Es knackt gewaltig im Unterholz. «Wiah» für loslaufen, «wüscht» (nach links) oder «hott» (nach rechts) hallt es tief aus dem Wald heraus. Trittsicher bahnen sich der pechschwarze Percheron, ein französisches Kaltblut, und sein Führer Christian Weissenbacher einen Weg zwischen den Bäumen hindurch Richtung Waldstrasse. Im Schlepptau hat das Holzrückpferd einen stattlichen Baumstamm, den es, angekommen auf dem befahrbaren Weg, zentimeter genau zu platzieren gilt. Der gelernte Forstwart weist seinen vierbeinigen Partner dazu mit klaren Kommandos an. Sein Umgang mit Pferden ist konsequent, aber immer auch kameradschaftlich. Die Arbeit mit Pferden liegt Chrigel, wie ihn alle nennen, im Blut. Er ist mit schweren Pferden aufgewachsen, schon sein Vater besass in Bayern eine Fuhrhalterei. Heute lebt Christian Weissenbacher in Dürrenäsch AG und arbeitet mit seinen beiden Hengsten ganzjährig und hauptberuflich in der Holzbringung und erledigt Aufträge im Weinbau. Zusätzlich bietet er Planwagenfahrten und Einführungskurse in das alte Handwerk des Holzrückens an. Hobbymässig hilft er mit seinen Pferden auch mal einem befreundeten Landwirt beim Eggen, Pflügen und Mähen.

In der Ruhe liegt die Kraft

Den gekörten Deckhengst Rubin hat Chrigel in jungen Jahren aus Deutschland importiert und dann selber ausgebildet. Im Alter von knapp drei Jahren kann mit der Angewöhnung an die Aufgabe des Arbeitspferdes begonnen werden. «Ein ganzes Jahr lang trainieren wir nur zu Hause. Erst wenn das Pferd an die Zugarbeit gewöhnt ist und alle Stimmkommandos perfekt sitzen, geht es in den Wald», erklärt der Pferdefachmann. Ausgerüstet ist der Percheron dazu mit einem Kummetgeschirr, das das Zuggewicht besser als ein Brustblattgeschirr verteilt. Seine Hufe sind beschlagen und zur Arbeit im unwegsamen Gelände immer mit Stollen versehen, damit er besseren Halt hat.

Nicht nur die Anweisungen muss ein Holzrückpferd genaustens kennen und umsetzen können. Auch im unebenen Gelände, mit schwerer Zuglast und in unmittelbarer Nähe von kreischenden Motorsägen und riesigen Waldmaschinen die Ruhe zu bewahren, will erst gelernt sein. «Wichtig ist, dass auch der Fuhrmann selbst in jeder Situation die Ruhe behält», weiss Chrigel. Rubin ist mittlerweile siebenjährig und verbringt seine Freizeit gemeinsam mit seinem Holzrückkumpel und einem Ponyhengst auf der Weide oder im Auslauf. Als Ausgleich zur schweisstreibenden Arbeit im Wald darf er auf ausgedehnte Ausritte.

Einen Ausgleich zur Arbeit findet Christian Weissenbacher für die Pferde wichtig, nur so bewahren sie einen klaren Kopf. Eine der wichtigsten Voraussetzungen, die seiner Meinung nach ein Holzrückpferd mitbringen soll. Auch der Körperbau muss stimmen – hier ist eine kräftige Statur mit kurzen Beinen gefragt, natürlich muss das Pferd in guter gesundheitlicher Verfassung und angemessen trainiert sein. Rubin bringt das stolze Gewicht von einer Tonne auf die Waage, über kurze Strecken vermag er das Dreifache seines Körper-gewichts zu ziehen. Wer so viel leistet, der muss auch genügend und gut essen. «Meine Pferde haben rund um die Uhr Zugang zu qualitativ hochwertigem Heu, zusätzlich erhalten sie Hafer als Energielieferanten», führt Christian Weissenbacher aus. Gut und gerne 30 Kilogramm Raufutter verspeist Rubin pro Tag.

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Kombination von Pferd und Maschine

«Die Arbeit mit Pferden muss eine Leidenschaft sein, denn es steckt viel zeitlicher und finanzieller Aufwand dahinter, den einem niemand bezahlt», erklärt der Pferdenarr. Viele würden über den Betrag staunen, den Weissenbacher für Einsätze im Wald oder im Weinberg verlangt. Oft vereinbart er mit Interessenten die Bearbeitung von kleinen Probeflächen, um zu schauen, ob seine Arbeit mit einer Pferdestärke den Erwartungen entspricht. Auf einem Weinberg im Thurgau haben Rubin und Christian Weissenbacher kürzlich innerhalb von einem Tag auf abschüssigem Gelände Hunderte von alten Weinstöcken ausgerissen. Das war harte Arbeit für Pferd und Mensch, aber der Weinbauer zeigte sich am Abend begeistert vom Ergebnis.

Bei steilem oder schwer zugänglichem Gelände eignet sich das Pferd hervorragend für Arbeiten. «Ideal ist, wenn Pferde und Maschine in Kombination arbeiten können», weiss der Holzrückspezialist. Mit dem Pferd können die Stämme aus dem dichten Wald bis zu einer Strasse geholt werden, dort übernimmt die Waldmaschine den Weitertransport. Die Holzbringung mit dem Pferd ist viel bodenschonender als mit schweren Maschinen, diese verdichten den Boden und sorgen so dafür, dass Wasser nicht mehr gut gespeichert werden kann. Am Baumbestand entstehen zudem viel weniger Schäden. Christian Weissenbacher ist überzeugt: «Wir müssen Sorge zu unserer Umwelt tragen, damit wir weiterhin von und mit ihr leben können. Dazu will ich mit den Pferden einen Beitrag leisten.»

Für Einsätze im Wald nimmt Weissenbacher immer seine beiden Pferde mit, ein Hengst kommt morgens, der andere nach-mittags zum Einsatz. Verheizen will er seine Partner nicht. Bei aller Professionalität und Vorsicht kann es dennoch zu brenzligen Situationen kommen, verrät der Forstwirt. Dann nämlich, wenn Pferd und Führer beim Bergabgehen plötzlich von einem Baumstamm eingeholt werden. Doch selbst in dieser Situation verliert sein Jollyhengst, wie Weissenbacher Rubin liebevoll nennt, nicht die Nerven. Auf ihn ist eben Verlass. Das Holzbringungsteam ist in der ganzen Schweiz unterwegs. «Wir leisten da Einsätze, wo es uns braucht.» Den drei engagierten Mannen und unseren Wäldern sei zu gönnen, dass sie noch viel öfter zum Zug kommen.