Der Klimawandel wärmt die Erde – und das hat weitreichende Folgen. So auch in der arktischen Tundra, wo die Permafrostböden auftauen. Diese Böden speichern grosse Mengen Methan, dessen Treibhauseffekt um einiges stärker wirkt als der von CO2.

Gegen diese Auftauung des Permafrostes könnte es ein wirksames Mittel geben: Tiere – und zwar grosse Pflanzenfresser wie Pferde, Wisente, Moschusochsen, Rentiere und Elche. In seiner diese Woche im Fachblatt «Scientific Reports» erschienenen Studie berechnete der Bodenkundler Christian Beer von der Universität Hamburg: Rein theoretisch könnten die Tiere 80 Prozent der Permafrostböden bis ins Jahr 2100 bewahren.

Da gibt es aber natürlich einige praktische Hindernisse – aber erst mal: Wie soll das überhaupt funktionieren? Zu seinen Berechnungen inspiriert wurde Beer vom russischen Forscher Sergej Simow und dessen Sohn Nikita, die seit zwei Jahrzehnten im Nordosten Sibiriens in der Nähe des Dorfes Tscherski ein ungewöhnliches Experiment durchführen – und damit immer mal wieder für Schlagzeilen sorgen. In ihrem «Pleistozän-Park» versuchen sie, die Mammutsteppe der Eiszeiten wiederherzustellen. Ihre Idee: Diese höchst produktive Graslandschaft, bevölkert von einer hohen Dichte von Pflanzenfressern, zieht Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichert es im Boden.

ZDF-Reportage aus dem Pleistozän-Park

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Die Tiere sorgen dafür, dass der Permafrost nicht auftaut, indem sie die Schneedecke niedertrampeln und aufgraben, so dass sie an das Gras darunter gelangen können. Ist die isolierende Schneedecke dünner oder fehlt sie ganz, kann der Boden darunter besser auskühlen. Zudem strahlt das Gras viel Sonnenlicht zurück, so sich der Boden auch weniger erwärmt.

Das ginge alles auch ganz ohne Mammuts, glauben die Simows, so lange genug andere grosse Pflanzenfresser anwesend seien. Trotzdem gibt es Bemühungen von Forschern, die ausgestorbenen Mammuts zu klonen (lesen Sie hier mehr dazu). Und auch die Anwesenheit von einigen Mammuts oder Elefanten im Pleistozän-Park hätten die Simows trotzdem nichts einzuwenden.

Wie die Simows herausgefunden haben, braucht es 100 Grasfresser auf einem Quadratkilometer, um die Dicke der Schneedecke auf die Hälfte zu reduzieren. Auf dieser Grundlage basierten Beer und sein Team ihr Modell. Ohne Tiere, so kamen sie zum Schluss, werden sich die Permafrostböden weltweit bis 2100 um 3,8 Grad Celsius erwärmen – die Hälfte wird auftauen. Mit Tieren erwärmen sie sich lediglich um 2,1 Grad. Damit würden 80 Prozent erhalten bleiben.

Positive Effekte überwiegen
«Natürlich ist es utopisch, Herden wilder Tiere in alle Permafrost-Regionen der nördlichen Hemisphäre umzusiedeln», sagt Beer in einer Medienmitteilung. «Unsere Resultate zeigen aber, dass auch weniger Tiere einen kühlenden Effekt haben könnten.» Die Methode sei vielversprechend. Ins Modell eingeflossen sei auch die Tatsache, dass die Tiere im Sommer die kühlende Moosschicht zerstörten. Die positiven Effekte im Winter überwiegten aber.

Als nächstes möchte Beer Berechnungen anstellen, wie sich Herden von Pflanzenfressern in der Tundra ausbreiten würden. Erreichen sie irgendwann so hohe Dichten wie zu Zeiten der Mammutsteppe, würde die Tundra wohl auch wieder in eine solche umgewandelt.

Das mag das Ziel der Simows sein, doch ist die Mammutsteppe schon seit Tausenden von Jahren von diesem Planeten verschwunden. Die Tundra dagegen wie wir sie heute kennen, ist ein wertvolles Ökosystem für sich. Sie dient unzähligen Vögeln als Brutgebiet, so auch dem bei uns hochgradig bedrohten Flussuferläufer und der in der Schweiz fast ausgestorbenen Bekassine. Häufige Wintergäse wie die Tafelente brüten ebenfalls in der Tundra. Sie alle sind auf die ausgedehnten Feuchgebiete angewiesen. Eine komplette Rückverwandlung der Tundra in eine Mammutsteppe, könnte dem Klima und den grossen Pflanzenfressern der Arktis guttun, hätte wohl aber einschneidende Konsequenzen für viele andere Arten.