Zertifizierte Archäologiehunde gibt es noch nicht allzu lange. Der erste zertifizierte Archäologiehund und bislang einziger Cold-Case-Canide Europas war Flintstone. In seinen elf Lebensjahren konnte der Altdeutsche Hütehund mit seinem Besitzer Dietmar H. Kroepel zahlreiche Grabstätten aufspüren und über 20 Cold-Case-Fälle auf-klären. Hierfür waren sie in Deutschland, Österreich, Polen, Italien, Portugal und Norwegen im Einsatz. Flints Nachfolge treten nun andere Supernasen an.

Wer glaubt, die Hundewürden einfach losrennen, die Knochen erschnüffeln und sich zum Markieren der Stelle hinsetzen, der irrt sich. So einfach gestaltet sich eine Suche nach menschlichen Überresten nämlich selbst für Hunde nicht. Im Gegenteil: «Vielmehr handelt es sich um kriminalistische Arbeit mit dem Hund», erklärt Kroepel, der mit Flintstone schon in einem Hubschrauber unterwegs war und von einem Schiff aus gesucht hat. Selbst unter Wasser waren die beiden schon. In der Regel sind Supernasen wie Flint jedoch an Land im Einsatz.

Selbst dies ist nicht einfach, denn die Stelle, an der die Knochen abgelegt wurden, hat meist keinen Geruch. «Dieser tritt etwa 20 bis 30 Meter weiter entfernt aus, weil die Geruchspartikel beispielsweise vom Grundwasser mitgenommen werden. Liegt die Stelle am Hang, muss man berechnen, ob die Sonne die Geruchspartikel nach oben oder nach unten ins Tal zieht, wie schnell und wohin der Wind weht und so weiter.»

Stück für Stück und entgegen des Geruchsflusses müssen sich die Profihunde der Stelle annähern. Im Falle von Cold Cases liegt diese ausserdem meist gut versteckt, da Leichen in der Regel nicht an leicht zugänglichen Stelle vergraben wurden. Manchmal muss für die Suche seit Jahrzehnten unbetretenes Land erst begehbar gemacht werden. Nicht selten dauert ein Einsatz mehrere Tage.

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Per Zufall in Italien

Manchmal entpuppt sich eine Aufgabe als besonders spektakulär. Einmal fand Flint eine gehäckselte Leiche, die auf über 30 Metern verteilt war. In den Karpaten entdeckte er einen abgestürzten Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg und in einem ehemaligen Ascheloch fand er Skelettteile in 14 Metern Tiefe. Erst kurz vor seinem Tod im letzten Jahr erschnüffelte Flintstone Gräber im ehemaligen NS-Lager Liebenau in Graz.

Auf die Idee, aus Flintstone einen Archäologie- und später dann einen Cold-Case-Caniden zu machen, kam Dietmar Kroepel beide Male durch Zufall. Als Junghund hatte der Ex-Archäologe seinen Vierbeiner zum Trümmer- und Lawinenhund ausgebildet. Aus gesundheitlichen Gründen konnte der Bayer dieser Tätigkeit dann aber nicht nachgehen. Flintstone fehlte eine Aufgabe.

Just zu diesem Zeitpunkt bat ein befreundeter Archäologe den langjährigen Qualitätsmanager, in der Toscana einen Grabungsfund zu begutachten. «Es handelte sich um mein früheres Fachgebiet in der Archäologie», erinnert sich Kroepel, wie er sich an einem heissem Tag mit Flint im Auto auf den Weg nach Italien machte. «Ich konnte Flint aber nicht im Auto lassen und nahm ihn mit zur Grabungsstätte. Dort begrüsste mich mein Bekannter lachend mit den Worten ‹Lässt du jetzt schon deinen Hund die Knochen suchen?›.» Auf der Rückfahrt gingen Kroepel diese Worte nicht mehr aus dem Kopf.

Er begann, Flint nach festgelegten Richtlinien zum Archäologiehund auszubilden, damit er den Anforderungen der Denkmalpflege entsprechend nach menschlichen Überresten suchen durfte. «Ich dachte mir, ein, zweimal im Monat gehe ich am Wochenende auf ein neu ausgeschriebenes Ausgrabungsfeld und suche mit Flint dort die Nekropolen (Begräbnis- und Weihestätten) und gebe zwei bis drei Vorträge pro Jahr.»

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Es kam anders. Nach seiner zweijährigen Ausbildung zum Archäologiehund hatte Flint ein paar Einsätze auf Grabungsstätten hinter sich, als das Telefon des Bayern klingelte. Eine Kommissarin bat ihn um Hilfe. «Sie fragte, ob Flint auch ein Skelett riechen könne, das ‹erst› 36 Jahre alt sei.» Es gab Hinweise auf eine seit mehreren Jahrzehnten im Wald vergrabene Frau. Dietmar Kroepels Neugierde war geweckt. «Also bin ich mit Flint hingefahren. Er hat das Skelett gefunden und so nahm das Schicksal für uns seinen Lauf.»

Der Fund war eine Sensation und öffnete Flintstone, vor allem aber Kroepel Türen und Tore. Er durfte unzählige Pathologiepraktika durchlaufen, wurde zu jeder Cold-Case-Tagung eingeladen, durfte an der Universität über Odorologie lernen und sich eingehend mit der Autolyse, also der Verwesungskunde, beschäftigen. «Mittlerweile verfüge ich über ein sehr spezifisches Wissen, das sich aus den verschiedensten Disziplinen zusammensetzt», resümiert Kroepel, der all dies natürlich sehr spannend fand und daraufhin nebenbei gleich noch Kriminalistik studierte.

Noch heute brennt er für sein Hobby und leitet den Verein Archaeo-Dogs Bayern in seiner Freizeit, wo er Archäologiehunde ausbildet, die eventuell auch Leichenaufspüren können. Eine zertifizierte Ausbildung zum Cold-Case-Hund gibt es nämlich bislang keine. Für ihre Arbeit bekommen weder der Archäologie- oder Cold-Case-Hund noch sein Führer mehr als die Unkosten erstattet. «Der tiefere Sinn liegt darin, für Angehörige die Ungewissheit zu einem Abschluss bringen zu können.» Oder eben archäologische Fundstätten zu unterstützen.

Was der Hundeführer können muss
• Ausgrabungskunde und Wissen über archäologische Grundlagen
• Umgang mit Karte, Kompass, GPS, Nivelliergerät und Funk
• Kynologie und Geologie
• Erste Hilfe am Hund und Biologie
• Geruchsdifferenzierung und Odorologie

Für die Hunde zählt vor allem die Beschäftigung. Denn Hunde wie Flint, der als Altdeutscher Hütehund einer uralten Gebrauchshunderasse entstammte, müssen ständig beschäftigt werden. Als Archäologiehund ist ein Hund das. Mehrmals im Monat geht es auf Ausgrabungen, unter der Woche wird viel geübt. Bei Cold Cases treten nun andere Archäologiehunde an die Stelle von Flint, die ihn schon seit mehreren Jahren bei der Suche nach alten Knochen begleiteten.

Bei dem Versuch, einen kalten Fall aufzuklären, unterstützt Kroepel natürlich die Hunde-Menschen-Teams. Es ist allerdings wie beim Menschen. Flint hatte eine besondere Begabung. «Wenn die anderen Hunde nur 25 bis 30 Prozent von dem schaffen, was Flint schaffte, bin ich schon zufrieden», so Kroepel.

Aufwendige Ausbildung

Die Ausbildung zum Archäologiehund sei für die Hunde kein Problem. Das kann laut Dietmar Kröpel fast jeder Hund. Schwerer tun sich die Hundeführer, die enorm viel Zeit und Geld investieren müssen. «Man arbeitet komplett ehrenamtlich, zahlt Benzin- und Hotelkosten und immer wieder viel Geld für neue Ausrüstung, muss jeden Abend nach der Arbeit mit dem Hund trainieren und ist am Wochenende ständig bei Wind und Wetter unterwegs. Es bleibt einem keine Zeit mehr für andere Dinge.»

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Zudem ist die Ausbildung eine Herausforderung. Die Hunde trainieren im Sommer, da nur ab einer Bodentemperatur von vier Grad Geruch austritt. Der Mensch büffelt daher in den Wintermonaten Fächer wie GPS-Systeme, Funken, Biologie, Geologie, Odorologie,Kynologie, Archäologie und Verhalten auf der Ausgrabung. Daran scheitern viele Zweibeiner. «Wenn wir am Anfang 20 Teilnehmer pro Jahr haben, bleibt im Verlauf der Ausbildung höchstens einer übrig.»