Heimlichtuer der Nacht
Ein Blick in die nächtliche Lebensweise der Schlafmäuse der Schweiz
Mit ihren grossen Knopfaugen bezaubern die Schlafmäuse den Menschen. Wegen ihrer nächtlichen und heimlichen Lebensweise ist jedoch wenig über die Tiere bekannt. Der Verein Minimus hat es sich zurAufgabe gemacht, die kleinen Nager in der Schweiz zu erforschen und zu fördern.
Sie heissen Schlafmäuse, sind mit den Mäusen aber nicht näher verwandt. Schlafen allerdings tun die in der Schweiz heimischen Siebenschläfer, Gartenschläfer, Baumschläfer und die Haselmäuse oft und ausgiebig. Die Familie innerhalb der Nagetiere, die auch als Bilche oder Schläfer bezeichnet wird, umfasst weltweit dreissig bekannte Arten. Fünf davon finden sich in der Schweiz. Ging man bis letztes Jahr noch davon aus, dass die Haselmaus eine eigenständige Art ist, bestätigten genetische Untersuchungen, dass es sich tatsächlich um zwei Arten handelt – die Westliche und die Östliche Haselmaus.
Über das Leben der kleinen Nagetiere ist nur wenig bekannt, denn die nachtaktiven Bilche sind wahre Heimlichtuer. Ändern will das der Verein Minimus. Mit der Erforschung und Förderung von Kleinsäugern in der Schweiz will der Verein, der sich aus Expertinnen und Experten zusammensetzt, Licht in das Leben der kleinen Tiere bringen. Die Förderung der Schlafmäuse ist für Vorstandsmitglied Livia Haag eine Herzensangelegenheit. «Die Bilche haben mit ihrem versteckten Leben im Dunkeln etwas Geheimnisvolles an sich und trotzdem lassen sie sich mit etwas Geduld auch ganz in unserer Nähe finden», erzählt die Biologin, die seit zehn Jahren ein Förderprogramm für die Haselmaus im Raum Winterthur leitet. «Sie faszinieren mich auch mit ihrer einmaligen Biologie. Und nicht zuletzt haben mich die Bilche mit ihrem flauschigen Fell, dem buschigen Schwanz und ihren Kulleraugen im Sturm erobert.»
Nüsse führen zu Nachwuchs
In der Tat warten die Schlafmäuse mit einigen einzigartigen Überlebensstrategien auf. Droht Gefahr, so können die Tiere ihren Schwanz abwerfen. Was man sonst üblicherweise von Eidechsen kennt, rettet auch die Bilche vor Angriffen ihrer Feinde wie Raubvögeln oder Füchsen. Während bei den Echsen der Schwanz komplett mit den Schwanzwirbeln abgeworfen wird, streifen die Bilche lediglich ihre Schwanzhaut ab. Die herausschauenden Wirbel trocknen mit der Zeit ab, ein Nachwachsen ist nicht mehr möglich.
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Bekannt sind Schlafmäuse jedoch für ihren Winterschlaf, dank dem die Tiere die nahrungsarme Zeit überbrücken. Ihren Namen haben die Nager schliesslich nicht von ungefähr. Wahre Schlafspezialisten unter den heimischen Arten sind die Siebenschläfer. Forschungen an den Tieren ergaben, dass Siebenschläfer in Jahren ohne reiches Futterangebot bis zu zehn Monate verschlafen. Auch die Tage im Sommer verbringen die nachtaktiven Bilche schlummernd und fallen in regnerischen Nächten in einen Tiefschlaf. Der Klimawandel allerdings zeigt Auswirkungen auf die Schlafmäuse in den Wintermonaten, wie Adrian Dietrich, Projektleiter und Schlafmausspezialist beim Verein Minimus zu berichten weiss. «Bei höheren Temperaturen unterbrechen die Tiere ihren Winterschlaf und werden aktiv. In den blattlosen Sträuchern sind sie wegen der fehlenden Deckung Feinden schutzlos ausgeliefert.» Die fehlende Nahrung im Winter könnte zudem zum Verhungern führen.
Zusätzliche Herausforderungen wie die Verarmung der Landschaft und die intensiv betriebene Landwirtschaft erschweren den Schläfern zusätzlich das Leben. Die Haselmaus überquert nur ungern offene und ungeschützte Flächen, weshalb sie auf eine Vernetzung der Landschaft durch Strukturen wie Hecken angewiesen ist. In der Schweiz werden solche aber immer rarer, genau wie die Haselmaus auch.
Besonders selten anzutreffen sind die Baumschläfer, die bisher nur vereinzelt in Graubünden nachgewiesen werden konnten. Der Gartenschläfer dagegen kommt in der Schweiz verhältnismässig häufig vor. Allerdings werden gerade Nachweise aus dem Jura immer weniger. «Das ist eine Art, bei der wir sicher genauer hinschauen müssen, insbesondere, weil sie in anderen Ländern stark zurückgegangen bis verschwunden ist», erklärt der Biologe.
Dem Siebenschläfer geht es in der Schweizer Landschaft von allen Arten derweil am besten. Er ist weit verbreitet und profitiert von den sich verändernden klimatischen Bedingungen. «Siebenschläfer vermehren sich nur in Mastjahren», erklärt die Bilchspezialistin Livia Haag. «Das sind Jahre, in welchen Buchen und Eichen in einem Wald viele Nüsse produzieren. Früher gab es etwa alle sieben Jahre ein Mastjahr.» Mittlerweile häufen sich diese Ereignisse, denn die Bäume der Schweiz sind gestresst. «Durch einen hohen Stickstoffeintrag, lange Trockenperioden und andere klimatische Einflüsse produzieren Eichen und Buchen an manchen Orten in der Schweiz mittlerweile alle zwei bis drei Jahre eine Menge an Nüssen. Das macht sich der Siebenschläfer zunutze und pflanzt sich häufiger fort», führt Haag aus.
Schlafmäuse brauchen Unterstützung
Um die Ansprüche der Schlafmäuse besser zu verstehen und um die fünf in der Schweiz heimischen Arten besser zu schützen, rief der Verein Minimus verschiedene Projekte zur Förderung der Bilche ins Leben. Eine dieser erfolgreichen Massnahmen ist das «Förderprogramm Haselmaus – artenreiche Gebüschlebensräume für Winterthur». Dank der Aufwertung und Neuschaffung von Lebensräumen in und an Wäldern des Winterthurer Stadtkreises Töss finden dort nachweislich mehr Haselmäuse einen neuen Lebensraum.
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Ein weiteres Projekt des Vereins, der «Aktionsplan für Schläfer im Kanton Bern», untersuchte das Vorkommen der im Kanton heimischen Arten und steht kurz vor dem Abschluss. Mit Unterstützung der Berner Bevölkerung konnten neue Vorkommen der Haselmaus im Kanton entdeckt werden. Auch für den Siebenschläfer hat es einige neue Nachweise gegeben. Schlechter scheint es dagegen um den Gartenschläfer zu stehen, wie Adrian Dietrichs Erkenntnis aus dem Projekt lautet. «Wir konnten die Art nur an einem Standort zusätzlich nachweisen und auch sonst haben wir nur wenige Hinweise auf Vorkommen erhalten. Leider deckt sich dies mit Ergebnissen aus anderen Projekten. Die Art hat viel von ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet eingebüsst und kommt in der Schweiz vor allem noch in den Voralpen und Alpen vor.»
Um den Schlafmäusen als Privatperson unter die Arme zu greifen, ist das Anpflanzen von Beeren- und Nusstragenden Pflanzen eine grosse Hilfe. «Wenn Sie ein Stück Land oder einen Wald besitzen, können Sie einheimische Sträucher wie Hasel, Schwarz- und Weissdorn oder Bäume wie Eichen, Kirschen und Eiben pflanzen und fördern», lautet Adrian Dietrichs Appell. «Und falls keine Schläfer in der Umgebung vorkommen, freuen sich auch die Vögel und Insekten daran.»
Die Schlafmäuse der Schweiz
Siebenschläfer
Die grösste Art der in der Schweiz heimischen Schlafmäuse ist der Siebenschläfer. Als Kulturfolger nistet er sich gerne in Gartenschuppen, Chalets und Estrichen ein. Er kommt in der Schweiz unter einer Höhe von 1500 Metern beinahe überall vor und bevorzugt Laubwälder. Bucheckern, Eicheln und Kastanien stehen neben Früchten auf seinem Speiseplan und bei Gelegenheit auch tierische Nahrung. Den Winterschlaf verbringt der Siebenschläfer meist zusammengekuschelt mit weiteren Familienmitgliedern.
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Baumschläfer
Der Baumschläfer ähnelt mit seiner Maske dem Gartenschläfer, diese zieht sich jedoch nicht bis hinter die Ohren. Zudem fehlt ihm eine weisse Schwanzspitze. In der Schweiz, der westlichen Randzone seines Verbreitungsgebietes, konnte er bisher nur vereinzelt im Unterengadin und im Münstertal nachgewiesen werden. Dort lebt der Einzelgänger an Nordhängen in Wäldern. Er ist die seltenste Schläferart der Schweiz.
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Gartenschläfer
Die charakteristische Maske und die weisse Schwanzspitze ermöglichen eine eindeutige Identifizierung des «Zorros». Gartenschläfer sind opportunistisch und ernähren sich von Bucheckern, Beeren, Samen, Wirbellosen sowie von kleinen Säugern, Echsen und Vögeln und deren Eiern. In Regionen mit strengen Wintern verbringt der Langschläfer die kalte Zeit bis zu sieben Monate im Winterschlaf. In der Schweiz ist der Gartenschläfer hauptsächlich in den Voralpen und Alpen verbreitet.
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Haselmaus
Die Haselmaus ist die kleinste Vertreterin der Schlafmäuse, ihre Kopf-Rumpf-Länge beträgt nicht mehr als acht Zentimeter. Als heimliche Strauchbewohnerin lebt die Haselmaus in Wäldern und Hecken. Den Winterschlaf verbringt das ungesellige Nagetier in einem Bau im Boden. In der Schweiz ist die Art bis zu einer Höhe von 2000 Metern über Meer zu finden. Seit letztem Jahr ist bekannt, dass sich in der Schweiz zwei Arten der Haselmaus finden.
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