Ohne Zeitlupe sind die Flügelschläge eines Kolibris gar nicht richtig zu erkennen. Die kleinen, wendigen Vögel können pro Sekunde bis zu 80 Mal mit den Flügeln schlagen und sind gleichzeitig die einzige Vogelart die nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts und seitlich fliegen können. Dies gelingt den Tieren dank ihrem typischen Schwebeflug. Kolibris sind in Nord- und Südamerika beheimatet und sind häufig kaum grösser als ein Daumen. Die Lebensweise mit ihrem speziellen Flug ist extrem energieaufwändig. Darum wollte ein internationales Team von WissenschaftlerInnen unter der Leitung von Prof. Michael Hiller herausfinden, welche Anpassungen des Stoffwechsels die besonderen Flugkünste der Kolibris ermöglicht haben, wie die im Fachjournal «Science» veröffentliche Studie zeigt.  

Hoher Energieverbrauch 

Der Schwebeflug der Kolibris verbraucht mehr Energie als jede andere Fortbewegungsart im Tierreich. Deshalb läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren und ist aktiver als bei jedem anderen Wirbeltier. Dank Zucker aus Blütennektar können Kolibris ihren hohen Energiebedarf decken. Anders als wir Menschen, kann der kleine Vogel Fruktose ebenso effizient verstoffwechseln wie Glukose. Den Zucker nehmen sie dank hochaktiven Enzymen besonders schnell auf. ForscherInnen sind nun dem Zusammenhang auf die Spur gekommen, wie dies den Zellen der Flugmuskulatur zugutekommt. Sie sequenzierten das Genom des Langschwanz-Schattenkolibris und verglichen dieses, sowie die Genome weiterer Kolibriarten, mit dem Erbgut von 45 anderen Vogelarten, darunter Hühner, Tauben und Adler. In allen untersuchten Tieren fehlte dabei das Gen für das Muskelenzym Fructose-Bisphosphatase 2 – kurz: FBP2. 

Viele Kolibri-ArtenKolibri sind sowohl mit den Seglern als auch mit den Baumseglern nahe verwandt. Es gibt über 300 Kolibriarten, darunter befindet sich mit der Bienenelfe die kleinste Vogelart überhaupt – sie misst samt Schnabel und Schwanzfedern nur 6 cm. Mit ca. 22 cm Länge ist der Riesenkolibri der grösste Vertreter der Familie. Viele Kolibriarten leben in tropischen Regenwäldern. Weil ihr Lebensraum immer kleiner wird, gelten einige Arten als bedroht.

Gesteigerter Zuckerstoffwechsel 

Dieses Gen fehlte bereits im gemeinsamen Vorfahren aller Kolibris und zwar vor rund 48 bis 30 Millionen Jahren, als sich der charakteristische Schwebeflug entwickelte und Blütennektar zur Hauptnahrung wurde. Das gezielte Ausschalten des FBP2-Gens steigert den Zuckerstoffwechsel, dies konnten die ForscherInnen mit Experimenten in Muskelzellen zeigen. Auch stiegen die Anzahl und Aktivität der Mitochondrien, welche für die Energieproduktion wichtig sind. Da das Gen für FBP2 ausschliesslich in Muskelzellen vorkommt, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Verlust dieses Gens in den Vorfahren der Kolibris vermutlich einen wichtigen Schritt für Anpassungen des Muskelstoffwechsels darstellt, der für den Schwebeflug erforderlich ist, erklärt der Studienleiter Michael Hiller. Die Studie zeigt, wie der Verlust eines Gens adaptiv sein kann.  

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