Lara möchte sich partout nicht hinlegen. Viel lieber bleibt die dreijährige Vizslahündin in ständig leichter Bewegung auf den Beinen. Überhaupt ist Lara eine sehr aktive Hündin. In letzter Zeit jedoch zeigt sie sich zunehmend bewegungsfauler und muss stärker motiviert werden. Selbst den Kopf möchte sie nicht mehr zu ihrer Halterin hochdrehen. 

Wenn junge Hunde wie Lara Bewegungen meiden oder beim Training bestimmte Übungen nicht mitmachen wollen, wird Physiotherapeutin Jeannine Piron aus Rikon ZH hellhörig. «Dies kann an Blockaden, Fehlstellungen oder Verspannungen liegen, die beim Hund Unwohlsein oder Schmerzen auslösen.» Zunächst nehmen die Besitzer von betroffenen Hunden deren Verspannung häufig nicht wahr, da der Hund sich einfach irgendwie weiterbewegt. So, wie es für ihn am besten geht. «Die Hunde sind zwar steifer unterwegs, zeigen kurzfristig aber meistens nur kleine Unterschiede im Verhalten, denn sie möchten dem Besitzer gefallen und je nach Arbeitsdrang werden Schmerzen auch kurzzeitig ausgeblendet», erklärt Piron. 

Erst später, wenn die Verspannungen Schmerzen bereiten, meiden die Hunde entsprechende Bewegungen und kompensieren diese durch andere. «Solche Hunde sind nicht mehr geschmeidig und federnd unterwegs, was eine verminderte Gelenksbeweglichkeit mit sich bringt», erklärt die Hundephysiotherapeutin.

Um sich richtig zu entspannen, braucht es ausreichend Ruhe in einer sicheren Umgebung.

Jeannine Piron<br/>Physiotherapeutin

Entspannung will früh geübt sein
Langfristig könne es so früher oder später zu körperlichen Folgeschäden an Rücken oder Gelenken kommen. Das hat weitere Folgen: Der Körper wird schlechter durchblutet, es kann zu Leistungsabbau und schlechterer Konzentration kommen.

Während bei älteren Hunden Verspannungen meist schmerzbedingt durch Abnützung auftreten, sieht Piron bei jüngeren Tieren den Grund vor allem darin, dass betroffene Hunde nicht ausreichend Entspannung erfahren. «Kommt ein Hund wegen seinem Temperament, wegen Überbelastung oder Stress nicht zur Ruhe, dann steigt sein Stresslevel im Körper.» Folglich steht der Hund immer mehr unter Strom. Ein Teufelskreis beginnt. «Die psychische wie körperliche Unausgeglichenheit erzeugt noch mehr Spannung und Versteifung. Das wiederum führt oftmals zu Schmerzen, die in mehr Daueranspannung resultieren.» 

Um solche Auswirkungen zu vermeiden, rät Piron dazu, Hunden bereits als Welpe oder Junghund beizubringen, gezielt abzuschalten. «Um sich richtig zu entspannen, braucht es natürlich ausreichend Ruhe in einer sicheren Umgebung.» Das fällt insbesondere hibbeligen oder arbeitsfreudigen Hunden wie Lara schwer. Sie können nur schlecht «runterkommen» und sind schneller auf Dauerspannung als ruhige, gelassene Vierbeiner. Den Aktivitätsgrad eines Hundes kann Piron übrigens bereits an ihrem Muskeltonus erkennen. «Eine Bulldogge ist anders in der Spannung als ein Terrier oder Malinois.»

Massagen lösen Verklebungen
Auch Laras Unwille, sich zu bewegen, lag an Verspannungen der Muskulatur. Behandelt wurde die Vizslahündin mit einer noch selten in der Tiermedizin eingesetzten Methode bei Ulrike Neff. Die deutsche Tierärztin mit Zusatzbezeichnung «Physikalische Therapeutin» therapierte Lara mit der bereits aus der Humanmedizin bekannten Muskel-Energie-Technik. «Bei dieser Methode bewegt der Patient seine Muskulatur aktiv in eine vorgegebene Richtung und gegen einen Widerstand und kann sich so selbst korrigieren», sagt Neff.

Einen Menschen kann ich bitten, seinen Ellbogen gegen einen gesetzten Widerstand zu beugen und in dieser Situation die Spannung über ein paar Sekunden zu halten – bei einem Tier wird das schon deutlich schwieriger.

Ulrike Neff<br/>Tierärztin

Die korrigierende Kraft muss allerdings vom Patienten ausgehen und nicht vom Therapeuten. «Dafür muss der Patient mitarbeiten, ansonsten funktioniert die Technik nicht.» Mache der Hund mit, könnten muskeleigene Erkrankungen, Funktionsstörungen, Bewegungseinschränkungen und Gelenkprobleme gut behandelt werden – jedoch mit Einschränkung. «Einen Menschen kann ich bitten, seinen Ellbogen gegen einen gesetzten Widerstand zu beugen und in dieser Situation die Spannung über ein paar Sekunden zu halten – bei einem Tier wird das schon deutlich schwieriger.» Hier liegt dann auch der sprichwörtliche Hund begraben: Die Methode steckt bislang für Tiere noch immer in den Kinderschuhen, in der Schweiz wird sie nicht angeboten.

Hierzulande finden muskelverspannte Hunde weiterhin Erlösung durch beispielsweise Massagen. «Massagen können Verspannungen, Blockaden und sogar Verklebungen von Gewebe an der oder um die Muskulatur lösen», erklärt Jeannine Piron. Ob der Hund nun sehr aktiv ist oder aber aufgrund einer Verletzung vielleicht humpelt: Verspannt ist dabei auch meist der Rücken. «Dort verkleben sich diverse Gewebeschichten, worauf sich die Muskulatur erhärtet.» Während die
Physiotherapeutin den Hund behutsam durchknetet, löst sie zuerst die Verklebungen, um sich danach Schicht für Schicht in die Tiefe vorzubewegen. Für den angespannten Hund ist das die pure Entspannung.