Katzen putzen sich ständig. Rund dreieinhalb Stunden täglich verwendet eine gesunde Katze für die eigene Schönheitspflege. Gestriegelt und gesäubert wird aber nicht nur aus Reinlichkeit, sondern auch, weil das ständige Rupfen und Zerren am Fell lose Haare, Parasiten und Kletten entfernt und die Durchblutung der Haut fördert. Durch die Bearbeitung mit der rauen Zunge werden zudem die Talgdrüsen animiert, Fett abzusondern, wodurch die Katze ihre ureigene Duftnote bekommt. 

Bei den meisten Katzen beschränkt sich die Lust am Lecken aber nicht aufs eigene Fell. Auch Artgenossen werden oft und gerne geputzt. Das liegt, so vermutet man, unter anderem an einer Art Mutterinstinkt. Schliesslich lecken Katzenmütter ihre Jungen, kaum sind diese auf der Welt, regelmässig gründlich sauber. Ausserdem stellt die gegenseitige Katzenwäsche den Gruppengeruch her und stärkt die Bindung untereinander.

Es scheint, dass Katzenwäsche viel mit Hierarchie zu tun hat. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie, die das Putzverhalten von rund 80 Hauskatzen untersucht hat. Dabei stellte sich heraus, dass ranghöhere Tiere eher dazu neigten, rangniedrigen Tieren das Fell zu lecken als umgekehrt. Es zeigte sich zudem, dass die aktive Katze in rund einem Drittel der Fälle streitlustig war – was die Vermutung zulässt, dass Putzen noch eine andere Komponente haben könnte als pure Freundlichkeit. Die Autoren der Studie kamen denn auch zum Schluss, dass das gegenseitige Putzen für Hauskatzen eine Möglichkeit sein kann, Aggressionen umzuleiten. 

Erpicht auf die Bodylotion 
Auch die tierpsychologische Beraterin Gloria Isler aus Zug hat beobachtet, dass die gegenseitige Fellpflege nicht immer freundlich gemeint ist: «Es gibt Tiere, die andere schlafende Katzen so lange ablecken und schlecken, bis diese aufstehen und den Platz räumen.»

Werden Menschen von ihren Katzen regelmässig abgeleckt, wird das von den meisten als Liebesbeweis gewertet. Ein Irrtum? Sie erlebe in ihrer Praxis immer wieder, dass Katzenhalter davon ausgingen, dass ihre Lieblinge sie besonders gut leiden könnten, wenn sie ihnen übers Gesicht oder die Hände leckten, sagt Isler. Sie selber halte das «grundsätzlich für durchaus fragwürdig». So sei beispielsweise bekannt, dass viele Miezen Fett gerne schlecken und auch bestimmte Gerüche gerne mögen würden. «Meine eigene Katze hat mir zum Beispiel immer die Beine geleckt, wenn ich mich gerade eingecremt hatte. Nach dem Wechsel der Bodylotion war es auf einmal damit vorbei», erinnert sich die Tierexpertin.

Nicht nur ein «glustiger» Geschmack, sondern auch das Gegenteil kann der Auslöser sein, warum eine Katze ihrem Menschen die Haut leckt. Durch das gezielte Ablecken kann die Katze nämlich auch versuchen, einen für sie unangenehmen Geruch – etwa von einer fremden Katze – loszuwerden. Eine ihrer Kundinnen sei von ihrer Katze so exzessiv an den Armen geleckt worden, dass sich die Haut entzündet habe, erzählt Isler: «Da halfen nur ein langärmeliger Pullover und eine konsequente Verhaltensänderung unter fachkundiger Anleitung.» 

In einem anderen Fall in ihrer Praxis seien zwei Katzen jeweils am Morgen früh ins Bett ihrer Besitzer gesprungen und hätten dem Mann über seine Haare und seinen Bart geleckt, erzählt Isler. Um weiterschlafen zu können, sei der Mann aufgestanden und habe die beiden Katzen gefüttert: «Er belohnte das unerwünschte Verhalten. Die Katzen hatten erfolgreich ihren Menschen erzogen.» Geholfen hätten in diesem Fall die Verbannung aus dem Schlafzimmer und geänderte Fütterungszeiten.