Die drei Schweine kommen neugierig angegrunzt, als wir uns ihrem Gehege nähern. Auf 50 Aren Gras, Hecken sowie zwei Tümpeln können sie wühlen und planschen, wie es ihnen gerade passt. Was sie dabei nicht wissen: Mit ihrem liebsten Zeitvertreib verrichten sie eine wichtige Arbeit für den Artenschutz. Denn in ihrem Gehege gedeihen Kreuzkröten, die in der Schweiz als stark gefährdet gelten. Ihr Lebensraum sind natürliche Gewässer mit lockeren Uferregionen, die zu einem Grossteil verschwunden sind. Solche künstlich intakt zu halten, wäre eine mühselige Arbeit, welche die Schweine einfach so nebenher machen. Brotreste und Molke aus der Ziegenmilch-Käserei, die auch zum Biohof Galeggen gehört, sind das einzige Futter, das die drei Säue zusätzlich bekommen, um innert sechs Monaten auf ihr Schlachtgewicht von 150 Kilogramm zu kommen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. «Ich könnte auf dieser Fläche theoretisch auch 30 Schweine halten», sagt Pächter und Landwirt Thomas Baumann. «Doch hier konzentrierten wir uns darauf, ein ideales Gebiet für die Kreuzkröte zu schaffen.»

Mit «wir» meint er sich selbst und den Kanton Aargau, der das Artenschutzprojekt finanziell unterstützt. Zusätzlich erhält Baumann Direktzahlungen vom Bund, weil das Gebiet als Biodiversitätsfläche angemeldet ist. Ganze 60 Prozent der rund 40 Hektaren auf dem Hof stehen auf diese Weise im Dienste des Naturschutzes. «Die Biodiversitätsflächen sind mein rentabelster Betriebszweig», sagt Baumann geradeheraus. «Ich finde das auch richtig so, denn diese richtig zu unterhalten, ist wichtig und auch zeitaufwendig.»

Mehr Vielfalt in der Agglomeration

Der findige Landwirt macht nichts ohne Effizienzgedanken. «Mit ein bisschen Sensemähen hat das hier nichts zu tun», erklärt er. «Wir arbeiten mit Laubbläsern und nutzen hauptsächlich Ecken für Biodiversitätsflächen, die ohnehin umständlich zu beackern wären.» Wo es nur geht, versucht Thomas Baumann, Synergien zu nutzen und trotz Artenschutz möglichst viele Lebensmittel zu produzieren. «Auf unseren Äckern wird 80 bis 90 Prozent der Fläche für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt, der Rest ist für die Natur», erläutert Baumann. So konnte er Tiere wie den Neuntöter, den Turmfalken oder die Goldammer zurück in die Agglomeration rund um Aarau locken, die früher hier verschwunden waren.

Der grösste Teil seiner Biodiversitätsflächen sind Magerwiesen. «Bis ich dieses Gras zum ersten Mal schneiden kann, ist es so dürr, dass es keine Kuh mehr fressen würde», erklärt Baumann. «Pferde hingegen schon, deshalb können wir dieses Heu verkaufen.» Der zweite Schnitt gibt er seinen Ziegen, die als Landschaftspfleger gut einzusetzen sind. «Ich lasse sie ab und zu in die Brombeerensträucher, dann ist hier auch wieder geräumt für eine Weile.»

Naherholungsgebiet mitten im Ackerland

Die abwechslungsreichen Landwirtschaftsflächen auf dem Hof Galeggen scheinen nicht nur Tieren, sondern auch den Anwohnenden zu gefallen. «Ich sehe immer mehr Leute durch das Land spazieren oder auch mittendrin picknicken», erzählt Thomas Baumann. «Zu Beginn nervte mich das, doch irgendwann habe ich eingesehen, dass ich so auch etwas für die Landschaftspflege und das Naherholungsgebiet tue.»

Dass sein Nachbar eine ganz andere Strategie verfolgt und mit einem konventionellen Betrieb voll auf eine intensive Nahrungsmittelproduktion setzt, stört ihn nicht. «Ich werte das nicht als etwas Schlechteres und finde es gut, dass wir in der Schweiz als Landwirte die Wahl haben, wo wir den Schwerpunkt setzen.» Dass bei seiner Art der Landwirtschaft am Ende des Jahres um einiges weniger Ernte rausspringt, ist ihm durchaus bewusst. Doch er sieht sich eben nicht nur als Nahrungsmittelproduzent, sondern als Produzent von Biodiversität, Naherholung und Landschaft. Schliesslich brauche der Mensch nicht nur physische, sondern auch «geistige» Nahrung, ist Thomas Baumann überzeugt.

Pestizide tödlicher als gedacht

Wenn es nach Lukas Pfiffner vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ginge, würden alle Landwirtschaftsbetriebe die Biodiversität als Teil ihrer Produktion verstehen. «Es bringt wenig, wenn wir über den Selbstversorgungsgrad diskutieren statt über eine zukunftsfähige Landwirtschaft», so der Wissenschaftler. «Denn mit stark reduzierter Biodiversität leidet auch die Produktion.» Im Vergleich zum Jahr 1990 gelten bereits 60 Prozent der Insekten in der Schweiz als bedroht oder ausgestorben. Das wirkt sich bereits auf die Bodenfruchtbarkeit und Bestäubung von Kulturen aus und mindert damit die Produktivität der Nutzpflanzen. «Diese Defizite versucht man mit noch mehr Dünger und Pestiziden zu kompensieren», erläutert Pfiffner. «Der Stickstoffdünger schadet jedoch der Pflanzenvielfalt und letztlich auch wichtigen Ökosystemleistungen wie natürliche Bestäubung.»

Die Gründe für den Biodiversitätsverlust sind vielfältig. «Ein Schlüsselfaktor sind aber die Pestizide, die sich auf die umliegende Landschaft ausbreiten und auch dort Kollateralschäden im Boden und Gewässer anrichten», so Pfiffner. Eine neue Studie des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie bewies kürzlich, dass bereits kleinste Mengen an Pestiziden schwere Stressreaktionen bei Insekten auslösen. Zwar führten diese nicht direkt zum Tod, jedoch zu einer starken Schwächung, die nach einer Weile oftmals trotzdem zum Absterben führt. Eine weitere brisante Erkenntnis der Studie: Je wärmer die Aussentemperatur, desto höher die Mortalität bei vielen Organismen. Hinsichtlich des anrollenden Klimawandels alles andere als rosige Aussichten. «Die Menge und Vielfalt an giftigen Stoffen in der Umwelt wie Boden, Wasser und Luft sind besorgniserregend», sagt der Agrarökologe. «Ein nationales Monitoring problematischer Stoffe wäre nötig, um rechtzeitig Massnahmen am richtigen Ort ergreifen zu können. Dies zum dringlichen Schutz der Menschen und der Biodiversität.»

Auch Bio muss effizienter werden

Ansätze und Systemlösungen, wie man vermehrt mit der Natur produzieren kann, gäbe es schon so manche. In einigen Bereichen herrsche jedoch noch immer viel Entwicklungsbedarf, erklärt der Agrarökologe. «Auch der biologische Landbau muss noch produktiver und nachhaltiger werden», so Pfiffner. «Oft fehlt aber der Wille, substanzielle Veränderungen im Anbausystem vorzunehmen.» Wenn wir uns von der Tierfutterproduktion mehr auf direkte Eiweissnahrungsproduktion umorientieren würden, so müsste der Selbstversorgungsgrad mit einem konsequenten Bio-Anbau nicht einmal zwingend sinken, ist der Wissenschaftler überzeugt. «Die Schweiz hat in gewissen Regionen noch immer eine zu hohe Nutztierdichte.»

Doch nicht nur die Landwirtschaft sollte in die Mangel genommen werden, sondern auch öffentliche Institutionen und die Konsumentenschaft, findet Pfiffner. «Es wäre zum Beispiel für die Menschen und die Umwelt sehr nützlich, wenn Steingärten schweizweit verboten werden», so der Wissenschaftler. «Dies mit der Folge, dass das Unkraut nicht mehr mit Totalherbiziden behandelt wird.» Das Ziel müsse sein, wieder Freude an der Natur zu bekommen und sie aus Überzeugung und Respekt schützen zu wollen.