Schnee fällt nur wenn es kalt ist. Aber Schnee ist in seiner Wirkung auf Pflanzen, Tiere und Menschen weit vielfältiger als Kälte. Schnee kann noch lange liegen bleiben, wenn es schon warm ist. Schnee kommt in den verschiedensten Qualitäten vor: mal trocken, mal nass, mal wenig, mal viel, mal als Zuckerguss auf den Bäumen, mal als hoch aufgetürmte Verwehung. So unterschiedlich wirkt der Schnee auch auf die frei lebenden Tiere. Das Hermelin, der Schneehase und das Alpenschneehuhn färben sich im Winter um und werden schneeweiss. Rothirsch und Steinbock bahnen sich mit hohem Energieverlust einen Weg durch den tiefen Schnee. Verschiedene Mäusearten leben vergnügt unter einer dicken isolierenden Schneeschicht.

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Das Leben unter einer hohen Schneedecke

An einem kalten Oktobertag fing ich für eine genetische Studie auf dem Albulapass einige lebende Feldmäuse. Sie hatten auf der in 2300 m ü. M. gelegenen Alp ein ausgedehntes System von Bauen und Wechseln angelegt. Kaum hatte ich meine Arbeit beendet, fing es an zu schneien. Bald lag eine dicke Schneedecke über dem Gebiet. Die Alp war erst wieder richtig schneefrei, als ich anfangs Juni nach den Feldmäusen schaute. Fast ein halbes Jahr hatten sie unter der hohen Schneeschicht gelebt und den Winter offenbar gut überstanden. Auf der Alp Flix im Oberhalbstein fanden meine Kolleginnen und Kollegen in Höhenlagen zwischen 2000 und 2700 m ü. M. nicht weniger als 9 Arten von Spitzmäusen und Nagetieren.

Offenbar sind die Lebensbedingungen für die kleinen Säugetiere unter der Schneedecke recht gut. Sie leben in Hohlräumen, die sich zwischen dem Boden und der Schneedecke bilden oder graben sich die notwendigen Gänge selbst. Die Schneedecke schützt vor den eisigen Winden, denen grössere Tiere wie der Schneehase und der Steinbock ausgesetzt sind. Die fleischfressenden Spitzmäuse durchsuchen die Höhlen und Gänge nach wirbellosen Tieren. Die Pflanzenfresser finden unter der Schneedecke erstaunlich viel frisches Grünfutter. Der Schnee bewahrt dieses vor Austrocknung. Die Schneedecke schützt die kleinen Säugetiere auch vor fast allen Raubfeinden, vor allem den Greifvögeln. Einzig das kleine Mauswiesel und gelegentlich auch das Hermelin vermögen ihnen in ihre Gänge zu folgen.

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So überstehen die Kleinsäuger den Winter und den Schnee relativ gut. Mit dem Klimawandel droht der Verlust einer kompakten und weit verbreiteten Schneedecke.  Dies ist eine grosse Gefahr für viele Tiere des alpinen Lebensraumes.