Kater gelten als anhänglich, verschmust und spielfreudig. Katzen hingegen als still und distanziert. «Das sind alles nur Vorurteile», sagt Nina Fehlbaum aus Basel. Laut der Verhaltensbiologin und tierpsychologischen Beraterin nimmt das Geschlecht auf das Verhalten von Katzen nur geringen Einfluss. Vielmehr hänge das Sozialverhalten unserer Samtpfoten von der Sensibilisationsphase während den frühen Lebenswochen ab. Dennoch gibt es Verhaltensweisen, die tatsächlich geschlechtsspezifisch sind.

So fanden Forscher erst vor Kurzem einen witzigen Unterschied der Geschlechter heraus: Während weibliche Hauskatzen eher rechtspfotig sind, benutzen Kater in der Regel lieber ihre linke Pfote. Auch im Spielverhalten sieht Fehlbaum im Anschluss an die Sensibilisierungsphase Unterschiede. «Weibchen spielen bevorzugt mit Objekten, um ihre Jagdfähigkeiten zu üben, und haben zarte Streicheleinheiten gerne.» Jungkater hingegen kämpften gerne und ausgiebig, wobei sie jede Gelegenheit nutzen, um aufzulauern und anzugreifen. «Allgemein treten Jungkater überhaupt mit mehr Selbstvertrauen auf» , sagt Fehlbaum. Trotzdem würden auch sie gerne gestreichelt – nur eben kräftiger.

Weibchen spielen bevorzugt mit Objekten, um ihre Jagdfähigkeiten zu üben, und haben zarte Streicheleinheiten gerne.

Nadia Fehlbaum
Verhaltensbiologin und tierpsychologischen Beraterin

Solch geschlechtsspezifische Unterschiede spielen meist dann eine Rolle, wenn es um die Auswahl von Katzen geht, die zusammenleben sollen. Für den Mehrkatzenhaushalt sollten Spiel- und Kontaktverhalten möglichst harmonieren, dann klappt es auch mit dem Zusammenleben besser. «Hierfür eignen sich am besten zwei kastrierte Kater gleichen Alters oder zwei Kätzinnen», sagt die Expertin und rät gleichzeitig zur Kastration. «Um die Pubertät herum werden intakte Kater nämlich meist grob, Geschwisterpärchen können sich dann sogar für immer verstreiten.»

Kastration hat grossen Einfluss
Bei Freigängern zeigt sich ein weiterer Unterschied. Die Grösse des Streifgebietes eines unkastrierten Katers sei etwa drei bis dreieinhalb Mal so gross wie dasjenige der weiblichen Katze. Intakte Kater ziehen daher oftmals tagelange Streifzüge dem Kuscheln mit ihrem Menschen vor. Leben im Haushalt mehr als ein unkastrierter Kater, so werden die beiden Buben laut Fehlbaum letztlich zu Rivalen und meist wandert einer ab. Mit unkastrierten Kätzinnen gibt es dieses Problem nicht. «Die weiblichen Tiere bilden von Natur aus soziale, matriarchalische Gruppen», sagt die Verhaltensbiologin.

Jungkater treten mit mehr Selbstvertrauen auf.

Nadia Fehlbaum

Eine Kastration hat jedoch nicht nur massgeblichen Einfluss auf das Verhalten von Katern, sondern auch auf das von Katzen. Durch die Umstellung des Hormonhaushaltes verändert sich zum einen das Revierverhalten, erklärt Fehlbaum. «Zum anderen ändert sich das Paarungs- und Markierungsverhalten.» Durch frühzeitige Kastration könne man ungewünschtes Markieren beider Geschlechter meist komplett vermeiden. Auch betreffs Schmusen spielt eher die Kastration als das Geschlecht eine Rolle. So schmusen Kater mehr als ihre weiblichen Pendants, nachdem sie kastriert wurden. 

Dennoch hängt es laut der Katzenpsychologin weniger von der Kastration, sondern von gleich mehreren anderen Faktoren ab, ob eine Katze einen zutraulichen, selbstbewussten oder scheuen Charakter zeigen wird. «Zum einen ist das individuell sehr unterschiedlich, da es auf der Genetik und auch der Epigenetik beruht.» Zum anderen spielten die zu Anfang genannten Erfahrungen im frühen Katzenleben eine Rolle. «In der sogenannten Sozialisierungsphase, die nach heutiger Kenntnis zwischen der vierten und zwölften Lebenswoche stattfindet, wird das Verhalten der Katze gegenüber Artgenossen aber auch gegenüber Menschen geprägt.» Während dieser Zeit lassen sich einzelne Charaktereigenschaften trotz ihrer genetischen Vorgabe noch in gewissem Masse hervorheben oder abschwächen. «Inwiefern eine Katze also verschmust ist, hängt weniger vom Geschlecht als von den Erfahrungen der Katze ab», sagt Nina Fehlbaum.