Aberglauben
Mythos Werwolf: Was steckt dahinter?
Dass Menschen sich in Wölfe verwandeln können und allerhand Unheil bringen, war auch in der Schweiz des späten Mittelalters ein verbreiteter Glaube. Hinter dem Mythos steckt eine Mischung aus Aberglauben, Denunziantentum und vielleicht auch ein Fünkchen Wahrheit.
Im Jahr 1433 berichtete ein Augenzeuge in Basel, dass eine Hexe auf einem Wolf an ihm vorbeigeritten sei. Diese Anschuldigung führte dazu, dass die beschuldigte Nachbarin verurteilt und hingerichtet wurde. Man glaubte, sie sei mit dem Teufel im Bunde und verantwortlich für Unheil in der Region, wie Missernten, Krankheiten und totes Vieh. Im späten Mittelalter, einer Zeit voller Entbehrungen, war die Suche nach Schuldigen weit verbreitet, und die Zentralschweiz wurde zu einem frühen Zentrum der Hexenverfolgungen. In Sion wurden zwischen 1428 und 1432 fast 200 Menschen hingerichtet.
Der Wolf als Inbegriff des Bösen
Während der Hexenprozesse in den Alpen wurde oft der Vorwurf erhoben, Hexen und Hexer würden sich mit Werwölfen verbünden, auf ihnen reiten oder sich gar selbst in welche verwandeln. Wölfe wurden als blutrünstige, unersättliche Kreaturen dargestellt, die nicht nur Vieh, sondern auch Menschen angriffen. Diese Ängste wurden durch Banden junger Männer verstärkt, die sich Werwölfe nannten und die Bevölkerung im 15. Jahrhundert terrorisierten. Der Wolf war damals im Wallis ein gefürchtetes Tier, und noch heute erinnern Masken des Tschäggätä-Brauchtums im Lötschental an Wölfe.
Lykanthropie und Werwolf-Mythen
Die Vorstellung, dass Menschen sich in Wölfe verwandeln können, die sogenannte Lykanthropie, war bereits in der Antike verbreitet. Im Mittelalter wurde der Wolf in der Schweiz als sinnbildlich für das Böse und den Teufel angesehen. Viele der berichteten Werwolfrisse könnten tatsächlich auf echte Wölfe zurückzuführen sein, da die Wolfspopulation dichter war als heute. Menschliche Opfer von Wölfen waren jedoch seltener, und in Ermangelung forensischer Methoden wurde oft einem Tier oder Werwolf die Schuld an grausamen Todesfällen gegeben.
Psychische Erkrankungen und Werwolf-Vorstellungen
Obwohl viele Menschen unter Folter gestanden, sich in Werwölfe verwandeln zu können, taucht diese Vorstellung auch heute noch in der Psychologie auf. Fälle von Patienten, die glauben, sich in Tiere verwandeln zu können, sind meistens auf psychische Erkrankungen wie akute Psychosen oder Schizophrenie zurückzuführen und lassen sich medikamentös behandeln. Auch Tollwutkranke und Menschen mit Hypertrichose, einer seltenen Form übermäßiger Behaarung, könnten für Werwölfe gehalten worden sein.
Die Bestie von Gévaudan
Obwohl die meisten Werwolfgeschichten auf Aberglauben zurückzuführen sind, gibt es historische Ereignisse, die für Aufsehen sorgen. Zwischen 1764 und 1767 sollen in der Gegend um Gévaudan in Frankreich etwa 100 Frauen und Kinder von einer Bestie getötet worden sein. Überlebende berichteten von einem großen, wolfsähnlichen Tier mit rötlichem Fell und dunklen Flecken. Verschiedene Hypothesen legen nahe, dass es sich bei der Bestie möglicherweise nicht um einen Wolf, sondern um ein exotisches Raubtier wie eine Hyäne oder einen afrikanischen Wildhund gehandelt haben könnte. Der aufkommende Trend der Haltung exotischer Tiere in Menagerien unterstützt diese Annahme.
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