«Kleine Kämpfer»
Mongolische Rennmäuse sind keine Streicheltiere
Mongolische Rennmäuse sind aktiv und neugierig, aber auch schnell gestresst. Die kleinen Nager sind keine Tiere zum Kuscheln, sondern interessant zu beobachten und komplex in der Haltung.
Die 1866 entdeckte Mausart heisst wissenschaftlich Meriones unguiculatus und hat verschiedene deutsche Namen: Mongolische Rennratte, Mongolische Wüstenrennmaus, oder Mongolischer Gerbil. Gemeint sind stets kleine Nager mit einem zehn bis dreizehn Zentimeter langen Körper und einem bis elf Zentimeter langen Schwanz. Die Namen der Mäuse weisen auf ihre Herkunft hin. In der Mongolei und in den angrenzenden Gebieten Nordchinas sowie Südsibiriens und in der Mandschurei leben Gerbils in Wüsten, Halbwüsten und Steppen mit sandigen oder tonigen Böden. Ausserdem besiedeln sie Weiden, Ackerland, Bahnborde und Dämme – Hauptsache, sie können unterirdische Bauten anlegen, die sie vor den bitterkalten Wintern, den heissen Sommern sowie Regen, Schnee und Winden schützen.
Ohne diese Bausysteme ist eine Rennmaus in freier Wildbahn schnell eine tote Rennmaus. Zu ihren zahlreichen Fressfeinden gehören Greifvögel, Schlangen, Füchse, Hasen und Manul-Wildkatzen. Auch hat man beobachtet, wie Iltisse und Wiesel in Gerbil-Bauten verschwanden. Im Sommer sind die Systeme einfach und flach. Im Winter allerdings sind sie recht tief, wenn auch im frostfreien Teil des Bodens, sowie weit verzweigt und bis zu 14 Meter lang, sodass die Raubtiere kaum in ihr Zentrum vordringen können.
Sekret der Bauchdrüse als Duftmarke
Mittendrin befinden sich die Nestkammer und die Vorratskammern, in denen die Pflanzenfresser bis zu 20 Kilogramm Nahrung – Blätter, Sprossen, Sämereien, Süss- und Sauergräser – bunkern. Denn obwohl es im mongolischen Winter bis zu minus 50 Grad kalt werden kann, halten die Rennmäuse keinen Winterschlaf,sondern wärmen sich, indem sie sich im Schlafnest eng aneinander kuscheln.
Die sozialen Nager leben in Kolonien aus einem Elternpaar und dessen Nachkommen. Die Mitglieder der Familie erkennen sich am Geruch. Wie alle Mausarten kommunizieren auch Gerbils mit Duftmarken. Doch im Gegensatz zu Ratten und Farbmäusen machen sie dies nicht mit Urin, sondern schmieren das fettige Sekret aus der Bauchdrüse auf Gegenstände ihres Territoriums und auf ihre Familienmitglieder. Dringt ein Artgenosse, der nicht nach der Gruppe riecht, in das Territorium ein, wird der Fremdling äusserst aggressiv vertrieben.
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Diese Verhaltensweise sowie ihren Bewegungs- und Grabdrang legen Rennmäuse auch in Gefangenschaft nicht ab, was sie zu nicht einfach zu haltenden Haustieren macht. Normale Nager-Gitterkäfige sind gemäss Merkblatt des Schweizer Tierschutzes STS zu klein. Das Gesetz schreibt für eine Rennmaus-Gruppe von zwei bis fünf Tieren – Einzelhaltung ist verboten – mindestens 0,5 Quadratmeter Fläche vor.
Tiefe Einstreu ist wichtig
Ideal sind mehrere Quadratmeter grosse Terrarien oder Aquarien, schreibt der Tierschutz. Die üblichen Käfige sind ausserdem ungeeignet, da sie zu niedrig sind, um sie genug tief einstreuen zu können. Damit die Rennmäuse ihr typisches Bausystem anlegen können, muss die Einstreu mindestens 40 Zentimeter, besser aber 70 bis 80 Zentimeter hoch sein und aus entstaubten Hobelspänen, Heu, Stroh und Ästen bestehen. Das Sandbad für die Fellpflege und der Wassernapf oder die Trinkflasche sollte man an die Seitenwand befestigen, damit die Mäuse sie nicht eingraben.
Denn Gerbils gestalten ihre Wohnung selbst und immer wieder neu. Karton- und Korkröhren sowie Äste sind ideale Einrichtungsgegenstände, da sie das ganze Bausystem stabiler machen. Da die Tiere nicht mit Urin markieren, sondern mit dem für die menschliche Nase fast angenehm süsslich-herb riechenden Bauchsekret, muss man die Einstreu nur alle zwei bis drei Monate komplett austauschen. Regelmässig zu wechseln ist allerdings der Sand, da die Mäuse darin auch koten, zur Fellpflege aber nur frischen Sand nutzen.
Versuchstier1935 fing man in der Mongolei die ersten Mongolischen Rennmäuse und brachte sie als Labortiere nach Japan. Längst wird die Art weltweit in der Forschung eingesetzt, allein in den USA sind es jährlich 100 000. Die Schweizer Tierversuchsstatistik weist für 2020 über346 000 Mäuse aus, darunter dürften auch Gerbils sein.
Der Reinigungsaufwand ist nicht allzu gross. Auch die Fütterung ist nicht komplex: handelsübliche Kernenmischungen mit kleinen Stücken Äpfel, Rüebli, Keimlingen oder Haferrispen ergänzen und auf der Einstreu verteilen – und die Rennmäuse sind zufrieden und beschäftigt. Ausserdem bereichern Zweige von Hasel, Buche, Weide, Birke oder Rottanne, ungefärbtes Haushaltspapier sowie unbedruckte WC-Rollen oder Eierkartons den Rennmaus-Alltag.
Plötzliche Aggressionen
Geht es den Nagern gut, sind sie aktiv und neugierig. Doch in der vorher friedlichen Gruppe können heftige Aggressionen ausbrechen. Wilde Verfolgungsjagden sind dann an der Tagesordnung. Stellt sich das unterlegene Tier, trommeln seine Kontrahenten mit den Vorderpfoten aufeinander ein, verbeissen sich zu einer Kampfkugel ineinander. Dann gilt: Die Rennmäuse sofort voneinander separieren – und dies mit dicken Lederhandschuhen, da sie in ihrer Kampfstimmung in alles beissen, das in ihre Nähe kommt.
Die Trennung muss für immer sein. Gerbils, die einmal miteinander stritten, kann man nicht mehr zusammen halten. Forscher der deutschen Universität Halle fanden heraus, dass die Aggressionen meist von der erwachsenen Mutter ausgehen. Sie will unliebsame Konkurrenz vertreiben. Als zweiten Grund neben der Fortpflanzung sehen die Forscher Rangstreitigkeiten, die auch in gleichgeschlechtlichen Gruppen vorkommen. Fachleute raten zu reinen Männchengruppen, da sie friedlicher sind als Weibchengruppen.
Die Vergesellschaftung der Rennmäuse ist wegen ihres Gruppengeruchs und ihrer unzimperlichen Art zu kämpfen überaus komplex. Deshalb sollte man neue Gruppen mit fünf- bis maximal achtmonatigen Tieren zusammenstellen, bevor ihre Bauchdrüse sich entwickelt und sie beginnen, zu markieren und Territorialverhalten zu zeigen.
Gerbils sind keine Streicheltiere, zeigen aber grosses Kino, wenn sie miteinander spielen und an ihren Bauten arbeiten. Mit Geduld kann man sie dazu bringen, die begehrten Sonnenblumen- oder Kürbiskerne aus der Menschenhand zu nehmen. Damit es so weit kommt, muss man die Hand mit den Kernen so lange unbeweglich ins Terrarium halten, bis sich eine Maus an den Leckerbissen wagt. Haben sie einmal ihre Scheu abgelegt, klettern manche Mäuse auf den Arm und bis zur Schulter hoch.
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