«Weisses Eis entsteht zum Beispiel, wenn die Wasseroberfläche wiederholt gefriert, antaut und wieder gefriert», sagte Hans-Peter Grossart, Leiter der Forschungsgruppe Aquatische mikrobielle Ökologie am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) am Standort Stechlin in Brandenburg. Er war an der Studie beteiligt, für die zugefrorene Seen beprobt wurden. Die Erkenntnisse sollten Anlass geben, die Regeln für das Betreten von Eisflächen zu überdenken, so die Forscher.

Auch Laien könnten weisses Eis erkennen, erklärt Grossart: «Es hat durch den Einschluss von Luft eine geringere Dichte und grobere Oberfläche, die beim Schlittschuhfahren bremst.» Das häufigere Vorkommen dieser Art von Eis hänge damit zusammen, dass die Temperaturen mittlerweile im Winter öfter tagsüber über null Grad steigen und Kälteperioden nicht mehr so lange dauern wie früher. Schwarzes Eis sei schon heutzutage seltener vorzufinden. «Schwarz ist das Eis, wenn ein See über Nacht bei starken Minustemperaturen zufriert. Es ist ein durchsichtiges, schönes Eis, das spiegelglatt - und damit toll zum Schlittschuhlaufen ist.»

31 Seen in 10 Ländern

Die Studie unter Leitung der schwedischen Universität Uppsala, an der Grossart mitwirkte, ist bereits im Sommer im Fachblatt «Nature Communications» erschienen. Dafür wurden im Winter 2020/21 wiederholt Proben von Eisschichten von 31 Seen in 10 Ländern auf der Nordhalbkugel genommen und analysiert. Bei zwei Seen lagen Langzeitdaten vor, die bis 1971 beziehungsweise 1996 zurückreichten und die zum Vergleich herangezogen wurden.

Die Untersuchungen liefen in einem der wärmsten Winter seit 1880, wie es hiess. Meist fand sich in dem Zeitraum demnach instabiles weisses Eis, das zeitweise die komplette Eisschicht ausmachte. Der Anteil weissen Eises habe zudem im Laufe des Winters durch Schneefall und stetes Überfrieren - meist nachts - noch zugenommen. Es sei bereits beobachtet worden, dass es meist zu Saisonende, vor dem Abschmelzen der angetauten und wenig tragfähigen Eisschicht, zu tödlichem Einbrechen komme.

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Selbst Forscher erstaunt über schlechte Qualität

Bei einer Probenentnahme am Dagowsee bei Stechlin in Brandenburg sei das Forscherteam selbst erstaunt gewesen, wie dünn die vorgefundene Eisschicht mit circa nur zehn Zentimetern - überwiegend weisses Eis - war. «Es hielten sich zu dem Zeitpunkt mehrere Hundert Menschen auf dem See auf. Die Tragfähigkeit kann man also sehr leicht überschätzen.» Schwarzes Eis kann den Schätzungen der Forscher zufolge gut zehnmal so viel Last tragen wie ein gleich dickes und gleich grosses Stück weisses Eis. Folglich bestehe bei grossem Anteil weissen Eises ein viel höheres Risiko, trotz trügerisch tragfähig wirkender Eisdicke einzubrechen.

Einfluss auf gesamte Nahrungskette

Zu den Erkenntnissen der aktuellen Studie sagte Grossart: «Es ist erschreckend zu sehen, wie stark sich die Systeme verändern.» Die Eisqualität habe auch Konsequenzen für die Ökologie von Seen, weil sich die Lichtdurchlässigkeit unterscheide. Weisses Eis lasse weniger Licht durch, was zum Beispiel die Photosynthese von Algen verändere und damit letztlich Einfluss auf die gesamte Nahrungskette habe. Langzeitaufzeichnungen zeigten bereits eine schnelle Abnahme der Zahl der Tage, an denen Seen im Winter zugefroren sind, berichten die Forscher auch. Bei zahlreichen Seen sei zu erwarten, dass sie noch in diesem Jahrhundert dauerhaft eisfrei bleiben.