In der Schweiz ist der Klimawandel deutlich zu spüren: Seit 1850 stieg die Jahresdurchschnittstemperatur hierzulande um 1,8 Grad Celsius – rund doppelt so viel wie im globalen Mittel (etwa 0,85 Grad). Die Folgen sind bereits deutlich sicht- und spürbar. Die Gletscher schwinden, die Schneefallgrenze steigt, es kommt häufiger zu extremen Wetterereignissen, Steinschlägen und Erdrutschen.

Eine umfassende Übersicht über die Folgen für die Schweiz, wenn sich der Klimawandel fortsetzt, hat ein Netzwerk von über 70 Klimaforschern und -expertinnen sowie 40 Gutachtern im Bericht «Brennpunkt Klima Schweiz» zusammengestellt. Am Montag wurde er in Bern präsentiert.

Sachstandbericht für die Schweiz  
Unter der Leitung von ProClim, des Forums für Klima und globalen Wandel der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT), sammelten die Forschenden die für die Schweiz relevanten Daten aus dem letzten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. Diese ergänzten sie zudem durch neuere Studien zu Auswirkungen des Klimawandels auf den Alpenraum.

Das Ergebnis ist eine Zusammenfassung der Herausforderungen, denen sich speziell die Schweiz im Zuge des Klimawandels gegenübersieht - von Landwirtschaft, Tourismus, Städteplanung bis zur Gesundheit. Zudem zeigt er Handlungsfelder und Chancen auf, die sich aus der Abkehr von fossilen Brennstoffen ergeben. Diese ist notwendige Voraussetzung, um das im Klimaabkommen von Paris beschlossene Klimaziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

«Ich würde mir wünschen, dass jedes Land solch einen Bericht hat. Denn Informationen sind essenziell, um Handlungen auf den Weg zu bringen», sagte Klimaforscher Thomas Stocker von der Universität Bern an einem Medienanlass zur Veröffentlichung des Berichts am Montag. Das rund 200 Seiten umfassende Werk entstand mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung OcCC.

Schweiz als Vorbild  
Um die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts global auf netto Null gesenkt werden. Je später Massnahmen ergriffen werden, desto drastischer müssen sie sein und desto höher sind die Kosten.Was das Verfehlen des Zwei-Grad-Ziels für die Schweiz bedeutet und wie man mit bisherigen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels besser umgehen könnte, haben die ProClim-Experten mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt BAFU und des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung OcCC erarbeitet.

Der ProClim-Bericht zeigt auf, wie die Schweiz ihren Beitrag zu diesem Klimaziel leisten kann: Obwohl die Emissionen der Schweiz im internationalen Vergleich gering sind, komme ihr eine Vorreiterrolle zu, betonte Rolf Weingartner vom OcCC am Medienanlass. Wenn nicht die Schweiz es schaffe – mit ihrer ökonomischen Kapazität und ihrer exzellenten Forschung – die Emissionen auf Null zu senken, «wer denn sonst?».

Mehr Grün- und Blauzonen  
Aber auch bei den Anpassungen an die neuen Herausforderungen kann die Schweiz Vorbild sein. Ein Kapitel des Berichts fasst zusammen, wie sich durch geschickte Raumplanung Hitzestaus in Städten verhindern, Transportwege verkürzen und der Energieverbrauch und die Emissionen von Städten reduzieren liessen. Adrienne Grêt-Regamey von der ETH Zürich spricht von «kompakten städtischen Räumen».  

«Es geht nicht darum, dass Menschen in 50 Meter hohen Hochhäusern leben sollen», sagte die Forscherin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. «Mit einer geschickten Strategie für die Anordnung von Gebäuden können wir Grünzonen schaffen, die Hitzestaus in Städten verhindern, aber auch für eine hohe Wohnqualität sorgen.» Mit hoher Qualität könne man auch jene überzeugen, die vielleicht von einem Einfamilienhaus im Grünen träumen, hofft Grêt-Regamey.

«Die unkoordinierte Ausbreitung von Siedlungsraum ist ein Problem», so die Forscherin. Es gelte, Grün- und Blauräume, also Flüsse, Bäche, Seen oder auch Brunnen, von Anfang an zu erhalten und mit einzuplanen. So könnten wachsende Städte direkt mit Durchlüftungsschneisen geplant werden. Gleichzeitig profitieren die Artenvielfalt, der Gewässerschutz und nicht zuletzt die Anwohner durch grünen Erholungsraum.

Der Skitourismus wird leiden  
Besonders hart wird der Klimawandel den Skitourismus treffen: Bis Ende des Jahrhunderts werde sich die Schneesaison um vier bis acht Wochen verkürzen und die Schneefallgrenze um 500 bis 700 Meter höher liegen als heute, erklärte Klimaforscher Reto Knutti von der ETH Zürich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Der Mitautor des ProClim-Berichts prognostiziert schwierige Zeiten für viele Skigebiete in mittleren Lagen, beispielsweise im Berner Oberland.

Auf der anderen Seite sei der Skitourismus ohnehin ein schrumpfender Markt, sagte Theres Lehmann von der Uni Bern gegenüber der sda. Angesichts der sinkenden Nachfrage müssten sich einige Skigebiete in tieferen Lagen wohl überlegen, ob es sinnvoll sei, enorme Summen zu investieren, um durch Kunstschnee ihren Skibetrieb am Laufen zu halten.

Allerdings seien davon insbesondere die für Familien mit Kindern attraktiven Skigebiete betroffen, die überschaubarer und einfacher erreichbar sind, so die Forscherin. Ein spürbarer Verlust wäre es somit dennoch.

Vor- und Nachteile  
Die wärmeren Sommer könnten hingegen Vorteile für den Tourismus bringen, wenn mehr Menschen in die «Sommerfrische» in die Berge fahren. «Ob sich die Vor- und Nachteile für die Tourismusbranche letztlich aufwiegen, ist schwer abzuschätzen», erklärte Lehmann.

Die Auswirkungen des Klimawandels seien eher langfristig und würden meist von kurzfristigen Veränderungen überlagert. Um wettbewerbsfähig zu sein, müsse die Branche ohnehin auf innovative neue Angebote setzen. So liessen sich allenfalls auch dem langfristigen Effekt des Klimawandels begegnen.