Schnappschuss
Die wundersame Welt der Ameisen
Ameisen sind wahre Anpassungskünstler und stecken voller Überraschungen. Mit ihrem Buch laden die beiden Insektenforscher Benjamin Blanchard und Heather Campbell dazu ein, diese erstaunlichen Tiere mit völlig neuen Augen zu sehen.
Frau Campbell, was hat Sie dazu inspiriert, über Ameisen zu forschen und zu schreiben?
Ich habe mich schon immer für Insekten interessiert, vor allem für die Hymenoptera, also Bienen, Ameisen und Wespen. Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich Ameisen auf Akazienbäumen in Namibia untersucht. Danach habe ich in Australien und Südafrika gearbeitet, um Ameisen zu erforschen – also waren sie schon immer eine Leidenschaft von mir. Im Laufe meiner Karriere habe ich eine ganze Reihe von Geschichten darüber gesammelt, wie cool Ameisen sind, und ein Buch zu schreiben, schien mir eine gute Möglichkeit, all diese Informationen über die erstaunlichen Tiere zu präsentieren.
Was war die ungewöhnlichste Tatsache über Ameisen, die Sie bei der Recherche für Ihr Buch entdeckt haben?
Eine Gruppe, über die ich gerne mehr erfahren habe, sind die Schildkrötenameisen, Cephalotes, aus Mittel- und Südamerika. Sie leben hoch oben in den Baumkronen des Regenwaldes und fallen manchmal herunter. Anstatt Stürze zu riskieren, die das 3000-fache ihrer eigenen Körperlänge betragen können (was einem menschlichen Sturz von fünf Kilometern entspricht), wenden sie eine Gleittechnik an. Im Grunde strecken sie ihre Beine aus und manövrieren sie über ihren Körper, um sich sicher zu einem nahe gelegenen Baum gleiten zu lassen, anstatt auf den Waldboden zu fallen. Ich habe einige grossartige Fotos von diesen springenden Ameisen gefunden und es hat mir Spass gemacht, bei meinen Recherchen alles über sie zu lesen.
Ihr Buch liefert viele Fakten über die Ameisen, zeichnet sich aber auch durch seine schönen grossen Bilder aus. Wollen Sie auf diese Weise die breite Öffentlichkeit für die Wissenschaft begeistern?
Ich und mein Co-Autor Benjamin Blanchard lieben beide Ameisen, und wir wollten wirklich, dass jeder nicht nur an interessanter Wissenschaft teilhat, sondern auch daran, wie schön einige dieser Arten sind. Wir waren all den unglaublichen Fotografen sehr dankbar, dass sie so atemberaubende Bilder von Ameisen gemacht und dazu beigetragen haben, das Buch optisch so ansprechend zu gestalten. Ich glaube, der Durchschnittsmensch sieht Ameisen als ziemlich unscheinbare kleine braune oder rote Flecken. Erst wenn man ein Makrofoto macht oder sie unter ein Mikroskop legt, erkennt man, dass ihr Aussehen viel komplexer ist. Ein Teil des Reizes dieses Buches besteht darin, dass wir zeigen konnten, wie atemberaubend sie anzusehen sind, und gleichzeitig ihr Verhalten und ihre Ökologie verstehen.
Ameisen gibt es überall auf der Welt. Wie haben diese Tiere es geschafft, in so vielen verschiedenen Lebensräumen zu überleben?
Ameisen waren in der Lage, sich anzupassen, um so viele verschiedene Nischen zu füllen, und das ist ein grosser Teil ihres Erfolgs. Sie sind praktisch überall auf der Erde zu finden und leben in der Erde, in der Laubstreu, auf dem Boden und in Bäumen. Ameisen sind in Wüsten, auf Wiesen, in Sümpfen und Dschungeln zu finden – einige können sogar schwimmen! Und sie alle haben ihre eigene Lebensweise. Einige sind Pflanzenfresser, die sich von Blättern und Pflanzensäften ernähren, andere suchen nach allem, was sie finden können, und dann gibt es noch Ameisen, die furcht-erregende Raubtiere sind. Diese Anpassungsfähigkeit hat ihnen geholfen, die Welt zu erobern.
Gibt es invasive Arten, die in Mitteleuropa eine Bedrohung darstellen?
Weltweit gibt es viele invasive Arten. Die Rote Feuerameise, Solenopsis invicta, ist beispielsweise eine der weltweit schädlichsten und invasivsten Arten. Sie wurde in Europa erstmals im September 2023 auf Sizilien nachgewiesen. Es wird erwartet, dass sie sich rasch in viele andere Teile des Kontinents ausbreiten kann. Die am besten dokumentierte invasive Art in Europa ist die Argentinische Ameise, Linepithema humile. Sie gehört zu den 100 schlimmsten invasiven Tierarten der Welt und ist ein Haushaltsschädling, der verheerende Auswirkungen auf die Tierwelt hat. Derzeit bildet sie Superkolonien in Spanien, Portugal und Frankreich sowie in Italien, wo sie im Freien lebt. Obwohl die Ameise in Mitteleuropa nur in Innenräumen vorkommt, wird sie sich mit der Erwärmung des Klimas zweifellos weiter in diese Regionen ausbreiten.
In der Landwirtschaft können Ameisen aber auch nützlich sein, oder?
Als Raubtiere können Ameisen bei der Schädlingsbekämpfung sehr wirksam sein. In der Vergangenheit wurden sie genau zu diesem Zweck eingesetzt, um andere Insekten abzuschrecken, die für die Pflanzen schädlich sind. Wir erkennen zunehmend, dass die räuberische Natur einiger Ameisen bedeutet, dass sie effektiv als Schädlingsbekämpfungsstrategie eingesetzt werden können. Die Tendenz einiger Ameisenarten, saftsaugende Insekten zu fressen, die Nutzpflanzen schädigen, bedeutet aber, dass man sicherstellen muss, dass man die richtigen Arten in landwirtschaftlichen Gebieten fördert.
ZUR PERSON
Heather Campbell hat an der Universität Reading in ökologischer Entomologie promoviert und ist Dozentin für Entomologie an der Harper Adams University in Shrop-shire, UK. Sie ist Mitherausgeberin des «Journal of Ecology», hat für viele führende wissenschaftliche Zeitschriften geschrieben, darunter «American Naturalist» und «Myrmecological News», und ist National Geographic Explorer. Ihr Spezialgebiet ist die Diversität afrikanischer Ameisen.
SCHMÖKERECKE
Autorin und Autor: Heather Campbellund Benjamin Blanchard
Übersetzt von: Monika Niehaus
Ameisen.
Die faszinierende Welt der kleinen Naturarchitekten
224 Seiten, Haupt-Verlag
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