Der Drang des Pferdes, die Nähe von Artgenossen zu suchen, ist ein Ur­instinkt. Denn in freier Wildbahn sind einzelne Pferde leichte Beute für hungrige Raubtiere – ihre Überlebenschancen sinken gegen null. Der Trieb, der in der Natur sinnvoll ist, wird in der modernen Pferdehaltung allerdings immer wieder zum Problem. Etwa wenn Pferde an ihren Weidekumpels so sehr kleben, dass sie nicht alleine vom Hof oder von der Gruppe weggeritten werden können.

«Rangniedrige Pferde neigen in der Regel eher zum Kleben. Neben der individuellen Veranlagung spielt es aber auch eine wichtige Rolle, wie gut das Pferd an das Alleinsein gewöhnt wurde», sagt der Pferdetrainer Werner Meier, der seit 24 Jahren Inhaber des Grubhofes in Lustdorf bei Frauenfeld TG ist. «Dazu muss man kontinuierlich, mit viel Ruhe und in ganz kleinen Schritten arbeiten.»

Das könne zum Beispiel so aussehen, dass man ein junges Pferd von der Weide holt, es einige Minuten am Putzplatz anbindet und es wieder zurückbringt. Irgendwann verstehe das Pferd, dass es nach einer Weile immer wieder zur Herde zurückkehrt, und bleibe auch dann ruhig, wenn es einmal etwas länger ohne Pferdegesellschaft auskommen müsse, erklärt Meier, der nach 17 Jahren im Dressursattel 1984 auf die Westernreiterei umstieg und bei bekannten Trainern wie Fredi Knie senior, Jean-Claude Dysli und Ray Hunt in die Schule ging.

Nach dem gleichen Prinzip kann man ein Pferd auch daran gewöhnen, gelegentlich alleine auf der Weide zu bleiben. Ohne gründliche Vorbereitung ist gerade bei Pferden, die ohnehin zum Kleben neigen, das Risiko hoch, dass sie Panik bekommen, über Zäune springen und sich und andere verletzen.

Geduld statt Gewalt
Die Arbeit mit einem Kleber, der sich nicht mehr alleine vom Hof reiten lässt, verlangt vor allem Geduld. «Dann reitet man am ersten Tag eben nur 20 Meter vom Hof weg und kehrt danach wieder um, und zwar schon, bevor sich das Pferd aufregt. Tag für Tag kann die Strecke dann um einige Meter verlängert werden», sagt Werner Meier. Lässt sich das Pferd unter dem Sattel überhaupt nicht mehr vom Hof bewegen, sollte man es zunächst einfach führen.

Völlig kontraproduktiv sind «Überzeugungsversuche» mit Peitsche und Sporen. Nach so einer groben Behandlung hat das Pferd eher auch noch Angst vor dem Reiter und wird ihm erst recht nicht mehr willig folgen. Besser ist es, das Selbstbewusstsein und Vertrauen des Pferdes mit Bodenarbeit und viel Lob für jeden Schritt in die richtige Richtung zu stärken. Wer unsicher ist, sollte sich von einem erfahrenen Ausbilder helfen lassen.

Will man einem Pferd bei Gruppenausritten das Kleben abgewöhnen, ist Teamarbeit gefragt. «Zunächst würde ich das Pferd nur etwa zehn bis 15 Meter von der Gruppe wegreiten, während die anderen Pferde stehen bleiben», rät Meier. «Erst wenn es bei dieser Übung ruhig und sicher ist, kann man einen Schritt weiter gehen: Dann gehen die anderen Pferde im ruhigen Schritt weiter, während man sich von der Gruppe entfernt.» Von heute auf morgen lasse sich das Problem so aber nicht abstellen – rund 10 bis 20 Sessionen seien normalerweise notwendig, bevor sich ein ehemaliger Kleber problemlos alleine vorausreiten, abwenden oder anhalten lasse.