Nicht nur Landwirte, auch Pferdebesitzer schauen in diesen Wochen mit bangen Augen gen Himmel. Denn zum Grossteil bestimmt das Wetter die Qualität der Heu-, Stroh- und Getreideernte. Werden Futter und Einstreu nass, werden sie zu einem optimalen Nährboden für Schimmelpilze. Die rund 300 bekannten Arten vermehren sich durch Sporenbildung und können bei für sie passenden Bedingungen Mykotoxine produzieren. Die Pilze und ihre Giftstoffe können so zusammen mit dem Futter in den Pferdeorganismus gelangen oder zusammen mit Staubpartikeln eingeatmet werden.

Abhängig von der Schimmelpilzart, der Giftmenge und dem individuellen Tier reichen die Folgen von Allergien und chronischem Husten über Krampfkoliken bis hin zu Leber-, Nieren- und Nervenschäden. Schimmelpilzsporen können auch ganz ohne die Bildung von Giftstoffen zu Erkrankungen wie Husten führen. Erste Anzeichen für eine Schimmelpilzvergiftung sind häufig Müdigkeit und nachlassende Leistungsfähigkeit, oft sind mehrere Pferde in einem Stall betroffen. Das Problem: Nicht immer erkennt man auf den ersten Blick, ob Futter belastet ist oder nicht. Hungrige Pferde fressen auch gammliges Heu oder muffigen Hafer. Zudem ist es selbst für den Tierarzt nicht einfach, die Schimmelpilze als Übeltäter zu entlarven.

Die genaue Bestimmung ist sehr teuer
«Eine Blutprobe zeigt leider nicht, ob Schimmelpilze für Koliken oder andere Krankheiten verantwortlich sind. Sollten Mykotoxine die Leber belasten, kann bei erhöhten Leberwerten im Blut nur festgestellt werden, dass die Leber betroffen ist, jedoch nicht, was die Ursache dafür ist», erklärt Annette Liesegang, Direktorin des Institutes für Tierernährung in Zürich. «Erhöhte Leberwerte aufgrund von Mykotoxinen sind beim Pferd hierzulande aber nicht oft belegt.» Besteht der Verdacht auf einen Schimmelpilzbefall, müssen deshalb alle Futtermittel, die Einstreu und die weitere Stallumgebung unter die Lupe genommen werden. Um eine Probe zu nehmen, sammelt man etwa eine Einkaufstüte voll Halme oder Körner aus verschiedenen Stellen im Ballen oder Futtersack, da die Schimmelpilze und Giftstoffe nur selten gleichmässig verteilt sind.

Wird im Labor durch eine sensorische Prüfung (Geruch, Aussehen, Struktur) und eine mikroskopische Untersuchung ein Schimmelpilzbefall vermutet, kann ein Speziallabor herausfinden, um welche Schimmelpilzart es sich handelt und ob Mykotoxine gebildet wurden. Allerdings werden diese Bestimmungen nur in einem Labor in der Schweiz durchgeführt, wobei hier routinemässig keine qualitative Bestimmung der Schimmelpilze durchgeführt wird. Ausserdem ist die MykotoxinBestimmung sehr teuer, darum wirklich nur bei einem begründeten Verdacht anzuraten.

Typische Verderbniserreger (Lagerpilze) bei Futtermitteln sind laut Liesegang zum Beispiel Aspergillus (die gebildeten Giftstoffe sind Aflatoxine – diese wachsen aber eigentlich eher unter wärmeren Bedingungen, oder Ochratoxin und Citrinin – Letzteres ist auch eher seltener unter unseren Bedingungen zu finden!) und Penicilliumarten (Giftstoffe: Ochratoxin, Citrinin). Toxine könnten jedoch auch von Feldpilzen, etwa Fusarium (Deoxynivalenol, Zearalenon, Diacetoxiscirpenol, T-2, Fumonisin) oder Alternaria (Tenuazonsäure, Alternariol) gebildet werden.

Detektivarbeit für den Tierarzt
Unter hiesigen Bedingungen ist vor allem die Kombination unterschiedlicher Mykotoxine als schädigend bekannt. Welches Mykotoxin auftritt, hängt vom Futtermittel und den Einflüssen während der Ernte und Lagerung ab. 2007 wurde bei einer Untersuchung in 46 Schweizer Pferdeställen in acht Stroh- und einer Heuprobe Deoxynivalenol (DON, Fusarientoxin) in geringen Konzentrationen gefunden. Der Zusammenhang zwischen belastetem Raufutter und Einstreu und auftretenden Koliken und Lungenerkrankungen konnte in dieser Studie jedoch nicht eindeutig bewiesen werden. Die meisten Berichte  hierfür stammen aus den USA und anderen wärmeren Ländern (Südamerika, Südafrika).

«Der Tierarzt sollte vorher andere mögliche Ursachen durch eine genaue Anamnese und Untersuchung des Tieres ausschliessen. Ein Zusammenhang der Symptome mit einem verschimmelten Futtermittel kann nur vermutet, jedoch meist nicht bewiesen werden. Sicher ist jedoch, dass Heu oder Getreide, die deutliche hygienische Mängel aufweisen, nicht als Pferdefutter geeignet sind», sagt Liesegang. Die Schwierigkeit, eine eindeutige Diagnose zu stellen, bedeutet für den Tierarzt in der Praxis oft Detektivarbeit: Er muss nämlich andere Ursachen für die Symptome des Pferdes ausschliessen. Es gibt zahlreiche mögliche Hinweise darauf, dass ein von Schimmelpilzen befallenes Futtermittel Probleme wie Husten verursacht – zum Beispiel, wenn andere Pferde, die das gleiche Futter fressen, ähnliche Probleme haben oder wenn sich die Symptome nach einem Futterwechsel bessern. Auf einen letztendlichen Beweis, dass eine Krankheit nun wirklich von Schimmelpilzen verursacht wurde, muss man aber meist verzichten.

Doch egal, ob man nun eindeutig feststellen kann, dass die verschimmelten Möhren an der Kolik schuld waren oder nicht: Futtermittel und Einstreu, die mit Schimmelpilzen belastet sind, haben in der Box und im Trog nichts zu suchen. Pferdehalter sollten die Qualität des Pferdefutters regelmässig überprüfen, auch wenn sie in einem Pensionsstall stehen. Riecht der Hafer muffig, ist das Heu dunkel und staubig oder haben die Äpfel schimmelige Stellen, sollten sie sofort auf dem Misthaufen entsorgt werden – kurzfristig ist das zwar teuer, langfristig spart es aber viele Tierarztkosten.

Weniger Staub heisst weniger Schimmel
Im Idealfall beginnt der Kampf gegen Schimmelpilze schon auf dem Feld, denn bei optimalen Erntebedingungen entstehen sie erst gar nicht. Wichtig ist natürlich auch, dass Einstreu und Futter sachgerecht, also trocken und sauber gelagert werden. Auch das beste Heu gammelt, wenn es in der Scheune nass wird. Zu den vorbeugenden Massnahmen im Kampf gegen Schimmelpilze zählen auch Sauberkeit und gute Luftzirkulation im Stall, wobei Zugluft vermieden werden sollte. Dadurch sinkt die Staubbelastung, was wiederum die Verbreitung der Schimmelsporen reduziert.

Verschiedene Futtermittelhersteller bieten inzwischen Mykotoxinbinder an. Diese enthalten Tonminerale oder Hefezellbestandteile, die die Giftstoffe binden sollen, bevor sie über den Darm in den Blutkreislauf gelangen. Die Mykotoxinbinder werden zur Entgiftung betroffener Tiere eingesetzt, manchmal wird aber auch empfohlen, sie vorbeugend unter das Futter zu mischen. Doch das bringt laut Liesegang nur bedingt etwas: «Bevor über die Fütterung von Mykotoxinbindern nachgedacht wird, sollten verdächtige Futtermittel im Labor untersucht werden.»

Es sei allerdings zu beachten, dass bei einem Schimmelpilzbefall nicht nur die Mykotoxine Probleme wie Koliken oder Leberschäden machen, sondern die Schimmelpilzsporen, auch ohne die Belastung mit Mykotoxinen, die Atemwege reizen und Husten oder chronische Lun­generkrankungen wie COPD verursachen. «Und eingeatmete Schimmelpilzsporen werden von den Mykotoxinbindern nicht beeinflusst», sagt Annette Liesegang.