Beim Betreten des Wohnzimmers von Alexandra Testa staunt man nicht schlecht. Fünf grosszügige Nagerterrarien nehmen fast den gesamten Raum ein. Als Besucher spürt man handkehrum ebenfalls gwundrige Blicke auf sich ruhen. Vorsichtig recken die Degus ihre Köpfe aus den Verstecken. Die Ankunft des Fremdlings wird aus einer Ecke sogar mit einem aufgeregten Piepsen kommentiert. Neugierig sind die 14 bis 18 Zentimeter grossen Nager, deren Schwanz mit der buschigen Quaste beinahe gleich lange wie der Körper wird. So zutraulich, dass man sie streicheln und in die Hand nehmen kann, werden nur einzelne Tiere.

Der Reiz der Deguhaltung liegt im Beobachten. Mit ihren Knopfaugen und den grossen Ohren sind Degus eine putzige Erscheinung und zeigen ein spannendes Sozialverhalten. Dieses bekommt man leicht zu sehen: Degus sind nicht wie Hamster, Ratten oder Chinchillas in der Dämmerung oder Nacht wach, sondern tagaktiv. Besonders am Morgen und am späten Nachmittag ist viel los im Deguterrarium. Dann wird gefressen, gegraben, rumgerannt und geklettert. Dabei agieren die Tiere meist miteinander. Ein Degu ist ein Gruppentier und darf deshalb niemals allein gehalten werden. Optimal sind drei bis fünf Tiere. Gerne beknabbern sie sich oder kuscheln und liegen pyramidenförmig beieinander.

Tohuwabohu im Deguterrarium

Ganz so friedfertig geht es allerdings nicht immer zu. Die lebhaften Tiere können auch aneinandergeraten. «Wenn Degus in die Pubertät kommen, gibt es meist Auseinandersetzungen, auch zwischen Tieren, die sich bis anhin verstanden haben», weiss Züchterin Alexandra Testa. Dann gilt es nämlich, die Rangordnung auszufechten. Dabei können Verletzungen entstehen, die genäht werden müssen. Dennoch ist es empfehlenswert, Geschwister aus einem Wurf zusammenzuhalten. Aufgrund des vertrauten Körpergeruchs vertragen sich verwandte Tiere in der Regel gut. Entweder kann die Gruppe aus gleichgeschlechtlichen Tieren bestehen oder ein kastriertes Männchen kann mit mehreren Weibchen zusammengehalten werden.

Allgemein ist es so, dass man erwachsene Degus nicht einfach zusammensetzen darf, da es dabei schnell zu Auseinandersetzungen kommen kann. Eine Vergesellschaftung sollte mittels Trenngitter im Terrarium stattfinden, damit die Tiere sich sehen, riechen, aber nicht verletzen können. Jede Seite bekommt ein Versteck, ein Sandbad, eine Futterstelle und Wasser. Das Sandbad wird dann regelmässig von einer Gruppe zur anderen getauscht, damit die Tiere den Geruch der anderen annehmen können. Wenn die Degus ruhig sind, wechselt man die Tiere von einer Seite auf die andere. Bleibt weiterhin alles ruhig, kann man eine Zusammenführung wagen.

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Eine weitere Degu-Eigenheit ist ihre überaus starke Nagetätigkeit. Wie bei allen Nagern wachsen die Schneidezähne, die sogenannten Nagezähne, das ganze Leben lang nach. Ihre Länge kann durch den Abrieb beim Benagen von hartem Futter konstant gehalten werden. Degus beschränken sich jedoch nicht auf das Nagen von Heu oder Ästen, sie setzen ihre Zähne an allen möglichen und unmöglichen Materialien an. Sie können Holz, Plastik und sogar Aluminiumblech durchknabbern, womit sie einer Motorfräse wahrhaft Konkurrenz machen. Deshalb eignen sich Nagerkäfige nicht zur Haltung. Sowohl die Plastikwanne als auch die Holzrahmen und die Gitter werden in Kürze durchgenagt sein. «Das Geräusch, das beim Benagen der Gitterstäbe entsteht, kann einen halb zum Wahnsinn treiben», schildert Alexandra Testa ihre Erfahrung. Deshalb empfiehlt sie zur Haltung von Degus ausschliesslich Glasterrarien. Jedoch nur solche, die spezifisch für die Deguhaltung konzipiert wurden. Aquarien und Reptilienterrarien sind nicht an die Bedürfnisse dieser Tiere angepasst.

Degus stammen aus Chile. In diesem lateinamerikanischen Land leben sie in kargem Steppengelände. Die Landschaft ist felsig und von einzelnen Sträuchern und verschiedenen Gräsern bewachsen. Die Nager graben Tunnelsysteme, in denen sie ihre Vorräte verstecken und schlafen. Das Deguzuhause sollte möglichst gut dieser natürlichen Umgebung nachempfunden werden. Die Einstreu muss mindestens 30 Zentimeter tief und mit Kartonobjekten oder Sand angereichert sein, damit die Degus ihre Gangsysteme graben können. Zur Isolation empfiehlt die Züchterin, den Boden mit Hanfmatten auszulegen. Im Terrarium sollten mehrere miteinander verbundene Etagen eingerichtet sein, da sich so Klettermöglichkeiten ergeben und die Fläche vergrössert wird.

Haltungstipps
- Die ideale Mindestgrösse für ein Terrarium, das drei bis fünf Tiere beheimatet, liegt bei 120 x 60 x 120 Zentimeter.
- Das Degugehege sollte an einem ruhigen und hellen Ort innerhalb der Wohnung platziert sein.
- Eine Haltung im Aussengehege ist möglich. Es muss aber absolut ausbruchsicher also nagesicher konstruiert sein und vor Eindringlingen wie Katzen, Füchsen oder Raubvögeln Schutz bieten. Ein beheizbarer Raum ist im Winter unabdinglich, da die Degus die Kälte nicht ertragen.
- Das Gehege sollte alle zwei Wochen gereinigt werden. Beim Ausmisten ist es ratsam, immer einen Teil der alten Einstreu im gesamten Gehege zu verteilen. So bleibt der vertraute Geruch vorhanden und es entstehen keine Streitereien zwischen den Tieren.

Webseite des Nagerexperten Ben Nager: bennagerbooks.ch

Abwechslung erwünscht

Degus lieben es, sich zu verstecken, deshalb sind vielfältige Rückzugsmöglichkeiten wie Holzhäuschen oder Korkröhren wichtig. Ein Sandbad darf in keinem Gehege fehlen, da die Degus es zur Fellpflege benötigen. Damit die Nager ihre Kilometer abspulen können, empfiehlt sich zudem ein Laufrad. Wichtig ist, den Degus vielseitige und immer wieder andere Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Das können Äste sein zum Benagen oder Kletterbrücken zum Rumturnen. Eine besondere Attraktion sind die Toilettenpapierrollen, die Testa ins Terrarium hängt.

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Nicht nur die Unterbringung, sondern auch die Fütterung muss an die ursprünglichen Bedürfnisse der Degus angepasst sein. In ihrer Heimat fressen sie magere und faserreiche Nahrung. Deshalb sollte Heu der Hauptbestandteil des Futters bilden und stets ausreichend zur Verfügung stehen. Degus müssen den ganzen Tag über kleine Futterportionen aufnehmen können, denn fressen sie über längere Zeit nichts, kann es zu Fehlgärungen kommen. Zum Heu kann auch eine kleine Menge Körnerfutter angeboten werden. Es sollten spezielle Futtermischungen ohne zuckerhaltige Bestandteile sein, da Degus extrem heikel auf Zucker reagieren. Selbst frische oder getrocknete Früchte stellen für diese Tiere ein Gesundheitsrisiko dar. Frischfutter wie Gurken, Zucchetti oder Äste bieten eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan. Man sollte die Tiere aber langsam an das Frischfutter gewöhnen und nur zwei Mal pro Woche solche Leckereien reichen.

«Als Haustiere kamen die ersten Degus vor 40 Jahren in die Schweiz.»

Degus haben einen sensiblen Verdauungstrakt und neigen schnell zu Durchfall. «Holt man Äste oder frische Gräser von draussen, sollte man diese mit heissem Wasser absprühen, um zu verhindern, dass beispielsweise über Hundedreck Krankheitserreger verfüttert werden», gibt Testa als wichtigen Tipp. Nützliche Fütterungslisten mit für Degus erlaubten Gemüse- und Pflanzenarten sind auf der Webseite «diebrain.de» zugänglich. Auch wenn Frischfutter dargereicht wird, muss unbedingt immer Wasser zur Verfügung stehen.

Fun Facts- Wenn Degus von einem Feind angegriffen werden, kann die Schwanzhaut abgerissen werden. Der freigelegte Teil wird dann abgeworfen oder abgenagt und wächst nicht mehr nach.
-  Aufgrund ihrer hohen Zuckerempfindlichkeit und Anfälligkeit für Diabetes mellitus werden diese Tiere seit dem 20. Jahrhundert in zahlreichen Ländern als Versuchstiere zur Erforschung der Zuckerkrankheit gehalten.
- Degus setzen zwei verschiedene Arten von Kot ab: den üblichen trockenen Kot und den eher feuchten Blinddarm-Kot. Diesen fressen sie meist, da sie ihm noch Nährstoffe entziehen können.

Zunehmend populärer

Die wenig aufwändige Haltung und Fütterung der Degus macht sie zu beliebten Haustieren. Ihre Gehege müssen regelmässig gemistet werden, doch über den Urin und Kot entsteht kein unangenehmer Geruch. Beim Betreten von Alexandra Testas Wohnung, in der rund 20 Tiere leben, ist nicht das Geringste zu riechen. Zudem sind Degus langlebiger als andere Nager. Während Ratten oder Hamster nur zwei- bis dreijährig werden, erreichen Degus ein Alter von bis zu sechs Jahren. Auch Zuchtkrankheiten sind bei diesen Nagern bisher keine bekannt.

«In die Schweiz wurden die ersten Degus als Haustiere vor etwa 40 Jahren eingeführt», schätzt Nager-experte Ben Nager. In den letzten Jahren haben sie an Popularität gewonnen. So häufig wie Meerschweinchen und Goldhamster sind sie aber nicht. Auch Alexandra Testa spürt, dass die Nachfrage hoch ist. Die Beliebtheit und auch der Preis schwanken je nach Farbschlag – davon gibt es mittlerweile unzählige (Schwarz, Sandfarben, Gescheckt, Weiss usw.). Die naturfarbenen, ursprünglichen Degus, die etwas robuster als ihre andersfarbigen Nachzuchten sind, stossen nicht mehr auf hohes Interesse. Momentan sind Tiere der Farbe Lilac (ein helles Grau) am teuersten. Neuerdings aufkommende Spezialzuchten von Nacktdegus oder von Tieren mit gelocktem Fell dürfen laut Züchterin und Tierschutzorganisationen auf keinen Fall unterstützt werden. Nicht die Fellfarbe sollte bei der Auswahl das wichtigste Kriterium sein, sondern die Gesundheit der Tiere und ihre Herkunft aus einer seriösen Zucht und Haltung.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 06/2022 vom 24. März 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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