Viele Stuten sind während der Trächtigkeit einer Doppelbelastung ausgesetzt. Sie sollen das Fohlen austragen, aber gleichzeitig auch weiterhin ihre Dienste als Reitpferd tun. Ein Problem ist das nicht – vorausgesetzt, das Training ist stressfrei und wird dem Stadium der Trächtigkeit und dem individuellen Gesundheits- und Fitnesszustand der Stute sorgfältig angepasst. Zusätzlich sollte sich die Stute zusammen mit Artgenossen in einer harmonischen Gruppe frei auf grossen Weiden bewegen können.

Diese artgerechte Haltung entspricht am ehesten dem natürlichen Verhalten trächtiger Stuten, die sich auch in freier Wildbahn während der gesamten Trächtigkeit gemeinsam mit ihrer Herde bewegen. Sie wirkt sich positiv auf die Grundkondition, den Kreislauf, Stoffwechsel und die seelische Ausgeglichenheit der werdenden Mütter aus. Traditionell setzen auch Gestüte auf das natürliche Bewegungsprogramm, so das Gestüt von Hof in Oberkirch LU, wo Stuten entweder vor oder nach ihrem Zuchteinsatz auf Turniere gehen.

Sporteinsätze sind gefährlich
«Wir halten unsere Stuten, auch tragende und säugende mit ihren Fohlen, in einer Gruppe mit etwa 20 Tieren», sagt Gestütsleiter Josef Hellmüller. Da die Stuten auf der Weide und im Laufstall sowieso immer in Bewegung seien, könne individuell mit ihnen gearbeitet werden. Je nachdem, in welcher Verfassung sie gerade seien. «Um die Stuten nicht zu überlasten, setzen wir auf leichtes Training, zum Beispiel an der Longe oder Dressurarbeit», sagt Hellmüller. «Grundsätzlich springen wir mit trächtigen Stuten nicht und nehmen nicht an Wettkämpfen teil. Hochträchtige Stuten werden gar nicht geritten.»

Den Luxus, die sportliche Karriere von dem Einsatz als Zuchtstute zeitlich zu trennen, leisten sich nicht alle Züchter. Häufig soll die Stute ihr Können nicht nur an den Nachwuchs vererben, sondern nach einer sechswöchigen «Arbeitspause» in der Zeit der Belegung auch weiter Schleifen sammeln. Dahinter können wirtschaftliche Überlegungen stecken: Ist eine Stute erfolgreich, steigt der Wert ihres Fohlens. Hobbyzüchter stehen vor dem Dilemma, dass sie sich zwar ein Fohlen von ihrer Stute wünschen, aber nicht auf eine ganze Turniersaison verzichten wollen.

Wie sich der doppelte Einsatz auswirkt, wird auch in Fachkreisen kontrovers diskutiert. «Konkrete wissenschaftliche Studien zu diesem Thema gibt es keine», sagt Dominik Burger, stellvertretender Leiter des Schweizerischen Instituts für Pferdemedizin der Universität Bern und Agroscope in Avenches VD. «Empirisch wird berichtet, dass der Einsatz von Stuten in den ersten vier Monaten der Trächtigkeit, in Spring- und Dressurprüfungen noch länger, problemlos möglich sei.»

Kontroverses Veterinärreglement
In ihrem Verhaltenskodex untersagt die FEI, Stuten ab dem vierten Trächtigkeitsmonat beziehungsweise in Laktation an Prüfungen teilnehmen zu lassen. In der Schweiz regelt das Veterinärreglement seit 2014, dass Stuten ab dem siebten Trächtigkeitsmonat und bis zum Ende des dritten Monats nach der Geburt nicht im Sport eingesetzt werden dürfen. Beim Distanzreiten sind laktierende Stuten hierzulande überhaupt nicht zugelassen, an Trabrennen dürfen Stuten frühestens sechs Monate nach der Geburt eines lebenden Fohlens teilnehmen.

Bei seiner Einführung wurde das Veterinärreglement von einigen als zu streng kritisiert, während es anderen Zuchtverbänden und Tierärzten nicht weit genug ging. Denn je nach Ausbildung der Abdominalmuskulatur wird die Trächtigkeit einer Stute zwar erst ab dem siebten bis neunten Monat von aussen sichtbar. Doch die Gebärmutter mit dem Fötus sinkt schon ab dem fünften Trächtigkeitsmonat in die Bauchhöhle ab.

«Ab dem fünften Monat drückt die zunehmende Masse des Uterus indirekt auch auf das Zwerchfell und schränkt damit die Funktionalität des Atem- und Kreislaufapparates zunehmend ein», erklärt Burger. Dies könne zu einer Unterversorgung der Muskulatur mit Sauerstoff führen mit frühzeitigerer Ermüdung sowie einer erhöhten psychischen Belastung des Pferdes. Laut Burger können die übliche Arbeit und demzufolge auch Sporteinsätze von der Stute zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in gewohntem Masse durchgeführt werden.

Auf dem heimischen Dressurviereck oder beim gemütlichen Ausritt durch den Wald, kann ein aufmerksamer Reiter an der Atemqualität und -frequenz der Stute schnell erkennen, wenn die Anstrengung zu gross wird, und die Trainingsintensität regulieren. «Unter Wettkampfbedingungen ist es jedoch schwierig bis unmöglich, auf die individuellen Gegebenheiten einer hochträchtigen Stute optimal einzugehen», sagt Burger. Es könne hierbei zu Überlastungserscheinungen kommen mit zunehmender Verletzungs-, Sturz- und Abortgefahr.

Zudem warnt der promovierte Tierarzt vor Komplikationen wie einer Gebärmutterverdrehung. Die Stuten können sich auf Wettkampfplätzen im Kontakt mit vielen anderen Pferden leichter mit Virusinfektionen wie Herpes anstecken und dadurch im schlimmsten Fall das Fohlen verlieren. «Nach heutigem Wissensstand ist der Sporteinsatz von trächtigen Stuten ab dem fünften Monat aus tierschützerischen Überlegungen und angesichts der Belastung für die Stuten sowie der Sicherheit für die Tiere und Reiter abzulehnen.» Wolle man unbedingt sportlichen Einsatz und Fortpflanzung kombinieren, könne unter Umständen der Embryotransfer eine Alternative darstellen.

Erhöhte Ansteckungsgefahr
Ein Fohlen, das in freier Wildbahn auf sich gestellt wäre, würde nicht lange überleben. Folglich bedeuten auch kurzfristige Trennungen in den ersten Lebensmonaten, zum Beispiel für den Transport zu einer erneuten Bedeckung oder für die Teilnahme an einer Prüfung, für Stute und Fohlen eine Menge Stress. Und das ist nicht das einzige Risiko. «Trinkt das Fohlen nicht regelmässig, kann der prall gefüllte Euter schmerzen, das Risiko für eine Euterentzündung steigt», warnt Burger. Die zum Teil unkontrollierbaren Stresszustände bei Stuten und Fohlen seien mit einer beträchtlich erhöhten Verletzungs- und Unfallgefahr verbunden.

Auch das Risiko für die Entwicklung von Verhaltensstörungen steige. Wenn die Stute körperlich belastet werde, könne es ausserdem zu Überlastungserscheinungen der Stute beziehungsweise der Unterernährung des Fohlens infolge von Nährstoff-Unterversorgung kommen. Stimmt die Infrastruktur, solle man die Stute besser mit frei laufendem Fohlen frei bewegen sowie Mutter und Nachwuchs gemeinsam transportieren. «Dem Fohlen selber fällt eine kurzfristige Trennung von der Mutter wesentlich leichter, wenn das Mutter-Fohlen-Paar in einer harmonischen Gruppenhaltung lebt und sich andere Stuten aus der Gruppe an der Betreuung des Fohlens beteiligen», sagt Burger.