Knapp 100 Millionen Franken Umsatz wurden 2021 schweizweit mit Demeter-Produkten erwirtschaftet. Dies bedeutet ein Wachstum von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, und für 2022 wird nochmals eine leichte Steigerung erwartet, verrät Vincenzo Busceti, Projektleiter Märkte bei Demeter Schweiz.

Die beiden Grossverteiler Coop und Migros haben seit 2016 Obst und Gemüse, Eier, Milch- und Fleischwaren, Honig und Wein mit dem weissen Schriftzug auf orangem Hintergrund im Sortiment. In den vergangenen sechs Jahren konnte sich dadurch der Demeter-Anteil am gesamten Bio-Umsatz von 1,14 Prozent auf 2,5 Prozent verdoppeln – dies in einem Zeitraum, in dem sich der gesamte Bio-Umsatz ebenfalls verdoppelt hat.

Ein grosser Kreislauf

Wie werden diese zunehmend begehrten Lebensmittel produziert und was steckt hinter der Bezeichnung, die der griechischen Mythologie entliehen ist? Demeter ist eine Muttergöttin, die für die Fruchtbarkeit der Erde, des Getreides und der Saat zuständig ist. Seit 1928 wird der Name dieser olympischen Gottheit dazu verwendet, eine biologisch-dynamische Landwirtschaftsform zu bezeichnen, deren Konzept der Anthroposoph Rudolf Steiner vier Jahre zuvor publik machte.

Waldorfschulen als pädagogisches Vehikel und Eurythmie als tänzerische Ausdrucksform dieser esoterischen respektive spirituellen Weltanschauung sind bekannt, doch unter einer Landwirtschaft, die ihre Tätigkeiten nach diesen anthroposophischen Idealen ausrichtet, kann man sich weniger vorstellen.

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In der biodynamischen Landwirtschaft, also in den Demeter-Betrieben, werden Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen als Teil eines grossen Kreislaufes gesehen, die wechselseitig voneinander abhängig sind. Für die Produzentinnen ist es deshalb wichtig, eine vertiefte Beziehung zu all diesen Teilbereichen aufzubauen.Gelingen tut dies dank einem bewussten Umgang mit dem Boden, der Förderung von Nützlingen, dem Einsatz einer hofeigenen Kompostkultur und vor allem auch einer bedürfnisgerechten und respektvollen Tierhaltung sowie dem Einsatz von ganz speziellen biodynamischen Präparaten.

Einige dieser Präparate werden dann dem Dünger – Kompost, Stallmist und Gülle – zugesetzt, die anderen werden in Wasser gerührt und dann auf den Boden und die Pflanzen gespritzt, um die Wirkung der irdischen Wachstumsfaktoren, also der Nährstoffe, und der kosmischen Wachstumsfaktoren wie Licht und Wärme sowie auch die Wirkungen der Anbaumassnahmen zu verbessern.

Es gibt verschiedene Präparategruppen, jeweils für ganz bestimmte Anwendungsgebiete: Feldpräparate oder Spritzpräparate, das sind Hornkiesel, Hornmist und Düngerzusatzpräparate wie beispielsweise Brennessel-, Schafgarben-, Kamillen-, Eichenrinden-, Löwenzahn- und Baldrianpräparate. Sämtliche Präparate sind jeweils mit Nummern versehen und in der Herstellung sowie Anwendung standardisiert.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 04/2023 vom 23. Februar 2023. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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Für das Hornmistpräparat wird im Herbst frischer Kuhfladen in Kuhhörner gefüllt. Diese gefüllten Kuhhörner werden vergraben und reifen bis nach Ostern. Durch den Winter, wenn sich das Leben unter die Erdoberfläche zurückgezogen hat, wird die Mistsubstanz im Horn intensiv belebt. Im Frühling werden dann die Hörner wieder ausgegraben. Die dunkle und sehr erdig riechende Substanz wird in Wasser aufgelöst, welches über die Erde versprengt wird.

Diese Flüssigkeit soll die mikrobielle Aktivität und die Humusbildung des Bodens fördern. Doch gibt es einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit all dieser Präparate?«Verschiedene Untersuchungen wie zum Beispiel der Langzeit-DOK-Versuch der Forschungsanstalt für biologischen Landbau FiBL zeigen eine positive Wirkung der biodynamischen Anbauweise auf das Bodenleben und die Humusbildung, jedoch lässt sich wissenschaftlich keine direkte Verbindung zu den Präparaten feststellen», sagt Verena Wahl, Bereichsleiterin Landwirtschaft bei Demeter Schweiz.

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Das Wohl der Tiere

Demeter-Landwirtinnen geben sich aber nicht nur mit Spezialpräparaten ab, sie legen auch grossen Wert auf das Wohl ihrer Tiere. Auf jedem Demeter-Hof sollen Wiederkäuer zur Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit und für einen geschlossenen Kreislauf gehalten werden. Dazu müssen bestimmte Richtlinien befolgt werden. Diese besagen etwa, dass die Tiere unversehrt bleiben – Enthornung, Entschnabelung, Flügelkürzen, Schwanzschneiden sowie Schwanz-kupieren sind strikte verboten.

Die Tiere werden ihren Bedürfnissen angepasst gefüttert und das Futter ist zu 100 Prozent biologisch und soll zum grösstmöglichen Anteil vom eigenen Hof stammen. Der hofeigene Anteil bei sämtlichen Wiederkäuern muss demzufolge mindestens 80 Prozent betragen, bei Geflügel und Schweinen 20 Prozent, ab 2025 sogar 50 Prozent.Es ist verboten, männliche Küken zu entsorgen.

Für jede Legehenne wächst ein männliches Küken unter biodynamischen Bedingungen auf. Mit einer Übergangsfrist bis 2030 bleiben alle Kälber mindestens 120 Tage auf ihrem Geburtsbetrieb oder einem biologisch-dynamischen Partnerbetrieb und werden erst mit ausgereiftem Immunsystem auf einen Mast- oder Aufzuchtbetrieb versetzt, und im Krankheitsfall wird ein Tier in erster Linie mit alternativer Medizin behandelt.

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Verarbeitung ohne Zusatzstoffe

Nicht nur, was bei der Aufzucht von Tieren und auch Pflanzen passiert, ist nach spezifischen Richtlinien geregelt. Während Bio Suisse ein Bauern-Dachverband ist, umfasst der Demeter-Verband alle Bereiche von Produktion über Verarbeitung und Handel bis zu den Konsumentinnen. So unterscheidet sich also auch die Verarbeitung der Demeter-Lebensmittel in so einigen Punkten von biologischen Produkten.

Erlaubt sind nur ganz wenige Hilfs- und Zusatzstoffe, Demeter-Milch wird nicht homogenisiert oder standardisiert, Fleisch- und Wurstwaren enthalten kein Nitritpökelsalz, Fruchtsaft ist immer Direktsaft, Honig wird nie über die natürliche Temperatur des Bienenstocks erwärmt, und im Weinkeller wird auf Spontanvergärung mit natürlichen Hefen gesetzt.

Rund 430 Betriebe befolgten 2022 schweizweit die Demeter-Richtlinien, wenn man die landlosen Imkereien mitzählt. In den vergangenen Jahren waren es jeweils zwischen 20 und 50 Betriebe, die auf eine biodynamische Landwirtschaft umstiegen, und seit 2015 sind netto fast 200 Betriebe dazugekommen.

Glauben wirklich alle diese Landwirtinnen an die Wirksamkeit der speziellen Präparate? «Zu Beginn kann das Ausbringen der Präparate auch pure Pflicht sein», so Verena Wahl. Dies würde sich aber meist im Laufe der Zeit ändern. Mit Glauben habe dies aber nichts zu tun, eher mit verfeinerter Wahrnehmung.

Werden Landwirte befragt, so äussern die meisten, dass sie durch den Prozess der Herstellung und Ausbringung sowie der nachfolgenden Beobachtung aufmerksamer werden für das, was auf den Feldern und im ganzen Betrieb passiert. Der oft überraschend positive Effekt kann aber nicht exakt einer Massnahme zugeordnet werden. Das Ganzheitliche, der Hoforganismus und die Summe aller Pflegemassnahmen ist weit wichtiger als etwas Einzelnes.