Seit 15 Jahren engagiert sich die hauptberufliche Museumspädagogin Beatrice Baeriswyl nun schon für das Wohl des einst in der Schweiz ausgerotteten Bibers. Damit dieser nicht wieder nur präpariert im Museum zu betrachten ist, macht sie sich mit Interessierten bei der «Aktion Biber & Co.» von Pro Natura auf Spurensuche – wie im vergangenen März. Der Biber ist ein ganz spezieller Nager. Mit seinem dichten und wasserabweisenden Fell lebt er in Gewässern und in deren Nähe. Seine stattliche Statur macht ihn zudem zum grössten Nagetier Europas. Doch nicht nur der Biber selbst ist verhältnismässig gross, sondern auch seine Bauwerke, die nicht selten anecken.

Für Beatrice Baeriswyl ist er ein äusserst interessantes und spannendes Tier, das es gilt besser zu verstehen und dadurch in Harmonie mit ihm zu koexistieren. Dass man einen nachtaktiven Biber zu Gesicht bekomme, sei eher unwahrscheinlich, gerade an einem Nachmittag. Am Uferrand der Aare hält sie eine Karte in die Höhe: «Hier in der Belpau siedelt sich der Biber seit 2003 wieder an.» Das Gebiet sei für ihn ideal. Dem Biber bietet die Berner Auen- und Moorlandschaft mit ihren Giessen rund um die Aare all das, was er benötigt. «Hier fühlt sich der Biber so richtig wohl.» Nicht verwunderlich, ist es eines der am dichtesten besiedelten Gebiete in der Schweiz, neben dem Thurtal bei Frauenfeld im Kanton Zürich.

Beatrice Baeriswyl, die sonst im Naturhistorischen Museum Bern im Bereich Bildung und Vermittlung tätig ist, lässt ihren sichtlich vollgepackten Rucksack in den Sand sacken. Aus ihm kramt sie einen kleinen, runden Plastikbehälter. Sie schraubt ihn auf und reicht ihn herum – man solle daran riechen. Wenn man daran schnuppert, offenbart sich einem ein moschusartiger Geruch. «Was ihr da riecht, nennt man Castoreum oder auch Bibergeil.» Der Biber nutzt das Drüsensekret, um sein Revier zu markieren. Dieses wurde ihm jedoch auch zum Verhängnis.

«Man muss den Biber erst wieder willkommen heissen.»

Bereits im Mittelalter stellte der Biber eine begehrte Beute dar. Sein Fleisch galt als Delikatesse, sein Fell wurde für die Herstellung von Hüten und Kleidung verwendet, das Bibergeil für Parfum und Medizin. «Angeblich soll es bei Kopfschmerzen, Magenproblemen, Erkältungen oder auch Zahnschmerzen geholfen haben.» Ob dies wirklich der Fall war, wird bezweifelt. Ohne jegliche Zweifel wurde jedoch der Biber bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in der Schweiz ausgerottet. Erst nachdem man 1956 angefangen hatte, den hiesigen Bestand erneut aufzubauen, breitete sich der Biber langsam wieder aus. «Man muss den Biber erst wieder willkommen heissen, denn er war längere Zeit gar nicht mehr da», gibt Baeriswyl zu bedenken.

Auf Spurensuche

Nun fängt sie an, die Spurensuche. Man solle Ausschau halten. Auf die Frage, wer denn alles schon einen Biber zu Gesicht bekam, strecken so gut wie alle Teilnehmer die Hand in die Höhe. «Als ich mit den Biberexkursionen anfing, war das noch ganz anders», betont die Exkursionsleiterin. Sein Aussehen ist zwar den meisten bekannt, doch die Hinterlassenschaften eines Bibers noch nicht. Auf den Sand blickend sagt Baeriswyl: «Da hat uns leider der Regen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Hier wären sonst überall mit Duftstoff markierte Hügel zu sehen.» Sie schultert ihren Rucksack und begibt sich zurück auf den kiesigen Uferweg.

Zu ihrer Rechten fliesst die Aare in die gleiche Richtung. «Dazumal muss der Biber die Aare stromaufwärts geschwommen sein, um dieses Gebiet zu erschliessen.» Bei der Kraft, die der breite Fluss haben kann, eine beachtliche Leistung des Nagers. «Mit seinen Schwimmfüssen und der Kelle schafft er das», ergänzt Baeriswyl und führt zur nächsten Stelle, an der sie Biberspuren vermutet. Und tatsächlich, hier war ein Biber am Werk. Drei schmale, lang gewachsene Bäume scheinen wie Zahnstocher gebrochen zu sein und liegen halb im Teich. Folgt man mit den Augen den Bäumen entlang zu deren Stämmen, erblickt man die von Holzspänen umgebene Kunst des Nagers: Gefällte Bäume weisen einen sanduhrförmigen Stamm auf. An dieser Stelle handelt es sich um einen Fällplatz der Biber.

Pflanzenfresser und Baumeister

Doch wieso fällt der Biber überhaupt Bäume? «Wenn der Biber im Winter auf Nahrungssuche geht, dann findet er als Pflanzenfresser nicht genügend Pflanzen am Boden vor.» Er sei zudem gar nicht wählerisch, er ernähre sich von ungefähr 300 verschiedenen Pflanzen. Diese sind jedoch im Winter grösstenteils nicht vorhanden. Daher sei er auf die Rinde und Knospen von den Bäumen angewiesen. Doch nicht nur, um an diese zu gelangen, fällt er Bäume: «Mit dem Fällen eines Baumes verschafft er sich zwei notwendige Ressourcen: Nahrung und Baumaterial», klärt Baeriswyl auf.

Verschwenderisch sei der Biber dabei gar nicht. «Es ist bemerkenswert, wie er alles verwertet.» Mit seinen messerscharf geschliffenen Zähnen, die übrigens ständig nachwachsen und an der Vorderseite von einem eisenoxidhaltigen Zahnschmelz überzogen sind, ist er imstande, einen grossen Baum zu fällen und in seine Einzelteile zu zerlegen. Die Rinde der abgetrennten Äste frisst er an einem sogenannten Frassplatz am Ufer im seichten Wasser.

Und tatsächlich: Von Beatrice Baeriswyl an einen solchen geführt, könnte man glatt meinen, mitten in einem Mikadospiel zu stehen. Die teils abgenagten Äste nenne man auch «Biberstecken», die sich kreuz und quer im Wasser stapeln und so Strukturen für im Wasser lebende Tiere bieten. Im Herbst ramme der Biber die Äste neben seinem Bau direkt in den Boden, damit sie nicht wegtreiben. «Der Nager legt sich so einen Wintervorrat an, an welchem er sich immer wieder bedient und sich seine Stecken zum Abnagen in seinen Bau holt», erklärt die Pädagogin.

Beatrice Baeriswyl zeigt zur gegenüberliegenden Uferböschung – ein riesiger Holzhaufen ist zu sehen. Unter diesem befinde sich ein Biberbau, wo eine Biberfamilie mit zwei Jungtieren wohne, die sie schon mal bei Dämmerung beobachten konnte. In anderen Gegenden baue der Biber auch Biberburgen. In flachen Gebieten können sie zwei bis drei Meter hoch werden. Diese schustert sich der Biber mit dickeren Ästen eines gefällten Baumes zusammen. Genauso wie einen Damm, den er baut, um den Wasserspiegel auf mindestens einen halben Meter Höhe für sein Zuhause anzuheben. Dadurch ergeben sich laut Baeriswyl mehrere Vorteile für den Biber: «Die Eingänge zum Bau liegen unter Wasser, wodurch die Biber vor Feinden geschützt werden. Ausserdem vergrössert sich sein Lebensraum und er kann so deutlich einfacher und effizienter sein Baumaterial schwimmend transportieren.»

Durch das Laub und noch kahle Gestrüpp stapfend geht es wieder zurück auf die angelegten Pfade. Einer führt über einen kleinen Bach. «Hier in diesem Bach sollte eigentlich ein Biberdamm sein.» Vor Kurzem sei er jedoch mit einem Bagger ausgehoben worden. «Dem muss ich noch nachgehen, denn der Biber ist geschützt und mit ihm auch der Biberbau und -damm», betont Baeriswyl. In Eigenregie dürfe man diese jedenfalls nicht entfernen, man mache sich gar strafbar dabei. «Es gibt eine Biberfachstelle und Wildhüter, die sich das vor Ort ansehen und bei Problemen eine Lösung erarbeiten.»

Landschaftsgestalter

Rund 150 Jahre war der Biber aus der Schweizer Landschaft verschwunden. Bei seiner Rückkehr fand er laut Baeriswyl eine deutlich veränderte Umgebung vor: «Grosse Flächen wurden trockengelegt, wir haben Flüsse begradigt, eingedolt und mit landwirtschaftlich genutzten Flächen eingeengt.» Nun gibt es die Überschneidungspunkte, dort, wo sich der Biber wieder niederlässt. «Es bieten sich aber viele Lösungen», beteuert die Pädagogin. Sie zeigt auf einen Baum, der am Stamm von einem Draht umgeben ist. «Bäume, die nicht vom Biber gefällt werden sollen, können mit Drahthosen geschützt werden. In die Böschung neben Uferwegen können auch Drahtgitter eingefügt werden oder sie werden verlegt, damit er sie nicht untergräbt.» So bieten gerade die Uferstreifen in einer Breite von 20 Metern zu Gewässern Konfliktpotenzial.

Artenvielfalt profitiert

Der Biber kann grosse Schäden verursachen, doch er schafft, wenn das Gewässer genügend Raum bietet, dadurch auch vielfältigen Lebensraum. Er hält die Vegetation offen, produziert Totholz und staut Fliessgewässer. «Amphibien, Insekten, Fische, Vögel und Pflanzen profitieren von den neugeschaffenen Lebensräumen», so Baeriswyl. Solche Gebiete weisen eine zwei- bis dreimal höhere Artenvielfalt auf. «Wenn er kann, wenn er nicht stört und wenn es keine Probleme gibt, dann ist der Biber extrem wertvoll für die Natur.»

Die letzte Biberzählung im Jahre 2022 offenbarte eine Population von rund 4900 Bibern, die an den Schweizer Gewässern leben. Während dieser Spurensuche in der Belpau war zwar keiner zu sehen, doch mit all seinen Hinterlassenschaften zu erahnen. Beatrice Baeriswyl wird auch künftig Exkursionen zur Sensibilisierung durchführen. Vor allem, um ein besseres Verständnis für den Biber zu entwickeln, der oft als Störenfried angesehen wird. «Ich hoffe, dass es positiv weitergeht und, wenn Probleme entstehen, auch Lösungen gefunden werden und Betroffenen geholfen wird. So, dass der Biber bei uns bleiben darf, denn er gehört zu unserer Landschaft und ist eine grosse Bereicherung für unsere Gewässer.»

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