekommt regelmässig einen tierärztlichen Gesundheitscheck und Spezialbetreuung. Beispielsweise wurden ihr schlechte Zähne nicht einfach gezogen, sondern sie bekam vom Zahnarzt Zahnfüllungen», so Baumeyer. «Ihr Tod wäre für uns ein Verlust.»