Wer sich eine Katze aus einer bestimmten Zucht anschaffen oder sich über die verschiedenen Rassen informieren möchte, findet auf zahlreichen Websites ausgiebige Porträts. Die Beschreibung der äusserlichen Merkmale und Charaktereigenschaften sind meist sehr ähnlich, denn sie basieren in der Regel auf den Rassenstandards, die für anerkannte Katzenrassen von den Zuchtorganisationen festgelegt sind. Grosse Abweichungen gibt es dafür bezüglich der durchschnittlichen Lebenserwartung. Dort schwanken die Angaben zwischen und innerhalb der einzelnen Rassen stark.

In den Rassenbibliotheken zweier grosser Futtermittelhersteller zum Beispiel wird für die Abessinierkatze eine Lebenserwartung von 9 bis 13 Jahren respektive von 12 bis 16 Jahren genannt. Bei der Perserkatze findet man auf dem einen Portal eine zu erwartende Lebensdauer von 8 bis 11 Jahren, beim anderen sind es 12 bis 17 Jahre und für die Ragdoll liegen die Zahlen mit 7 bis 12 Jahren respektive mit 12 bis 17 Jahren noch weiter auseinander. Bei der beliebten Britisch-Kurzhaar-Katze geht die eine Website von einer Lebenserwartung von 7 bis 12 Jahren aus, eine andere von 14 bis 20 Jahren, während im Rasseporträt der Vereinigung Britisch Kurzhaar Schweiz steht, dass ein Vierbeiner dieser Rasse «gut und gerne 15 bis 18 Jahre alt werden kann». 

Worauf die Angabe auf der eigenen Website gründet, weiss Sandra Achermann, Präsidentin von Britisch Kurzhaar Schweiz, nicht genau: «Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um Erfahrungswerte handelt oder man von der durchschnittlichen Lebenserwartung einer Katze ausging.» Die Futtermittelhersteller antworteten entweder nicht auf Nachfragen oder sie beriefen sich als Quelle auf den Weltkatzenkongress (WCC), dem die wichtigsten weltweit tätigen Zuchtorganisationen angeschlossen sind. 

Wissenschaftlich wenig untersucht
Eine von ihnen ist die World Cat Federation (WCF), die von der deutschen Anneliese Hackmann gegründet wurde. Sie hat bei der Dokumentation von Rassenstandards Pionierarbeit geleistet: In ihrem 1979 erschienenen Buch «Katzenrassen» wurden diese erstmalig festgehalten. «Der Rassenstandard bezieht sich jedoch ausschliesslich auf den Phänotyp der Katze und sagt nichts über die Lebenserwartung einzelner Katzenrassen aus», sagt Anneliese Hackmann. Die erfahrene Katzenexpertin geht deshalb davon aus, dass Angaben zur Lebensdauer in Büchern oder in Rassenporträts auf Erfahrungswerten von Züchtern basieren. 

Grundsätzlich ist die Lebenserwartung das Ergebnis eines evolutionären Prozesses und von vielen Faktoren abhängig. Wissenschaftlich wurde die Lebensdauer verschiedener Rassekatzen noch wenig erforscht. Eine der wenigen Studien wurde vor fünf Jahren in England mit Beteiligung des Royal Veterinary College der Universität London durchgeführt. Dabei wurden in rund 90 britischen Tierarztpraxen die Daten von 4009 verstorbenen Katzen erhoben. Deren durchschnittliche Lebensdauer lag bei 14 Jahren. Exakt diese Lebensspanne erzielten auch die Haus- oder Mischlingskatzen in der Studie, während die Rassekatzen mit 12,5 Jahren im Durchschnitt weniger lang lebten.

Zu den Rassen, die in der Studie ein Alter über der mittleren Lebensdauer von 14 Jahren erreichten, gehörten die Perser (14,1 Jahre), Siamesen (14,2), die Burma-Katzen (14,3) sowie die Heilige Birma (16,1). Unter dem Mittelwert lagen die Britisch Kurzhaar (11,8), Maine Coon (11), Ragdoll (10,1), Abessinier (10) und Bengal (7,3). Die Studie bestätigt damit die allgemein weitverbreitete Meinung, dass Rassekatzen weniger lange leben als Haus- oder Mischlingskatzen.

Eine differenziertere Ansicht vertritt Alfred Wittich, Präsident des Helvetischen Katzenverbands (FFH), dem die meisten Schweizer Katzenzüchter angehören: «Man kann nicht pauschal sagen, dass Rassekatzen eine geringere Lebenserwartung haben. Es gibt viele Zuchtkatzen, die sehr alt werden.» Wittich züchtet seit über 40 Jahren Exotic Shorthair und Perserkatzen, von denen zahlreiche Tiere 20 und mehr Jahre erreicht haben. Gemäss dem Zuchtkenner sind es die Rassen mit einem grossen Genpool, also einer grossen Anzahl von Zuchtlinien und Zuchttieren, die auch eine grössere Lebenserwartung haben. «Bei einem zu kleinen Genpool droht die Gefahr von Inzucht, die zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen kann», sagt der FFH-Präsident. 

Tierhaltung ist entscheidend 
Die Genetik kennt den Begriff «überzüchtet» zwar nicht, er steht aber landläufig für eine einseitige oder übertriebene Zucht, bei der erbliche Defekte und Erkrankungen an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Diese Tiere sind nicht mehr widerstandsfähig, weshalb sie eine tiefe Lebenserwartung haben.Wer sich eine Rassekatze anschaffen möchte, sollte sich zuvor gut informieren und nur bei einem seriösen Züchter kaufen, der grösseren Wert auf die Gesundheit der Nachkommen  als auf ihr Aussehen legt.

In der Tierarztpraxis Richenstein in Münchenstein BL sind die Katzen, die eingeschläfert werden müssen, in den meisten Fällen zwischen 15 und 18 Jahre alt. Praxisinhaberin Käthi Brunner behandelt seit über 30 Jahren Katzen: «Darunter sind immer wieder Zuchtkatzen, die bei guter Gesundheit sehr alt wurden, zum Beispiel bei Rassen wie den Siamesen oder der Heiligen Birma.» Eine etwas geringere Lebensdauer stellt die Kleintierärztin bei den grossen, schweren Katzenrassen ab sechs Kilo wie beispielsweise den Maine Coon fest: «Da verhält es sich ein bisschen wie bei den Hunden, wo die grösseren auch weniger alt werden als die kleinen.» Bei diesen Rassen würden vererbte oder degenerative Erkrankungen, wie eine Herzmuskelver­dickung oder eine chronische Niereninsuffizienz, häufiger und früher auftreten als bei anderen Rassen oder einer Hauskatze.

Doch nicht nur die Rassenzugehörigkeit und damit die genetische Veranlagung hat gemäss Brunner einen Einfluss auf die Lebensdauer, sondern auch die Lebensumstände: «Ein Freigänger lebt definitiv gefährlicher als eine Wohnungskatze.» Weitere Faktoren für ein langes Leben der Katze, egal welcher Rasse, liegen in den Händen des Tierhalters. Eine gute Gesundheitsvorsorge mit jährlichen Tierarztkontrollen und regelmässigem Impfen, Entwurmen und bei Bedarf Zahnsteinentfernung ist genauso wichtig wie eine artgerechte Ernährung. Ist die Katze zu dick, drohen ihr ähnliche Zivilisationskrankheiten wie beim Menschen. Ausreichend Bewegung und Beschäftigung halten den Stubentiger fit.