Trainiert, um zu helfen
Ratten im Einsatz als Arbeitstiere
Ratten wurden längst domestiziert, nicht nur für die Forschung und als Haustier, sondern auch, um andere Aufgaben zu übernehmen. Dank ihrer Wendigkeit, Intelligenz und sozialen Verträglichkeit halten sie in immer mehr Einsatzgebieten Einzug und erleichtern dort das Leben vonMenschen.
Zahme Ratten sind vor allem als Labor- sowie Haustiere bekannt, übernehmen aber nun auch andere spezielle Aufgaben, für die sie geradezu prädestiniert sind. Schlank und wendig half 1997 zum Beispiel eine Farbratte dabei, Schulen in Kalifornien (USA) mit Internet zu versorgen. Das Tier zog entsprechende Kabel durch enge Schächte und begeisterte damit nicht nur den Elektriker, sondern auch die Schulkinder. Wegen des niedlichen Aussehens und der geringen Grösse eignen sich Farbratten auch gut als Therapietiere, ausser natürlich, man fürchtet sich vor den Nagern. Die hochsozialen Tiere beziehen die Menschen in ihre Interaktionen mit ein, spielen, kuscheln und sorgen auch für gute Unterhaltung. Entsprechend werden sie heute mancherorts in der Therapie bei Depressionen, Ängsten und als Sozialtiere in Altersheimen, Schulen und Kinderhorten eingesetzt. Ähnlich wie Hunde können auch Ratten effizient als Assistenztiere dabei helfen, medizinische Notfälle zu erkennen und mit antrainierten Verhaltensweisen ihren Menschen in nützlicher Frist darauf aufmerksam zu machen.
Dank ihres hervorragenden Geruchssinns werden Ratten seit Kurzem von der niederländischen Polizei dazu verwendet, Sprengstoff zu erschnüffeln. Während Hunde rund acht Monate Training benötigen, um in den entsprechenden Dienst zu gehen, kann man Ratten innerhalb weniger Tagen lernen, bestimmte Gerüche herauszuriechen. Ausserdem sind Ratten viel günstiger in der Anschaffung und Haltung als Hunde und brauchen weniger Platz.
Suche nach Landminen
Dem stimmt auch Donna Kean zu. Die Riesenhamsterratte (Cricetomys ansorgei) ist zwar nicht näher mit den eigentlichen Ratten verwandt, übernimmt jedoch eine ähnliche Funktion: Die Tiere werden zu Spürratten, den sogenannten Hero-Rats (Heldenratten) ausgebildet. «Ratten haben einen vergleichbar guten Geruchssinn wie Hunde, sind aber nicht an einen Trainer gebunden, sondern arbeiten mit verschiedenen Menschen zusammen», berichtet Kean dem Magazin «Science». Die junge Frau ist eine der Trainerinnen der gemeinnützigen belgischen Organisation Apopo. Gemeinsam entwickelte die Organisation mit Wissenschaftlern der Universität von Antwerpen (Belgien) eine Methode, Riesenhamsterratten zur Suche nach Landminen auszubilden. Diese sind nach wie vor in knapp 60 Ländern ein grosses Problem. Selbst wenn Kriege als beendet gelten, die Minen im Boden bleiben und verletzen noch jahrelang zahlreiche Menschen schwer bis tödlich. Durch Druck explodieren die Minen unter den Füssen der Opfer, in 54 Prozent der Fälle sind dies Kinder. Grosse Flächen nach Minen abzusuchen ist zeit- und arbeitsaufwendig – und gefährlich. Beim geringen Gewicht der Ratten lösen die Minen aber nicht aus und können so mit entsprechender Ausrüstung geborgen und entschärft werden.
Donna Kean bildet ihre Ratten noch für eine zusätzliche Aufgabe aus: vermisste Menschen unter Trümmern zu finden. «Ihre geringe Grösse ist perfekt für diese Aufgabe», erzählt Kean. «Hunde passen oft gar nicht unter Trümmer, sondern erschnüffeln Verschüttete von aussen. Dann kommen die Ratten ins Spiel: Wo Mensch und Hund an ihre Grenzen stossen, können wir Ratten durch ganz verschiedene Eingänge unter die Trümmer schicken und die Vermissten so genauer lokalisieren.»
Nicht zuletzt arbeitet Apopo auch daran, Tuberkulose zu begrenzen. Konventionelle Tests auf Tuberkulose dauern in recht vielen Ländern oft lange, werden von Kliniken teils gar nicht durchgeführt, oder auch das Personal ist nicht ausreichend geschult. Laut Apopo wurden 2019 nur 43 Prozent der Tuberkulose-positiven Patientinnen und Patienten in Afrika korrekt diagnostiziert. Mittels Klickertraining werden nun Riesenhamsterratten trainiert, Speichelproben von an Tuberkulose Erkrankten von Gesunden zu unterscheiden und dann auch anzuzeigen. Eine rasche, unkomplizierte und kostengünstige Diagnose kann dazu führen, dass Betroffene, die Hoffnung auf Genesung haben, rechtzeitig eine passende medikamentöse Behandlung bekommen und so auch andere mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit anstecken.
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