Aus eins mach viele
Vom Avocadokern zum Schattenspender: So einfach züchtest du deine eigenen Zimmerpflanzen
Eine selbst gezogene Pflanze im Zimmer bereitet besondere Freude. Zu erleben, wie sie sich entwickelt, wie sie wächst und buschig wird, ist ein beglückendes Gefühl. Wie sich Zimmerpflanzen einfach vermehren lassen.
Der Avocadobaum ist so sehr gewachsen, dass er mittlerweile die Decke erreicht. Dabei begann alles so unspektakulär. Das Fruchtfleisch war abgeschabt, der Kern lag in der Küche. Die nächsten Monate verbrachte er mit Zahnstochern in den Seiten zu einem Viertel in einem leeren mit Wasser gefüllten Konfitürenglas am Fenster. «Wird doch nichts daraus», ging einem durch den Kopf. Doch plötzlich bildete sich ein Spalt im Kern, weisse Wurzeln schlugen aus, oben streckte sich ein grüner Spross dem Licht entgegen. Einige Jahre danach ist aus dem braunen Kern ein stattlicher, grüner Baum geworden, der im Sommer durch sein Laub den Balkon angenehm beschattet.
Pflanzen werten jede Wohnung auf. Wenn sie selbst gezogen wurden, ist die Bindung zu ihnen besonders eng. Zimmerpflanzen werden so zum Lebensthema und prägen fortan den Jahreslauf, so dass es immer mehr werden. Die beiden englischen Pflanzen-Liebhaberinnen Caro Langton und Rose Ray beginnen ihr Buch «Plant it - Love it!» mit dem Satz: «Erinnern Sie sich an den Tag, an dem Sie sich zu Hause umgeschaut und urplötzlich entsetzt gedacht haben: Ich habe zu viele Zimmerpflanzen?... Wir auch nicht.»
Dann also los mit der Wohnungsbegrünung! Es ist nicht nötig, alle Pflanzen zu kaufen. Viele können selbst gezogen werden. Pflanzen sind darauf ausgelegt, sich auszubreiten. Mit wenig Wissen gelingt es, aus Ablegern, Stecklingen, Kernen und Samen neue Pflanzen zu ziehen. Es braucht nur Geduld, passendes Substrat, Wärme und einen lichtexponierten Platz.
Von Blattstückstecklingen bis zum Teilen
Manche Pflanzen fordern einen richtiggehend dazu auf, sie zu vermehren. So etwa die Grünlilie. Sie bildet an langen Stängeln viele Kindel. Das heisst, dass am Ende der hängenden Stängel neue kleine Grünlilien heranwachsen. Einige der Kindel können abgeknipst, in ein Wasserglas gestellt oder direkt in die Erde gesetzt werden. Aus ihnen wachsen bereitwillig Klone der alten Pflanze. Dabei handelt es sich um die asexuelle Vermehrung.
Nicht nur die Grünlilie bildet Kindel aus. Auch viele sukkulente Pflanzen, die aus Trockengebieten stammen, sorgen so für ihre Ausbreitung. Wie der «Kindlibaum», der im Deutschen als Brutblatt bezeichnet wird. Es handelt sich um Kalanchoe daigremontiana aus Madagaskar. An den Blatträndern bilden sich Jungpflänzchen, die abfallen und zu neuen Pflanzen heranwachsen. Zahlreiche Pflanzen können so quasi vervielfältigt werden. Wenn sich hingegen Pflanzen über Samen und Kerne vermehren, wird von sexueller Vermehrung gesprochen. Es braucht dazu eine Bestäubung und einen Keimprozess. Das erfordert ein Rendez-vous zweier Pflanzen unterschiedlichen Geschlechts. Die Folge ist genetisch einzigartiger Nachwuchs. Bis Kerne spriessen, kann es lange dauern, beim Avocadokern wenige Wochen bis zu einem halben Jahr.
Bei der asexuellen Pflanzenvermehrung durch Stecklinge hingegen, ist von Anfang an eine schöne, wenn auch kleine Pflanze vorhanden. Stecklinge sollten im Frühling gezogen werden. Dann haben sie Lust zum Wachsen und entwickeln sich rasch. So wie die vielen Formen der Tradescantia oder Dreimasterblume, die durch ihre Blattfarben bestechen. Zweige im Wasserglas oder direkt in feuchter Erde wurzeln einfach an.
Blattkakteen, wie der Weihnachts- und Osterkaktus, Epiphyllum- oder Rhipsalis-Arten, lassen sich vermehren, indem einzelne Blätter abgeknipst und in Erde gesteckt werden. Der Zwergpfeffer (Peperomiacaperata) oder Usambaraveilchen gehören zu den Arten, die sich lediglich durch das Abtrennen und Neupflanzen einzelner Blätter vermehren lassen.
Speziell sind Blattader-Stecklinge. Blätter der Königsbegonie oder der Drehfrucht (Streptocarpus) können in briefmarkengrosse Stücke geschnitten werden. Jedes Segment muss einen Abschnitt der Blattrippe – die Hauptader vom Blattgrund zur Spitze – umfassen. Mit zu einem «U» geschnittenen Draht sollte das Blattsegment auf der Erde fixiert werden. Bald wachsen daraus neue Pflanzen heran.
Es gibt auch Blattstückstecklinge. So kann etwa ein Blatt eines Bogenhanfs (Sansevieria) in Stücke geschnitten werden. Die einzelnen Abschnitte in Töpfen entwickeln sich wieder zu Pflanzen. Es hilft, wenn die Töpfe mit Blatt- und Blattader-Stecklingen unter einer halbierten PET-Flasche ans Fenster gestellt werden. Das schafft ein Mikroklima, ähnlich wie in den Tropen. Manche Pflanzen, wie etwa Farne, werden so üppig, dass die Stöcke geteilt werden können. Die beiden verkleinerten Teile erhalten so mehr Platz und können sich besser entwickeln.
Wie schön ist es, von einem Ausflug einen Ableger mitzubringen, ihn zu pflanzen und heranwachsen zu sehen! Mit solchen Gewächsen verbinden sich Erinnerungen. Jetzt im Sommer wuchern Zimmerpflanzen auch gerne auf dem Balkon. Pflanzen wachsen einfach, brauchen aber Hingabe und Präsenz, doch wer will schon eine Oase verlassen?
Schmöckerecke
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