Von Juli bis Oktober schmücken ihre blauen Blüten Weg-, Strassen- und Ackerränder, Bahndämme, Buntbrachen sowie Schutthalden. Die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus) ist genügsam und widerstandsfähig, Hauptsache der Standort ist sonnig und eher trocken. Sie ist heimisch in Europa, Westasien und Nordwestafrika. Als Pionierpflanze erobert sie frisch aufgeschlossene Böden. «Bei uns ist sie eine typische Mittellandpflanze. Ihre lange Blütezeit und die Blaunuancen ihrer Blüten machen sie attraktiv», schwärmt Verena Groenveld, Leiterin der Wildpflanzengärtnerei Diemerswil BE.

Die krautige Wildstaude wird je nach Nährstoffversorgung zwischen 40 und 150 Zentimetern hoch und überdauert in niederen Lagen auch leicht frostige Winter. Durch ihre Pfahlwurzel ist sie tief im Boden verankert. Ihre gesägten Grundblätter erinnern an Löwenzahn. «Im Gegensatz zu diesem ist das Laub der Wegwarte aber deutlich spitzer zulaufend und ihre Achseln sind behaart», erklärt Karin Gaegauf, Kulturverantwortliche der Wildstaudengärtnerei Patricia Willi in Eschenbach SG. 

Umschwärmt von Insekten
Die strahlenartigen Blütenköpfe bestehen aus fünfzipfeligen Zungenblüten. «Wer möchte, dass sich die Wegwarte nicht zu stark selbst aussät, sollte sie im August zurückschneiden, bevor sie Samen ansetzt», rät Gaegauf. Denn laut der Fachfrau ist die Wildstaude nicht lange standorttreu, daher lässt sie sich am besten in lückigen und dynamischen Mischpflanzungen in Naturgärten einsetzen. «Ideal sind magere Ruderalflächen mit steinigen, durchlässigen Böden.» 

In Kombination mit Johanniskraut, Oregano, Scabiosenflockenblume und Malven macht sie sich besonders gut. Dabei sollte ein Pflanzabstand von 30 bis 40 Zentimetern eingehalten werden. «Um zu verhindern, dass sie auf einem nährstoffreichen Standort zu sehr ins Kraut schiesst, kann sie im Juni vor dem Blühen auf Kniehöhe zurückgeschnitten werden», empfiehlt die Staudengärtnerin. 

Es gibt nicht viele blaue Wildblumen und noch weniger blaue Korbblütler. Das scheinen auch Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge zu spüren und umschwärmen die Wegwarte gern. «Ihre Blütenköpfe sind eigensinnig. Sie öffnen sich nur bis mittags und jeweils nur für einen Tag», erzählt Verena Groenveld. Der Legende nach sind sie die blauen Augen eines verwandelten Burgfräuleins, das am Weg vergeblich auf die Rückkehr ihres Geliebten wartet.

Gut für die Verdauung
Die Wegwarte ist aber nicht nur eine Augen- und Bienenweide, ihre jungen Blätter können auch als Salat gegessen werden. Ihre nahe Verwandte, die Endivie, war bereits bei den Ägyptern als Wintersalat bekannt. «Zudem kann die Wegwarte als Urform der kultivierten Zichorienarten wie Chicorée,
Zuckerhut, Radicchio und Wurzelzichorie angesehen werden», erzählt Groenveld. Die gerösteten Wurzeln Letzterer wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts als Ersatzkaffee verwendet, der im Zweiten Weltkrieg als «Muckefuck» bekannt wurde. Noch heute enthält der Getreidekaffee Bestandteile der Wurzelzichorie.

Bereits der Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821 – 1898) empfahl die Wegwartewurzel wegen ihrer verdauungsfördernden und appetitanregenden Wirkung bei Magen-, Darm-, Leber- und Gallenerkrankungen. Sie ist deshalb eine wichtige Zugabe entsprechender Tees. «Zu ihren Hauptwirkstoffen gehört Inulin, ein Ballaststoff, der die gesunde Darmflora stärkt», erläutert Groenveld, «sowie Bitterstoffe, die den Speichelfluss und die Magensekretion anregen und die galle- und harntreibend wirken.» Aufgrund dieser vielfältigen Eigenschaften wurde die hübsche Wildstaude zur Arzneipflanze des Jahres 2020 gekürt.