Yaks im Berner Oberland
Die Yak-Herde im Berner Oberland
Im hintersten Lauenental im Berner Oberland ziehen auf einer Höhe von über 2000 Metern Dutzende Yaks umher. Hierher gebracht hat sie die Landwirtin Regula Oehrli, die auf den Instinkt dieser urtümlichen Tiere vertraut.
Die Yaks sind gemacht für diesen Ort», sagt Regula Oehrli und schaut über die Weiten ihres Landes, wo Wasserfälle durch die schroffe Felslandschaft donnern und den Übergang zur saftigen Weidlandschaft bilden. Ganze 260 Hektaren hat sie von ihrem Vater geerbt, der bis 2004 hier jeden Sommer z Alp gegangen ist. Erst wenige Jahre zuvor war Regula Oehrli zu ihm gezogen, um ihn bei der Arbeit zu unterstützen. «Als er 70 wurde, sagte er, es werde ihm zu streng hier oben», erzählt die Hirtin, während wir den scheinbar endlosen Hügel erklimmen, wo die Yaks an diesem Tag grasen. Je wärmer die Temperaturen, desto höher steigen die Yaks. Die Herde geniesst viel Beinfreiheit und dank des Gletscherwassers auch diverse Badegelegenheiten. «Yaks baden sehr gerne und sind auch gute Schwimmer», verrät Oehrli. «Wenn es ihnen zu heiss wird, kühlen sie sich so ab.»
Yaks als Landschaftspfleger
Der Hügel, auf dem wir uns hocharbeiten, bietet einen wunderbaren Ausblick auf die ganze Alp. Das Terrain auf der «Grossen Witi», wie es hier passend heisst, wird mit zunehmender Höhe immer unwegsamer und felsiger. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht irgendwo in eine Spalte reintrampen. Früher weideten hier Schafe, die mit solchen Gegebenheiten ebenfalls gut zurechtkamen. Doch die Yaks seien viel bessere Landschaftspfleger, erklärt Regula Oehrli. «Sie weiden schonender als Schafe.» Yaks fressen die Pflanzen nur oben ab, seien überall und nirgends sowie äusserst genügsam. Denn wenn es im August mal kalt werde – hier auf über 2000 Metern – sei das bereits der Startschuss für den Herbst und das Gras werde sofort gelb. «Doch den Yaks macht das gar nichts aus», sagt Oehrli und fügt an: «Die bleiben hier bis im Oktober und kommen dann noch widerwillig ins Tal hinunter!»
Vom Büro auf die Alp
Das Ursprungsland der Yakhaltung hat Oehrli selbst noch nie besucht, sondern bloss Dokumentarfilme davon gesehen, wie sie erzählt. Eines Tages habe sie sich die Weiden ihrer Alp angesehen und gedacht: «Hier sieht es aus wie im Hochland von Tibet!» Als sie ihrem Vater vorschlug, es hier mal mit Yaks zu versuchen, willigte er zum Kauf von zwei Tieren ein. Doch bevor es so weit war, verstarb er an den Folgen eines tragischen Unfalls. Regula Oehrli – auf einmal allein auf der Alp – beschloss, den Plan trotzdem umzusetzen und kaufte ihre ersten beiden Yaks. Ein Entscheid, den die gelernte Kauffrau nie bereuen sollte. Heute zählt ihre Herde rund 35 Yaks. Die ersten beiden Tiere sind mit einem Alter von bald 20 Jahren noch immer mit dabei. Oehrli hängt so an ihren Tieren, dass sie bei gutem Wetter auch schon freiwillig mitten in der Herde zeltete. «Das sind schon sehr schöne Erlebnisse», schwärmt die heute 63-Jährige. «Man muss sich Zeit nehmen, um das Vertrauen dieser Tiere zu gewinnen. Rauf- und gleich wieder runterjoggen geht nicht.»
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Auch ohne Joggingtempo sind wir froh, als wir endlich die ersten Tiere der Herde in einem Seitental am Rande der «Grossen Witi» erblicken. Die Yaks sind überraschend zutraulich. Manche kommen ganz nah heran, um die Neuankömmlinge zu beschnuppern. Währenddessen tollen Jungtiere umher. «Es ist wie ein Kindergarten hier», beschreibt die Älplerin das Treiben und verteilt ein Selfmade-Futtergemisch aus Maiswürfeln und Weizenkleie. «Ich habe vier Brüder, doch niemand wollte die Alp übernehmen», erzählt sie. «Ich war zwar keine Bäuerin, aber hatte schon immer den besten Draht zu den Tieren.» Ohne dieses Herzblut gehe es nicht, weiss die Hirtin. «Ich merke immer sofort, wenn es einem meiner Tiere nicht gut geht.» Allerdings seien Yaks gar nicht so einfach zu pflegen, da sie viel weniger domestiziert sind als die Zuchtrinder, die man sonst in der Schweiz kennt. «Ich sage immer, ein Yak ist entweder gesund oder tot.» Allerdings habe sie auch schon schwerkranke Tiere erlösen müssen, so Oehrli. «Für diesen Fall bin ich mit einem Revolver bewaffnet. Früher machte man das noch mit dem Beil, aber das ist nichts für mich.»
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Eine weitere, etwas kleinere Herde aus dem Kanton Luzern verbringt ihre Sommer auf der Alp von Regula Oehrli. Eigentlich hätten wir auch bei diesen nach dem Rechten sehen wollen. Doch als sich innert wenigen Minuten ein kleines Gewitter über unseren Köpfenzusammenbraut und die «Grossi Witi» in dicke Nebelschwaden verschwindet, beschliessen wir, den Rückzug anzutreten. Dieser geht um einiges zackiger voran als der Aufstieg. Oehrli wählt den direktesten Weg und flitzt denselben wie eine Berggämse hinunter. «Jetzt bin ich wieder in meinem Element», strahlt sie und fügt an: «Der Morgen ist jeweils hart, da macht mein Herz wegen diesem Medikament nicht so mit.» Mit «diesem Medikament» meint Oehrli eine reine Vorsichtsmassnahme, nachdem sie im vergangenen Winter einen Herzinfarkt erlitten hatte. «Die Ärzte sagten mir, dass ich das nicht mehr schaffen werde auf der Alp», erzählt sie. Doch davon habe sie nichts wissen wollen. «Nun staunen sie nur», sagt sie verschmitzt. Dennoch musste sie in den vergangenen Monaten lernen, Hilfe anzunehmen. Dank guten Freunden erhielt sie diese auch.
Futter für 150 Yaks
Als das Wetter wieder etwas heiterer wird, beschliessen wir, noch einen kleinen Abstecher ins Rottal zu machen – einen Teil der Alp, wo die 18 Simmentalerkühe von Regula Oehrli gerade weiden. «Das Futter der gesamten Alp würde eigentlich für 150 Yaks reichen», erzählt die Landwirtin. «Doch wir hatten schon immer Simmentaler hier und das flachere Gelände unten ist ideal für sie, deshalb bleibt das aktuell so.»
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Vom Herbst bis im Frühling ist das Vieh in der Gemeinde Lauenen eingestallt, keine zehn Kilometer von der Alphütte entfernt. Diese Zeit nutzt Oehrli auch, um die jungen Yakrinder an sie zu gewöhnen, die auf der Alp zur Welt gekommen waren. Bei den Geburten habe die Hirtin schon einige Male eingreifen müssen, wie sie erzählt. «Ich kann wahnsinnig viel selbst machen.» Wenn man allein ein solch grosses Land besitze, gehöre das eben auch dazu, so die Älplerin. Es gehe ihr trotzdem viel besser als früher in den 90ern, als sie noch ein Reisebüro geführt hatte. Auch das einfache Leben in der Alphütte bereitet ihr keine Mühe. Obwohl dieselbige nicht einmal eine Dusche vorzuweisen hat. «Ich habe das beste Gletscherwasser zum Baden, da kommt wohl so mancher dreckiger hoch», sagt Oehrli verschmitzt. Klar müsse man sich hier oben einschränken, meint die Älplerin. «Alles muss aus dem Tal hierhin getragen oder geflogen werden.» Notfalls gäbe es auch mal nur noch Kartoffeln oder hartes Brot. Doch damit kommt die bodenständige Regula Oehrli gut klar. Schliesslich hat sie die Alp im Blut und führt den Betrieb bereits in der vierten Generation.
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Dennoch beginnt die Landwirtin, sich langsam über eine Nachfolgelösung Gedanken zu machen. «Das ist nicht so einfach», sagt sie. «Jemand Neues müsste ich zuerst zwei bis drei Sommer einarbeiten.» Ihre Nichten und Neffen seien zwar Feuer und Flamme für die Alp, aber noch in einem Alter, in dem das schnell dahergesagt ist. Denn die Älplerin weiss: «So was muss man wirklich wollen.»
Yaks werden beliebter in der Schweiz
Der Schweizerische Yakzuchtverein zählt aktuell rund 80 Mitglieder, Tendenz leicht steigend. Dieser Trend sei mit der zunehmenden Wolfsproblematik in der Schweiz aufgekommen, so Präsident Urs Heinz. Denn Yaks brauchen keine Herdenschutzhunde, sondern schützen sich gegenseitig vor Angreifern. Damit sind sie für immer mehr Schafhalter eine interessante Alternative.
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