Kaum war der geliebte Vierbeiner zwei Wochen im Urlaub, möchte er auf seiner gewohnten Gassiroute am liebsten Stunden verweilen. In jedes Grasbüschel steckt er seine Nase, an jeder Ecke hinterlässt er seine Duftmarke. Das Schnüffeln nach langer Abwesenheit müsse man sich als «Nachrichten-Checken» vorstellen, sagt André Schibli, Hundetrainer aus Birr im Kanton Aargau. «Wenn wir nach dem Urlaub nach Hause kommen, benötigen wir auch länger, um die Post zu durchstöbern.» Schibli kennt sich mit Hundenasen aus, er bietet unter anderem Lernspaziergänge und Fun-Mantrails an. «Schnüffeln ist ein Grundbedürfnis des Hundes.» 

Während wir nur erahnen könnten, wer alles auf der Route unterwegs war, wisse der Hund dies genau, sagt Schibli. Gleichzeitig überlege der Vierbeiner, ob er umgehend eine Antwort auf den Weg geben soll – indem er seine eigene Duftmarke hinzufüge. «Der Hund setzt seine Markierung, um damit sein Revier abzustecken. Seine Duftmarke kann aber auch viel über sein Befinden aussagen.» Denn mit «seiner Marke» verbreitet der Hund wichtige Informationen über sich. Man nimmt an, dass dazu vor allem Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und Fortpflanzungsbereitschaft gehören. «Durch das Markieren gibt der Hund seinen Individualgeruch ab. Der Urin ist hierbei wie ein Fingerabdruck und somit einzigartig», erklärt der Hundetrainer. 

Wundernase

Hunde besitzen im Vergleich
zum Menschen eine riesige Riechschleimhaut. Während wir gerade mal fünf Quadratzentimeter mit fünf bis sieben Millionen Riechzellen unser Eigen nennen, kann ein Hund auf rund 150 Quadratzentimeter stolz sein, auf denen sich je nach Rasse 125 bis 300 Millionen Riechzellen befinden. Grundsätzlich gilt: Grosse Hunde mit grossen Nasen verfügten über mehr Riechzellen als kleine Rassen mit platten Nasen.

Kleine Hunde mogeln hierbei öfters mal ein wenig. Sie heben ihr Bein zuweilen besonders hoch, um an einer höheren Stelle ihre Markierung zu setzen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Hunde so grösser erscheinen möchten.

Geht es ums Schnüffeln, kann ein Hund ähnlich wie Jean-Baptiste Grenouille in Patrick Süskinds Roman «Das Parfum» immens viele Informationen aus einem Duft herausfiltern. Er besitzt nämlich eine 1000-fach höhere Differenzierungsfähigkeit von Duftstoffen als wir Menschen. Salopp gesagt würden Hunde die Welt durch die Nase «sehen», sagt Schibli. «Welche Informationen der Hund durch sein ausgiebigeres Schnüffeln sammelt, können wir als Mensch leider nicht beurteilen.»

Am interessantesten: fremde Hunde
Besonders interessant scheinen Duftmarken von unbekannten Hunden zu sein. Dies fand zumindest eine Studie von Anneke E. Lisberg und Charles T. Snowdon von der US-Universität Wisconsin-Madison heraus. Die «Post» unbekannter Absender wird nämlich länger mit der Nase erkundet, ebenso wie Duftmarken unkastrierter Hunde. 

Die Markierungen von bekannten und kastrierten Tieren hingegen finden vergleichsmässig wenig Beachtung. Wie lange letztlich an Duftmarken geschnüffelt wird, ist laut den Forschern vor allem vom sozialen Status des schnüffelnden Hundes anhängig. So riechen Hunde mit niedrigem Sozialstatus weitaus länger an Duftmarken als Tiere mit hochrangigem Status.

Auf welcher Sprosse der sozialen Leiter ein Hund auch stehen mag, verbieten sollte man ihm das Schnüffeln nie. «Würde uns ein Grundbedürfnis verweigert, würden wir auch nicht ausgelassen durch die Welt spazieren», gibt Schibli zu bedenken. Zieht zudem das menschliche Ende der Leine ungeduldig, kann ein Teufelskreis einsetzen. «Ungeduld ist meist mit Stress verbunden. Das heisst, der Mensch setzt Katecholamine frei, Stresshormone, welche der Hund riechen kann. Daraufhin kann er versuchen, seinen Halter zu beschwichtigen, indem er zu schnüffeln beginnt.» 

Der Hundetrainer rät daher, bei Zeitdruck die zu laufende Strecke etwas zu kürzen und dem Hund ein Ritual beizubringen, bei dem er weiss, dass die Tour diesmal schnell gehen muss. «Zum Beispiel geht man dann nicht mit der Fünf-Meter-Schleppleine, sondern nur mit einer kurzen Leine.» Ebenfalls hilfreich ist es natürlich, wenn der Vierbeiner Signale wie «Weiter» oder «Komm» versteht.

Schnüffeln macht ganz schön müde
Am besten sollte ein Spaziergang immer so gestaltet werden, dass sich Mensch wie Hund an dieser Zeit erfreuen können. Dazu gehört eben, dass der Hund seinen olfaktorischen Freuden ausgiebig frönen darf; letzlich profitiert davon auch die Hundehalterin oder der Halter. «Ist ein Spaziergang mit extra Schnüffeleinlagen ausgelegt, ist der Hund nicht nur ausgelastet, sondern auch kopfmüde und somit zu Hause meist ausgeglichener», weiss Schibli. 

Denn Schnüffeln ist anstrengende Arbeit für den Hund. Um Duftstoffmoleküle in möglichst intensiver Menge zur Riechschleimhaut zu befördern, atmet der Hund bis zu 300-mal pro Minute in kurzen Stössen ein und aus. Dabei kann er seine Nasenlöcher unabhängig voneinander bewegen und so die Richtung eines Geruches bestimmen, während er gleichzeitig eine andere Geruchsspur verfolgt.

Des Weiteren rät Schibli, immer mal die Route zu wechseln, schränkt allerdings ein: «Vor lauter neuen Gerüchen und Informationen kann der Hund eventuell zu sehr in die Welt der Hunde eintauchen und seinen Menschen nur sekundär wahrnehmen.» Zudem wirke sich ein ständiger Routenwechsel auf ängstliche oder unsichere Hunde negativ aus. 

Optimal ist daher, den Hund hin und wieder entscheiden zu lassen, wie weit und wohin er laufen möchte. Schiblis Hund darf ungefähr einmal die Woche die Wegstrecke bestimmen.  «Häufig wählt mein Hund allerdings eine ähnliche Strecke. Nur das Muster mit den zu schnüffelnden Orten wechselt.»