Vereiste Wege im Gelände, frühe Dunkelheit und ungemütliches Wetter: Im Winter sind viele Reiterinnen und Reiter froh, wenn sie ihre vierbeinigen Partner in einer Halle bewegen können. Denn die Bewegungsbedürfnisse des Pferdes ändern sich in der kalten Jahreszeit nicht und die Tierschutzgesetzgebung schreibt vor, dass ihnen unabhängig von Witterungs- und Lichtverhältnissen täglich Auslauf gewährt werden muss. 

Der Schweizerische Verband für Pferdesport SVPS und der Berufsverband der Pferdebranche Swiss Horse Professionals SHP haben sich deshalb vor dem zweiten Corona-Lockdown mit Erfolg dafür eingesetzt, dass Anlagen für den Reitsport explizit von der Schliessung der Freizeit- und Sportanlagen ausgenommen wurden. Sie argumentierten mit dem Tierwohl, aber auch mit der Sicherheit der Reiterinnen und Reiter oder Personen, die sich um die Pferde kümmern. Die Reithallen sind deshalb in weiten Teilen der Schweiz weiter geöffnet, nur vereinzelte Kantone haben strengere Massnahmen verordnet. 

Social Distancing, also das Abstandhalten, ist ohnehin gegeben, wenn man im Sattel sitzt und je einen Meter Pferd vor und hinter sich hat. In vollen Reithallen ist das grössere Problem, dass viele Pferde es nicht mögen, wenn ihnen andere Tiere zu nahe kommen, oder sie lassen sich anstecken, wenn andere Vierbeiner übermütig sind und vergnügt losbocken. Pferde reagieren sehr sensibel auf die Stimmung und die Signale ihrer Artgenossen und bekommen mit, wenn diese hektisch, nervös oder gereizt sind. 

Wird in einer durchschnittlich grossen Halle mit 800 Quadratmetern Fläche gleichzeitig geritten, longiert und geführt, kann das zu einem Tohuwabohu führen, das die Nerven von Pferd und Reiter arg strapaziert. Daher gelten wie im Strassenverkehr bestimmte Regeln, durch die gefährliche Situationen wie Zusammenstösse minimiert und ein entspanntes Miteinander erst möglich wird. So gibt es gemäss individueller Betriebsordnung eine vorgeschriebene Höchstanzahl an zugelassenen Reiter-Pferd-Paaren. Einige fortschrittliche Reitanlagen wie der Horse Park in Dielsdorf ZH verfügen über ein Online-Reservationssystem.  

Linke Hand hat Vortritt
Möchte ein Reiter die Bahn betreten oder verlassen, kündigt er seine Absicht mit einem lauten, deutlichen «Tür frei, bitte» an und wartet ab, bis von den Mitreitern ein «Tür ist frei» zurückkommt. Um in den Sattel zu gelangen, geht man in die dafür vorgesehene Ecke mit der Aufstieghilfe oder in die Mitte der Halle, um andere Reiter nicht zu stören.

Ist ein Reiter im Schritt unterwegs, sei es zum Aufwärmen, zur Entspannung nach einer anspruchsvollen Lektion oder nach dem Training, begibt er sich dafür auf den zweiten (1,5 Meter Platz zur Bande) oder dritten Hufschlag (drei Meter Abstand). Die äussere Spur bleibt für Reiter in schnelleren Gangarten frei. Wer beim Warmreiten gerne mit der Stallkollegin plaudern würde, sollte auf längeres Nebeneinander verzichten, damit die anderen ungestört ihre Bahnfiguren reiten können. Und da beim Reiten ohnehin ein gewisses Mass an Konzentration gefragt ist, sollte das Handy in der Jackentasche bleiben.

In der Reithalle hat derjenige Reiter Vortritt, der sich auf linker Hand befindet, also gegen den Uhrzeigersinn reitet. Wer auf rechter Hand reitet, der weicht nach innen, wenn ihm jemand entgegenkommt. Gekreuzt wird immer so, dass man sich die linke Hand geben kann – wie im Strassenverkehr. 

Wer «ganze Bahn» reitet, also auf dem äus­seren Hufschlag rund um die Halle, hat aus­serdem Vortritt gegenüber Reitern, die Volten, Schlangenlinien oder andere Figuren üben. Ganze Paraden (Anhalten) übt man ebenfalls nicht auf dem ersten Hufschlag. Beim Hintereinanderreiten sollten mindestens drei Meter Abstand zwischen den Pferden liegen, damit sich kein Pferd bedrängt fühlt und sich dagegen mit Ausschlagen wehrt. Hinter langsameren Reitern wendet man am besten auf eine gebogene Linie ab, muss überholt werden, dann sollte auf jeden Fall ein ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden. 

Das A und O für ein funktionierendes Miteinander in der Reithalle ist gegenseitige Rücksichtnahme: Sind schwächere Reiterinnen oder Reiter in der Halle oder solche mit jungen, unerfahrenen oder sehr nervösen Pferden, sollte man nicht stur auf seinem Vortrittsrecht beharren, sondern auch von sich aus einmal ausweichen oder sogar stehen bleiben, wenn es die Situation erfordert. Wie beim Autofahren im dichten Stadtverkehr, verlangt das Reiten in einer vollen Halle Konzentration, ständige Bremsbereitschaft und ein vorausschauendes Verhalten. 

Besondere Vorschriften
Lässt sich das Pferd vom geschäftigen Durcheinander rund herum dennoch ablenken, hilft es, seinen «Kopf» mit immer wieder neuen, abwechslungsreichen Lektionen zu beschäftigen. Etwa Schlangenlinien, Übergänge, Tempi-Wechsel in allen Gangarten, Seitengänge oder Kurzkehrt. Dank dieser Aufgaben wird sich das Pferd automatisch konzentrieren und hat dann keine Augen und Ohren mehr für den Trubel, der ihn umgibt. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Reiter. 

Wer für sein Training Hilfsmittel wie Pylonen, Stangen oder Cavalettis benötigt, räumt diese am Ende wieder weg und verstaut sie am dafür vorgesehenen Ort. Sättel, Decken und Jacken gehören weder auf den Hallenboden noch auf die Hindernisse. Sind andere Reiter in der Halle, darf nur gesprungen werden, wenn alle damit einverstanden sind. Das gilt auch für das Longieren. Für beides gibt es in den meisten Reitbetrieben besondere Vorschriften. Für Springtrainings sind zum Beispiel bestimmte Abende vorgesehen und das Longieren ist nur dann erlaubt, wenn sich nicht mehr als drei Reiter in der Halle befinden. Auch für Handarbeit und Bodentraining gibt es meistens stallspezifische Regelungen.

Keine Ausnahmen gibt es in Bezug auf das Entfernen von Pferdeäpfeln: Jeder sammelt schnellstmöglich ein, was sein Vierbeiner hinterlassen hat. Die anderen Reiter in der Halle achten derweil darauf, dass sie nicht über den Mist reiten und diesen verteilen. Beim Verlassen der Halle werden die Hufe am dafür vorgesehenen Ort ausgekratzt und der Sand anschliessend weggewischt.

Halten sich alle an die genannten Regeln, wird der Aufenthalt in gut gefüllten Reithallen nicht zum Überlebenstraining und der Spass am Reiten bleibt erhalten.