Es sind die Dauerbrenner unter den Katzenhaltern: «Katzen kann man nicht erziehen!» und «Meine Katze macht eh, was sie will!» Tatsächlich scheint es im Alltag der Regelfall zu sein, dass die Katze den Menschen erzieht. «Dafür verwendet die Katze die Grundprinzipien des Lernens: Belohnung und Strafe», sagt Eva Waiblinger, Zoologin beim Schweizer Tierschutz und ausgebildete Verhaltensbiologin und Tierpsychologin. «Katzen belohnen uns auf die sanfte Tour, mit Schmusen und Schnurren, bestrafen uns dagegen durch Nichtbeachtung oder Krallenhiebe.»

Doch auch Katzen seien «erziehbar» und lernfähig – wenn man die richtigen Methoden kenne und nutze, sagt Waiblinger: «Den Haltern sollte bewusst sein, dass es ein enormer Zeitaufwand ist und viel Geduld verlangt.» Letztlich müsse man auch wissen, wie Lernen bei Tieren geht und wie die eigene Katze tickt. Denn unsere Stubentiger zeigen sich im Zusammenleben mit dem Menschen sehr individuell; jede kommuniziere und interagiere auf ihre eigene Art mit ihrem Menschen und lerne aus den gemachten Erfahrungen.

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Was eine Katze im Alltag beherrschen sollte oder nicht, hängt laut Waiblinger nicht nur davon ab, was eine Samtpfote macht oder eben nicht macht. «Entscheidend sind die individuellen Wünsche des Halters und die Anforderungen der Tierhaltung: Korbtraining für Tierarztbesuche ist durchaus nützlich für Katze und Mensch.» Bei manchen Eigenschaften müssten sich die Halter jedoch bewusst sein, dass diese auch bei bester Erziehung kaum abgestreift werden. So sei unseren Katzen beispielsweise das Jagdverhalten angeboren. «Solch grundlegende, artspezifische Verhaltensweisen kann man kaum abtrainieren.» Baden wiederum sei bei den meisten Büsi vom biologischen Normalverhalten weit entfernt und daher einer abgeneigten Katze kaum beizubringen. Für alles andere gelte: «Es braucht Bereitschaft aufseiten der Katze, Wissen und Geduld beim Halter – und viele attraktive Leckerli.»

Erziehen ist nie nur ganz nett
Ohne grundsätzliches Wissen zur Konditionierung und zu den Grundlagen der Lerntheorie wird allerdings auch der ambitionierteste Halter an seiner Katze und an sich verzweifeln. Nach aktuellem Wissensstand lernen Katzen vor allem mit zwei bekannten Lernmethoden, erklärt Waiblinger: «Bei der sogenannten operanten Konditionierung mit Verstärker wird etwas Positives hinzugefügt.» Wie beim Hundetraining werden die einzelnen Lernschritte der Katze mit Clicker bestätigt und anschliessend mit einem Leckerli belohnt. «Bei der anderen Lernmethode wird etwas Angenehmes weggenommen. Nach einer Weile merkt die Katze, dass ihr Verhalten nicht zum Erfolg führt.» Diese zweite Methode führe aber zu Frust beim Tier. Dies gelte es zu vermeiden, denn die Katze sei sonst nicht mehr kooperationsbereit.

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Waiblinger rät dazu, sich bereits im Vorfeld zu überlegen, was man in welchem Zeitraum erreichen will und welche Vorgehensweise sinnvoll ist. Oftmals führten alternative Wege schneller zum Ziel. «Die Katze auf das problemlose Schlucken der Wurmpille viermal im Jahr zu trainieren, wäre ein unnötig grosser Aufwand.» Sich den Überraschungseffekt zunutze und dies im Anschluss wieder gutzumachen, erachtet die Zoologin als bessere Alternative. «Soll die Katze nicht auf den Tisch springen, ist es ein schwieriges Unterfangen, ihr dies durch operante Konditionierung beizubringen.» Viel simpler sei es, den für die Katze angenehmen Reiz verschwinden zu lassen. «Mit der Zeit geht dann auch das unerwünschte Verhalten weg.» 

Seinem Willen selten mal mit lauter Stimme oder Abdrängen Nachdruck zu verleihen ist für Waiblinger kein Weltuntergang. «Wenn eine solche Bestrafung nicht zur Regel wird, verkraftet das eine gute Katze-Mensch-Beziehung.» Eine reine Bestrafung sei hingegen ein No-Go: «Das würde bedeuten, dem Tier Unangenehmes oder gar Schmerzen zuzufügen.»

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Schnelle und langsame Lerner
Wie schnell eine Katze lernt, kann selbst Eva Waiblinger nicht voraussagen. «Das hängt zum einen vom individuellen Zustand des Tieres ab, da Lernen Impulskontrolle und Konzentration verlangt. Zum anderen kann man die Biologie des Tieres nicht ändern.»  Möglich sei aber, das vorhandene Verhalten zu formen, um damit das Zusammenleben einfacher gestalten zu können. «Prinzipiell ist aber keine Katze zu alt, auch etwas Neues zu lernen!»

Vom Menschen lernen sei aber nur möglich, wenn das Büsi gut vom Menschen sozialisiert wurde und somit ihm gegenüber ein Grundvertrauen spüre. Hierfür sei die Zeit zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche ausschlaggebend. Was in dieser Phase verpasst wurde, sei nur schwer nachzuholen. Bei der Sozialisierung sollten es Halter dennoch nicht übertreiben. Von Kittentreffen à la Welpengruppe hält die Verhaltensbiologin  nämlich nichts. «Die Katze ist kein Gruppentier, ein Ortswechsel und fremde Katzen sind meist ein Problem.» Jungkatzen würden vor allem von Mutter und Geschwistern sowie den Lebewesen im eigenen Haushalt lernen. 

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