Dass Hunde «Rassisten» sind, ist offenkundig und hat auch seine Gründe (darüber haben wir hier bereits berichtet). Entweder wirken optische Merkmale gewisser Rassen auf Artgenossen ungewohnt, oder die rassentypischen Verhaltens- und Spielweisen sind dem Andersrassigen zuwider. Bei fast 400 Hunderassen lassen sich die Vorlieben und Abneigungen eines einzelnen Hundes anderen Rassen gegenüber zwar nie abschliessend festmachen. Hört man sich unter Hundehaltern um, zeigt sich jedoch, dass es durchaus Hunderassen gibt, die bei Artgenossen einen besonders schweren Stand haben. 

Der Grund dafür liegt meist an der Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Rassen, wie die tierärztliche Verhaltensmedizinerin Christina Sigrist erklärt. «Hunde kommunizieren bekanntlich grossmehrheitlich über ihre Körpersprache. Dabei wirkt jedes äus­serliche Merkmal wie eine Art Buchstabe oder ein Wort.» Wenn Hunde aufeinandertreffen, lassen sie also ihren ganzen Körper «sprechen», dazu gehören die Ohren, das Gesicht, die Augen, die Rute und die Körperhaltung ganz allgemein. 

Kurznasige «sprechen» missverständlich
Mit der Rassenzucht habe der Mensch den Hunden gewissermassen «Berufskleider» verpasst, ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf deren Körpersprache. So verfügt der Hund je nach Rasse über deutlich weniger optische Ausdrucksmöglichkeiten als sein Urahn. Sigrist verweist hier auf die deutsche Verhaltenswissenschaftlerin Dorit Urd Feddersen-Petersen, die beim Wolf 60, beim Zwergpudel 14 und beim Deutschen Schäferhund gerade mal noch zwölf verschiedene Gesichter dokumentieren konnte. Weichen nun die körpersprachlichen Kommunikationsinstrumente des Hundes von der üblichen Form ab, beinträchtigt das die Kommunikation des Hundes. Er entwickelt quasi «Sprachfehler», «Dialekte» oder «Akzente», wie Sigrist es nennt. Dadurch könne er entweder bestimmte Ausdrucksweisen nicht mehr zeigen oder aber er präsentiere sie im Gegenteil annähernd permanent, fast maskenhaft. «Da sind Missverständnisse programmiert.» 

Die Rassengruppe, auf die das offenkundig zutrifft, sind die Vertreter kurznasiger Rassen wie beispielsweise der Mops, Französische oder Englische Bulldoggen, der Boston Terrier, Pekinesen oder ähnliche. Sie sind es denn auch, die von Hundehaltern am meisten genannt werden, wenn man sie fragt, mit welchen Rassen ihr Hund Mühe hat. Sigrist erklärt das wie folgt: «Durch die kurze Nase, die ausgeprägte Belefzung und die vielen Gesichtsfalten gleicht die Mimik kurznasiger Hunde jener von offensiv-aggressiven Hunden.» Hinzu kommt, dass Kurznasige beim Atmen teilweise Geräusche von sich geben, die als Knurren gedeutet werden können. «Die prägnantesten Botschaften, die aus der an und für sich neutralen Gesichtsmimik von Bulldoggen und Co. zu lesen sind, sind fordernd, distanzierend und offensiv drohend gefärbt.» 

Will ein kurznasiger Hund hingegen tatsächlich eine Abwehrhaltung signalisieren, habe er kaum die Möglichkeiten dazu. Dies weil er nur schwer sein Lefzen sichtbar aufziehen kann, da er ohnehin oft durch das geöffnete Maul atmet. Hat er ausserdem eine Stummelrute, was bei einigen kurznasigen Rassen der Fall ist, ist die Misskommunikation perfekt. Der Grund: Eine nicht sichtbare Rute wird von anderen Hunden als tiefgestellt bis geklemmt wahrgenommen. «Damit kommuniziert ein kurznasiger Hund vorne offensiv und hinten defensiv. Eine solche Ambivalenz ist für das Gegenüber selten vertrauensbildend.»

Die Haltung spricht Bände
Sigrist nennt ein weiteres Beispiel von oft missverstandenen Hunderassen: die Windhunde. Deren Ohren sind angelegt, die Rute wird tief bis leicht eingezogen getragen, der Rücken ist leicht aufgebogen und die Hinterläufe stark gewinkelt, sodass eine tiefe Körperstellung resultiert. So ähnelt die Silhouette eines Windhundes jener eines Hundes, der unterwürfig, unsicher, defensiv, aber freundlich kommuniziert.  «Ein rasse­unerfahrener Artgenosse könnte den Windhund aufgrund seiner körperlichen Signale in erster Linie als deeskalierend, beschwichtigend und widerstandslos tolerierend einschätzen», sagt Sigrist. 

Auch Vertreter sogenannter Urtyp-Hunderassen wie beispielsweise der Spitz würden häufig missverstanden. Die markanten Stehohren, die hohe, oft über dem Rücken getragene Rute und die meist steile Winkelung ihrer Beine lasse diese Hunde grösser erscheinen, als sie sind. «Einige Urtyp-Hunde könnten also glatt für ‹Permanent-Imponierer› gehalten werden», sagt Sigrist. Ähnlich ergehe es auch den Ridgebacks, deren Haare auf dem Rücken stets «gesträubt» sind und so permanent eine sehr hohe Erregungslage signalisieren.  

Auch die Beschaffenheit des Haarkleides gebe häufig Anlass zu körpersprachlichen Missverständnissen unter Hunden, sagt Sigrist. Da ihre Augen, Lefzen, Nasenrücken und Stirn unter den Haaren nicht zu sehen sind, sei die Mimik von langhaarigen oder gelockten Rassen schwierig zu lesen – sie geben sich ihren Artgenossen gegenüber im eigentlichen Sinne des Wortes «bedeckt». Auch das Sträuben der Haare könne bei diesen Hunden kaum wahrgenommen werden.

Kleider machen Aussenseiter
Doch nicht nur reinrassige Hunde können durch ihr Äusseres falsch gedeutet werden. Auch Mischlinge sind davor nicht gefeit, wie Gaby Gluvakov, Tierpsychologin und Hundetrainerin aus Neuhaus SG ausführt. Vor allem Mischlinge, die von einer Rasse Merkmale haben, die nicht zum Rest des Körpers passen, hätten oft Mühe mit Artgenossen. Gluvakov bringt das Beispiel eines ihr bekannten Sheltie-Dackel-Mischlings. «Sein Mix aus kurzen Dackel-Beinen und der beeindruckenden Sheltie-Mähne hat dazu geführt, dass viele Hunde Angst vor ihm hatten, obwohl er eigentlich ein anständiger und liebenswerter Hund war», sagt Gluvakov. 

Ein weiteres Problem für die Kommunikation zwischen Hunden sei die Bekleidung für Hunde. «Viele Hundemäntelchen sind absolut untauglich für ein Spiel mit Kumpels», sagt Gluvakov. So würden Kapuzen oder Fellkragen einen Hund unnötig grösser erscheinen lassen. «Da sehen nicht nur Schäferhunde rot», sagt Gluvakov. Neben den Kleidern können aber auch Gerüche die Kommunikation beeinträchtigen. So zum Beispiel die ätherischen Öle, die zur natürlichen Zeckenabwehr ins Fell geträufelt werden. «Das funktioniert einwandfrei, was die Zecken betrifft. Doch ein Hund, der wie eine Parfümerie riecht, wird wohl eher zum Aussenseiter.» 

Wird ein Hund von potenziellen Spielkameraden auf der Hundewiese gemieden, kann er also meist nichts dafür. «Er selber weiss nicht, dass und welche Signale er durch sein Äusseres an seine Artgenossen sendet», sagt Sigrist. Umso wichtiger sind Welpenschulen, in denen Hunde die verschiedenen «Dialekte» der anderen Rassen kennen- und verstehen lernen können.