Das erste Mal kam der grosse Kater – wir nannten ihn Rambo – nachts vorbei. Wir bekamen nicht viel davon mit, ausser dass Pippi, unsere zierliche, ältere Katzendame, am nächsten Morgen einen Kratzer auf der Nase hatte. Eine Nacht später wurden wir von einem lauten Kreischen geweckt. Im Garten rumpelte es. Kurz darauf stand Pippi maunzend, mit zerzaustem Fell und blutigem Ohr vor der Tür. Sie leckte ihre Wunden und blieb fortan nach Einbruch der Dunkelheit lieber auf dem Sofa liegen statt wie gewohnt auf Mäusejagd zu gehen. Der unkastrierte schwarze Kater betrachtete das offenbar als Einladung.

Wenig später war unsere Katze auch tagsüber nicht mehr vor ihm sicher. Ich legte mich auf der Wiese hinterm Haus auf die Lauer und rannte hinter ihm her, während ich abwechselnd in die Hände klatschte und wild mit den Armen herumfuchtelte. Rambo war nicht beeindruckt. Ich setzte mich einige Meter von ihm entfernt ins Gras und redete ihm ins Gewissen. Ich bildete mir ein, dass er müde lächelte.

Pippi traute sich kaum noch vor die Tür und hatte zusehends schlechte Laune. «Kein Wunder», sagt Manuela Schüpbach, Katzenpsychologin aus Münsingen BE: «So eine Situation ängstigt und verunsichert Katzen stark, im schlimmsten Fall fühlen sie sich irgendwann so unwohl, dass sie sich ein neues Zuhause suchen.» Ich fand heraus, dass Rambo auf einem Bauernhof lebte und redete mit dem Besitzer. Der grinste nur und zuckte mit den Schultern. «So sind Katzen eben», sagte er.

Im schlimmsten Fall suchen sich Katzen ein neues Zuhause.

Manuela Schüpbach
Katzenpsychologin

Rückzugsplätze schaffen
Wir adoptierten eine Mischlingshündin, Muffin. Die schloss Pippi als Teil ihres neuen Rudels gleich ins Herz und machte es zu ihrem Job, sie zu beschützen. Maunzte Pippi um Hilfe, sprang Muffin von ihrem Sonnenplatz auf der Terrasse auf und eilte laut bellend an Pippis Seite. Dreimal ging das so, danach machte Rambo einen grossen Bogen um unsere Katze. Hunde können – je nach Veranlagung – ganz wunderbare Bodyguards für die Familienkatze sein. Ein Patentrezept ist so eine Konstellation aber nicht. Denn es gibt Hunde, die Katzen nicht nur verjagen, sondern auch verletzen würden. Und auf der anderen Seite können Katzen mit ihren Krallen auch Hunden ganz schön wehtun. Zudem  will oder kann nicht jeder Katzenhalter einen Hund anschaffen.

Doch wie kann man der eigenen Katze dann helfen? Vorbeugen und sichere Rückzugsplätze schaffen, empfiehlt Manuela Schüpbach. «Wichtig ist die Montage einer mikrochipgesteuerten Katzentür. Denn wenn fremde Katzen auch ins Haus kommen, kann das für den eigenen Stubentiger viel Stress bedeuten.» Einige Katzen reagierten mit Aggressionen gegenüber dem Eindringling, andere würden unsauber oder zeigen aufgrund der fremden Gerüche Markierverhalten.

Auch einige Massnahmen im Garten helfen, um Konflikte zwischen der eigenen und fremden Katzen zu vermeiden. Die radikalste ist ein katzensicherer Zaun, der verhindert, dass fremde Katzen rein- und die eigenen Katzen rauskommen. Eine günstigere, wenn auch nicht ganz so sichere Methode ist es, fremde Raufbolde regelmässig zu verscheuchen. «Das hilft oft, wenn man konsequent dabeibleibt», erklärt Schüpbach.

Bei Jagdspielen sinkt der Energielevel und der Vierbeiner reagiert draussen bestenfalls gelassener auf Rivalen.

Manuela Schüpbach
Katzenpsychologin

Man sollte dabei aber nur zu sanften Methoden greifen. Viele Katzen mögen es gar nicht, nass gespritzt zu werden, andere ergreifen die Flucht, wenn irgendwo plötzlich viel Krach gemacht wird. Oft reicht es aber schon, zahlreiche Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten für die Freigänger anzubieten. In einem naturnahen Garten sind das zum Beispiel Bäume, Büsche, Holzhaufen und Trockenmauern. Den gleichen Zweck erfüllen Kratzbäume und grosse Blumenkübel.

Kastration und Fangspiele 
So ein Gelände, in dem sich die Katzen unbemerkt voneinander bewegen und bei Bedarf unbehelligt nach Hause laufen können, trägt viel zu einem friedlichen Miteinander bei. «Wir haben in meinem Quartier sehr viele Katzen, was erstaunlicherweise gut funktioniert», erzählt Schüpbach. «Es gibt schüchterne und selbstsichere, alte und junge Tiere die sich untereinander sehr gut arrangiert haben.» Jede Katze habe ihren eigenen zeitlichen Tagesrhythmus und treffe somit bei ihrem Streifgang durch ihr Revier meistens nur auf einen Teil der Nachbarschaft. Die Kratz- und Duftmarken an Büschen und Bäumen verraten ihnen, wer wann wo war.

Falls sich die Katzen nicht untereinander einigen können oder es häufig zu Verletzungen kommt, kann man fix aufeinander abgestimmte Ausgehzeiten festlegen. Das setzt die Kooperationsbereitschaft der Katzenhalter voraus und ist nicht immer einfach umzusetzen, verspricht aber gute Erfolgsaussichten. «Im Laufe der Zeit kann sich die Situation so langsam entspannen und die Streithähne können im besten Fall später wieder friedlich nebeneinander leben», sagt Schüpbach.

Da nicht kastrierte Kater besonders häufig kämpfen, vor allem in der Nähe von rolligen Katzen, sollten Freigänger möglichst kastriert werden. Das hat den Nebeneffekt, dass das Revier der Tiere kleiner wird und unerwünschter Nachwuchs ausbleibt. Wer einen Raufbold sein Eigen nennt, kann ausserdem versuchen, ihn oder sie mit Jagdspielen auszupowern. «Dann sinkt der Energielevel und der Vierbeiner reagiert draussen bestenfalls gelassener auf Rivalen. Ich habe bei meinen Katzen und denen von meinen Kunden aus­serdem sehr gute Erfahrungen mit Bachblüten gemacht», sagt Schüpbach.