Ein Saal voller Menschen mit Pinseln in den Händen und Kaninchen vor sich auf dem Tisch lässt an Kunst auf Leinwand denken. Doch in diesem Fall ging es um etwas ganz anderes: Kursleiterin Lisa Leicht lehrte die Teilnehmenden den achtsamen Umgang mit Tieren und zeigte, wie man ängstlichen Kaninchen Vertrauen geben, aggressive entspannen und gezielt Kaninchen auf Ausstellungen vorbereiten kann.

Der Bündner Kantonalverband setzte damit auf eine Weiterbildung der etwas anderen Art. Doch offensichtlich wagten nicht alle Züchter den Blick über den Tellerrand, die Beteiligung an jenem 2. September war eher ernüchternd. Enttäuscht zeigten sich die Organisatoren darüber, dass nur eine Jungzüchterin anwesend war und die Geflügel- und Meerschweinchenzüchter vollständig fehlten. Dennoch waren sich die Teilnehmenden einig: Wer nicht dabei war, hatte einen spannenden und lehrreichen Kurs verpasst. 

TTouch ist kein esoterischer Hokuspokus, sondern eine effektive und wissenschaftlich beweisbare Methode zu einem besseren Zugang zu den Tieren. So zeigt etwa eine ETH-Studie, dass bei Kälbern aus Mutterkuhhaltung mit nur sechs TTouch-Behandlungen in den ersten vier Lebenswochen die Scheu gegenüber Menschen so stark gesenkt werden kann, dass sich dies neun Monate später messbar in weniger Stress bei der Schlachtung und einer besseren Fleischqualität auswirkte! 

Verständnis statt Dominanz
Im Gegensatz zu einer Sportmassage, bei der eine Entspannung herbeigeführt wird, indem in den Muskeln zuerst eine Spannung aufgebaut und dann gelöst wird, arbeitet TTouch in den Hautschichten, wo die Nerven enden. Die kreisenden, hebenden und streichenden Berührungen veranlassen den Körper, das Hormon Oxytocin auszuschütten, das auch als «Kuschelhormon» bekannt ist, und das Vertrauen, Wohlbefinden und Bindungsfähigkeit erhöht. 

Am Vormittag vermittelte Lisa Leicht das nötige Rüstzeug, damit am Nachmittag an den Tieren gearbeitet werden konnte. Ein Leben ohne Tiere käme uns leer vor, gab sie zu bedenken, daran könnten wir den hohen Stellenwert der bepelzten und gefiederten Hausgenossen ablesen. Ein Umgang mit den Tieren, der von Verständnis anstelle von Dominanz geprägt ist, wird diesem Stellenwert gerecht. Tiere sind Individuen mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften, die es zu beachten gilt. Doch das kommt im Alltag meist zu kurz. Da werden die Kaninchen ohne viel Federlesens aus dem Stall gefischt, auf den Tisch gesetzt und es wird geübt, wie sie sich auf dem Richtertisch zeigen sollen. Den Keckeren macht das wenig aus, doch scheue Tiere werden damit überfordert.

Wenn man plötzlich gepackt wird 
Die Kursleiterin zeigte den Teilnehmenden, wie es sich anfühlt, wenn man unerwartet und so dezidiert gepackt wird – es ist wie ein Schock. «So geht es auch den Kaninchen», machte sie klar und empfahl, die Tiere zuerst mit freundlicher Stimme anzusprechen und zur Kontaktaufnahme mit dem Handrücken am Körper zu berühren, bei sehr scheuen oder aggressiveren Tieren zuerst mit einem Pinsel. 

Ausführlich wurden die verschiedenen Elemente des TTouch vorgestellt und aneinander geübt. So spürte man gleich, wie sich die Druckstärke der Berührung und die Geschwindigkeit der Bewegungen auswirken –und die Teilnehmenden erfuhren am eigenen Leib, wie angenehm und entspannend TTouch ist; man glaubte fast, behagliches Schnurren zu vernehmen. 

Wie bei den Kälbern der ETH-Studie wirken TTouch-Behandlungen auch bei Kaninchen stressabbauend. Gleichzeitig werden die Gehirnwellen so harmonisiert, dass bei gros­ser Entspannung gleichzeitig ein hellwacher Zustand erlangt wird – die Lernfähigkeit ist in diesem Zustand optimal. Erfahrungen werden in den Körperzellen gespeichert, ja, wie neuere Forschungen zeigen, sogar weitervererbt. Kaninchen lernen durch TTouch mehr Vertrauen in den Menschen zu haben. So kommen die Tiere mit schwierigen Situationen besser klar, selbst wenn die vertraute Person – wie bei Bewertungen üblich – nicht anwesend ist. Durch den geringeren Stress dürften diese Tiere auch weniger an «Ausstellungssouvenirs» erkranken.

So hat die Methode also ganz direkte Anwendungen in der Kleintierzucht. Zur Ausstellungsvorbereitung gehört auch das Präsentieren auf dem Tisch. Lisa Leicht zeigte, wie Kaninchen die gewünschte Haltung einnehmen, wenn man ihnen mit dem Pinsel von der Stirn über die Körpermitte bis zur Blume (Schwanz) streicht. Auf diese Weise kann man die verlangte Haltung auf sanfte und stressfreie Art üben. 

Zeitaufwand hält sich in Grenzen Bauchheber helfen bei Verdauungsproblemen. Dabei ist es wichtig, die Berührung des Bauches bereits in gesunden Tagen zu üben. TTouch an den Ohren kann Leben retten, er hilft in Notfällen wie Hitzeschlag oder Schock. Ohrkreisen entspannt Kiefer und Nacken. Besonders beliebt bei Kaninchen und Teilnehmern war auch das Haargleiten. Da nahe der Haarwurzeln Nerven enden, entspannt dies den ganzen Körper. Bei Menschen löst Haargleiten sogar Kopfschmerzen. 

«Wo nehmen wir die Zeit her, dies alles zu machen?» fragten die Züchter, überwältigt von den vielfältigen Möglichkeiten. Erinnert man sich an die Kälberstudie, wird klar, dass nicht täglich geübt werden muss. «Eine Übungssitzung beginnt mit der Handrücken-Begrüssung an der Körperseite, man fährt mit der Hand unter den Bauch, streicht die Ohren aus und führt zum Abschluss den Zickzack-TTouch über die Körperoberseite aus. Das dauert höchstens zwei Minuten», beruhigte die Kursleiterin. 

Die Züchter witzelten, dass man ja an der Kleintierausstellung in Freiburg sehe, welche Tiere Rassensieger werden, und spekulierten natürlich auf TTouch-behandelte Kaninchen. Kantonalpräsident Andreas Zähner brachte in seinem Schlusswort das Gelernte auf den Punkt: «TTouch gibt nicht nur dem Züchter etwas, sondern auch den Tieren.»

www.lisaleicht.ch