Die Waldrappenhaltung im Zoologischen Garten Basel hat Tradition. Seit 1949 ist die Art im Zoo vertreten, 1957 gelang gar die Welterstzucht. Seither wurden zahlreiche Nachzuchten für Wiederauswilderungsprojekte abgegeben, 2021 waren es beispielsweise drei Vögel, die in Andalusien in Spanien ausgewildert wurden. Der Basler Zoo züchtet die Art im Rahmen des europäischen Erhaltungszuchtprojekts. Früher war die Gruppe im Gebiet zwischen dem Seelöwenbassin und den Bisons in einer Voliere untergebracht. Seit dem 6. September 2023 schnarren die Ibisse mit schwarz schillerndem Gefieder, roter Gesichtsmaske und langem Federschopf neben dem sanierten Vogelhaus in einer hohen, begehbaren Voliere mit künstlicher Felswand.

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Bäume wachsen durch die Voliere

«Die Zuchtsaison ist vorbei, die Vögel können sich nun in ihrer neuen Umgebung einleben», sagt die Vogelkuratorin Jess Borer über die zehn Männchen und acht Weibchen, die noch etwas unsicher zuoberst auf dem Kunstfelsen flattern. Nur zwei vorwitzige Waldrappe haben sich auf die Astspitzen eines Baums beim Besucherweg gesetzt, wenn auch in grosser Höhe. Der Zoodirektor Olivier Pagan betont: «Die Gruppe ist gerade erst eingesetzt worden. Es ist klar, dass sie sich jetzt an die Besucher gewöhnen müssen, die durch ihre Voliere gehen.» Das gelinge gut, da die Voliere ausreichend Rückzugmöglichkeiten und eine grosse Höhe aufweise. Mit zwei Weideneichen gedeihen im rechten Bereich zur Felswand hin bereits kapitale Bäume, die aus der Voliere wachsen und Schatten gewähren. «Es war nicht einfach, ein Konzept zu entwickeln, das es ermöglicht, dass das Volierengitter mit dem Umfang der Baumstämme wächst», kommentiert Dr. Pagan die Szenerie. Die Bäume fassen die Aussengrenze des Zoos ideal ein, setzen harmonische Akzente und bieten den Bewohnern Schutz.

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Dank Zucht wieder in Natur

In der Felswand befinden sich zahlreiche Nischen. Die Hoffnung besteht, dass die Waldrappe darin ihre Reisignester errichten. Punkto Neststandort scheinen sie nicht anspruchsvoll zu sein, wie das Beispiel aus Rümlang (ZH) zeigt. Im Sommer 2023 brütete dort nämlich das erste Schweizer Paar auf einem Fenstersims einer Firma. Das war eine Sensation, denn seit dem 17. Jahrhundert gilt der Waldrapp in der Schweiz als ausgestorben. Der Schweizer Naturforscher Conrad Gessner beschrieb die Art als Erster 1557. Das brütende Paar in der Schweiz stammt offenbar aus Deutschland.

In Überlingen werden Waldrappe wieder angesiedelt und daran gewöhnt, im Herbst in die Toscana in ein Überwinterungsgebiet zu ziehen. Die Schweiz bietet Lebensräume mit ausreichend Nahrungsgrundlagen. Waldrappe stochern mit ihren langen, sichelartig gebogenen Schnäbeln in feuchten Wiesen nach Würmern. Darum ist es gut möglich, dass sich dereinst Waldrappe in der Schweiz wieder ausbreiten – dank dem die Art in Zoologischen Gärten durch Haltung und Zucht bewahrt wurde und darum wieder in die Natur eingegliedert werden konnte.

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Flugbegleitung der Waldrappen

Das Projekt zur Wiederansiedlung des Waldrapps heisst «LIFE20: Northern Bald Ibis». Ziel ist, dass bis 2028 mehr als 360 Waldrappen zwischen dem nördlichen Alpenvorland und der Toskana migrieren. Am Ende der ersten Projektphase (2019) waren es 142 Individuen. Dieses Projekt wird von Zooschweiz, der Dachorganisation der wissenschaftlich geführten Schweizer Zoos, unterstützt. Es wird vom Österreicher Dr. Johannes Fritz geführt, der durch die Begleitung mit einem Leichtflugzeug der fliegenden Waldrappe auf dem Zug in Richtung Süden Bekanntheit erlangte.

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Schlurp, schlurp

Bestimmt beginnen die Basler Waldrappen bereits im nächsten Frühling mit ihrem ausgedehnten Begrüssungsritual auf dem Brutfelsen. Männchen und Weibchen werfen den Kopf mit aufgestelltem Schopf in den Nacken und verbeugen sich. Dabei rufen sie «schlurp, schlurp». Sie legen zwei bis vier Eier, die sie bis zu 28 Tage lang bebrüten. Nach etwa 50 Tagen fliegen die Jungen aus. Wie sozial Waldrappe sind, zeigt auch die Tatsache, dass die Jungen auch von anderen Gruppenmitgliedern gefüttert werden. Nach dem Ausfliegen stolzieren die jungen Waldrappe aber noch lange mit den Eltern herum, von welchen sie alles lernen, um sich im Leben zurechtzufinden.

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Blauracken als Mitbewohner

Doch in der Waldrappvoliere gibt es noch mehr zu sehen. Vielleicht blitzt irgendwo auf einer exponierten Warte ein blaues Federkleid auf. Dann handelt es sich um eine Blauracke. Der Basler Zoo hat ein Paar mit Nachzuchten aus Tschechien und den Niederlanden zusammengestellt. Die Racken, die aus der gleichen Ordnung wie die Bienenfresser stammen, haben einen Bereich, der nur ihnen zugänglich ist.

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Sie ernähren sich unter anderem auch von jungen Mäusen oder jungen Kleinvögeln. Blauracken können nur selten auf dem Durchzug in der Schweiz beobachtet werden. Es gibt nur einen historischen Brutnachweis aus dem Kanton Genf. Blauracken ziehen im Winter nach Afrika, so zum Beispiel auch in die Savannen von Burkina Faso. Sie brüten in Höhlen in morschen Bäumen oder in Erdabbruchkanten.

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Marmelenten im Sumpf

Wasser beidseits des Besucherwegs belebt die grosse Waldrappvoliere. Im Teich schwimmen zwei Marmelenten. Die Art hat ein grau-braun-geflecktes Gefieder und ist kleiner als eine Stockente. Die Marmelente lebt in Sumpfgebieten im Mittelmeerraum, wo auch die Blauracke noch sporadisch vorkommt. Racke und Marmelente sind aber in ihren Beständen zurückgegangen, wegen Trockenlegungen von Sumpf- und Feuchtgebieten.

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Die attraktive Vogelgemeinschaft kann ohne Gitter beobachtet werden. Sie bildet den Auftakt zum Vogelhaus, denn der Weg durch die Voliere führt direkt in die Wunderwelt des Vogelhauses.