Malisha und Lacky sind genügsame Tiere. Die beiden stehen ruhig in ihrem Stall, etwas oberhalb des Dorfes Jenins imKanton Graubünden. Der Hof liegt mitten in der Natur, umgeben von steilen Hängen, Wäldern und einemleise plätschernden Bächlein. Neben dem Stall gibt es noch ein Wohnhaus, einen alten Kuhstall und ein kleines Waschhäuschen.

Ihr gemütliches Wesen können Malisha, das weisse Shetland-Pony, und Lacky, der braun-weiss gescheckte Pony-Mix, gut gebrauchen. Jeweils um 9 Uhr wird es auf dem Bauernhof merklich lauter: Ein Auto nach dem anderen fährt den Kiesweg entlang und lädt die täglichen Besucher aus. Bis zu sechs Kinder wuseln dann herum, alle im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Die beiden Ponys sind ein Teil von Monika Zais Rösslispielgruppe und die Kinder sind hier, um auf ihnen zu reiten und ausgiebig auf dem Hof zu spielen.

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Monika Zai wartet bereits auf die Rasselbande. Die 54-Jährige ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und besass dort ein Kleinpferd, Ziegen, Hunde und Katzen. «Mein Vater sagte immer: ‹Du darfst so viele Tiere haben, wie du willst – aber du musst selber zu ihnen schauen, sonst gehen sie wieder!›.» So habe sie schon als Kind gelernt, was die tierischen Freunde alles brauchen und wie aufwendig es sein kann, einen Hasenstall auszumisten, die Ziegen zu füttern oder die Box der Pferde auszumisten.

«Dieses Wissen will ich heute an die Kinder weitergeben», sagt Zai. Sie ist überzeugt: Wer schon früh in Kontakt mit Tieren kommt, der lernt diese nicht nur kennen und respektieren, sondern nimmt auch viel für das eigene Leben mit.

Auch Tiere haben Grenzen

Neben den beiden Ponys leben auf Monika Zais Hof noch viele andere Tiere, etwa drei grosse Pferde, sechs Hühner und ein Hahn sowie Hündin Sierra und Katze Mimi. Als Erstes versammeln sich die Kinder aber bei den Meerschweinchen: Sie rüsten gemeinsam mit ihrer Betreuerin das Futter und geben es an die freudig quiekenden Nager weiter, während sich die Eltern klammheimlich wieder aus dem Staub machen.

Als nächstes werden die Schildkröten besucht. Wie bei den Meerschweinchen gilt auch hier: Zusehen und streicheln ist erlaubt, hochheben aber nicht. «Das wäre zu viel Stress für die Tiere», erklärt Zai. Die Kinder müssen lernen, dass auch Tiere Grenzen haben, die man nicht überschreiten darf.

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Diese Erkenntnis hilft den Mädchen und Jungs etwas später auch bei den Ponys. Nach einem gemeinsamen Znüni kommen endlich Malisha und Lacky zum Zuge. Während Monika Zai die beiden Kleinpferde vorbereitet, sitzen die Kinder brav auf einer Bank und schauen zu. Rumrennen, springen oder sonstige hektische Bewegungen sind streng untersagt. «Sie sollen lernen, Rücksicht auf die Ponys zu nehmen.» Den nötigen Respekt und Achtung vor den Tieren müsse man den Kindern erst beibringen.

Deshalb erklärt sie Neuzugängen in einem ersten Schritt die Körpersprache der Pferde: Was bedeutet es, wenn Malisha ihre Ohren anlegt? Oder wenn Lacky mit den Hufen scharrt? Nach einem halben Jahr dürfen die Kinder dann beim Striegeln helfen, «aber immer nur zwei Kinder gleichzeitig, damit es für die Ponys nicht zu viel wird.» Anschliessend wird endlich geritten. Aufs Pony steigen muss nur, wer auch Lust hat. «Viele Kinder haben anfangs Angst vor dem Reiten», erzählt die Spielgruppenleiterin. Dann übt sich Zai in Geduld. Keines der Kinder wird von ihr zu irgendetwas gezwungen.

Die richtige Ausbildung

Die Rösslispielgruppe von Monika Zai gehört zu den sogenannten Bauernhofspielgruppen. Diese Art von Spielgruppen gibt es zwar schon länger, erfreut sich aber zunehmender Beliebtheit. Das Problem: Der Beruf einer Spielgruppenleiterin ist nicht anerkannt, ganz oft stecken dahinter selbstständige Personen. «Viele gründen eine Spielgruppe, obwohl sie gar keine Ausbildung haben», sagt Zai.

Dabei sei eine Aus- und Weiterbildung enorm wichtig, ebenso wie eine Mitgliedschaft beim Schweizerischen Verband für Spielgruppen-LeiterInnen (SSLV). Sie selbst habe die Ausbildung zur Spielgruppenleiterin sowie die Zusatzausbildung zur Waldspielgruppenleiterin absolviert. Die Ausbildung für eine Bauernhofspielgruppe wurde vor 15 Jahren nicht angeboten, «dieses Wissen musste ich mir also selbst aneignen.»

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Heute bietet die IG Spielgruppe Schweiz einen sechstägigen Zertifikatslehrgang an, der nach der Basisausbildung besucht werden kann. Er wird von Judith Pfefferli geleitet, welche selbst seit 18 Jahren eine Bauernhofspielgruppe auf ihrem Hof führt. Die Botschaft des SSLV sowie der IG Spielgruppe ist klar: Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, eine Spielgruppe zu besuchen. «Für Kinder ist es vor dem Kindergartenantritt wichtig, diese Erfahrung zu machen», betont Judith Pfefferli. Im Kontakt mit Gleichaltrigen lernen die Kleinen, wie sie teilen, respektvoll miteinander umgehen und dass sie eben auch mal warten müssen.

Welche Spielgruppe das Kind besucht, sei immer eine Frage der eigenen Ressourcen sowie des Angebots. Nicht jeder könne sich eine Bauernhofspielgruppe leisten, nicht immer gibt es eine solche in der Nähe. Jene von Monika Zai etwa wird nicht nur von Kindern aus dem Dorf, sondern aus dem ganzen Kanton besucht. Wichtig für Judith Pfefferli ist es, dass die verschiedenen Arten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Eine Indoor-Spielgruppe sei genau so wertvoll wie eine auf dem Bauernhof: «Jede Art hat ihre Vor- und Nachteile. Und jede bietet einen Mehrwert für das Kind.»

Kinder und Pferde: Die wichtigsten Regeln• Kinder nicht mit dem Pferd allein lassen. Ein Erwachsener sollte immer dabei sein, ihnen helfen und die wichtigsten Dinge erklären.
• Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass Pferde kein Spielzeug oder Sport-gerät sind, sondern Lebewesen mit Gefühlen und Bedürfnissen.
• Erklären Sie Ihrem Kind, dass Pferde Fluchttiere sind. Fühlen sie sich bedroht, laufen sie davon. Zudem sind sie schreckhaft.
• Gehen Sie auf die Körpersprache des Pferdes ein: Sind die Ohren etwa flach nach hinten angelegt, drückt dies starken Unwillen aus.
• Hektische Bewegungen oder laute Geräusche sollten in der Nähe von Pferden und Ponys vermieden werden. Die Tiere könnten sich erschrecken.
• Auch sollte man sich dem Pferd nicht von hinten nähern, an seinem Hinterteil vorbeilaufen oder gar unter dem Bauch durch krabbeln. Die Tiere könnten sich erschrecken und im schlimmsten Fall austreten.
• Bei fremden Pferden, denen man zum Beispiel beim Spaziergang begegnet: Immer erst den Reiter fragen, ob es okay ist, wenn man sich dem Tier nähert und ob das Kind es berühren, streicheln oder sogar füttern darf.