Für die meisten Ottonormalverbraucher bleiben die Polarregionen weiter eine ferne, unerreichbare Welt, die sie nur aus Dokumentationen kennen. Doch anders als in der Vergangenheit bleiben die Arktis und die Antarktis nicht mehr ausschliesslich Forscherinnen und Forschern vorbehalten. Immer mehr betuchte Touristen drängen in die Regionen um den Nord- und Südpol vor. So hat der Tourismus vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 mit rund 70 000 Besuchern in der Antarktis einen Höchststand erreicht, wobei etwa 10 000 keinen Fuss an Land setzen. Für die Arktis liegen keine konkreten Zahlen vor. Fakt ist aber, dass sie dort noch um einiges höher liegen.

Vreni Gerber von PolarNEWS AG in Zürich, dem Magazin für die Polaren Regionen, die zusammen mit einem Reiseanbieter Leserreisen in die Arktis und Antarktis anbieten,  meint, dass aktuell die Arktis, insbesondere Spitzbergen, gefragter ist als die Antarktis, weil unter anderem Spitzbergen schneller zu erreichen und günstiger ist. Der Einstiegspreis liege hier bei rund 6500 Franken, während man für eine Expedition in die Antarktis mindestens 17 000 Franken berappen müsse. «Dafür erhält man ein einmaliges Naturerlebnis, eine einzigartige Tierwelt und eine wohltuende Abgeschiedenheit ohne Handynetz. Gerade danach sehnen sich viele Menschen.»

Pro und ContraPro

+ der Polartourismus ist in der Arktis eine wichtige Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung
+ das Bewusstsein für eine nachhaltige Lebensweise wird gestärkt
+ Tourismusveranstalter und Reedereien, die AECO / IATTO angehören, unterstützen den Schutz und Erhalt der Umwelt, um ein intaktes Natur­erlebnis zu ermöglichen

Contra

- schädliche Treibhausgas-Emissionen der Kreuzfahrtschiffe und des Flugverkehrs
- nicht alle Tourismusveranstalter, die Polarreisen anbieten, gehören den beiden Vereinigungen AECO / IATTO an und halten sich somit nicht unbedingt an deren Richtlinien
- der Schiffslärm stört marine Säuger wie Wale
- grösserer Bedarf an Infrastruktur
- Tiere wie Eisbären sind eine Gefahr für Menschen und werden in – seltenen Fällen – von Eisbärwächtern erlegt
- fremde Arten können über Schiffe und Besucher eingeschleppt werden

Negative Auswirkungen

Verlockende Gründe also für ein aussergewöhnliches Reiseabenteuer. Das sieht laut Gerber auch die Kundschaft so. Sie reicht von einfachen Verkäufern über Ärzte bis hin zu Professoren. Auf den kleinen Schiffen herrsche eine familiäre Atmosphäre, es gebe weder einen Dresscode noch einen fix zugeteilten Sitzplatz beim Essen. «Unsere Gäste verbindet das Interesse an einer atemberaubenden, ursprünglichen und einzigartigen Natur, die sie auf den Landgängen bei Spaziergängen und Wanderungen oder auch einfach bei Tierbeobachtungen an Land und vom Schiff aus, zum Beispiel Walen, geniessen», sagt Gerber. 

Doch dieses hat auch seine Schattenseiten. Denn obwohl es sich bei Arktis- und Antarktisreisen nicht um Massentourismus handelt, monieren Umweltschützerinnen und -schützer die schädlichen Auswirkungen. An erster Stelle stehen die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen des Kreuzfahrtschiff- und Flugverkehrs. Neben den Schiffen verschmutzen die Motoren der Schlauchboote, mit denen die Touristen an Land gebracht werden, Luft, Wasser, Schnee und Eis vor Ort. Schiffe und Motoren erzeugen zudem Schall- und Druckwellen, die negative Auswirkungen auf die Meeresbewohner haben. Betroffen sind davon marine Säugetiere wie Wale.

Tourismus in der Arktis soll nachhaltig sein

Vreni Gerber bestreitet die negative Umweltbilanz durch das Fliegen und die Expeditionsschiffe nicht. Sie verweist aber darauf, dass sie bewusst auf kleine, wendige Expeditionsschiffe mit nur rund 100 Mitreisenden setzt. Viele von ihnen würden sich bei ihrer Reise nicht nur Wissen über die Polargebiete aneignen. «Sie werden auch für die besondere Schutzbedürftigkeit der Natur und Tierwelt angesichts der Klimaerwärmung sensibilisiert», ist Gerber überzeugt.

Zudem ist PolarNEWS seit vielen Jahren, so wie mittlerweile die meisten Tourismusunternehmen, die Polarreisen anbieten, Mitglied in den Vereinigungen IAATO (International Association of Antarctic Tour Operators) und AECO (Association of Arctic Expedition Cruise Operators). Beide verfolgen die Ziele, den Tourismus möglichst umweltverträglich zu gestalten und die internationale Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung zu fördern. Hinzu kommt bei der AECO der Schutz von Kultur und Lebensraum der indigenen Bevölkerung und der Austausch mit den verschiedenen nationalen Akteuren in der Arktis.

Auf zum SüdpolIm Buch «Antarktis» nimmt der Autor Mario Cuesta Hernando kleine Entdeckerinnen und Entdecker ab 6 Jahren mit auf eine Expedition in die Antarktis. Hier gibt es Pinguine, Wale, Albatrosse, Forschungsstationen und ganz viel Eis. Hernando zeigt aber nicht nur die einheimischen Tiere und Meeresbewohner, sondern erzählt auch von der Geschichte und Entdeckung der Antarktis. Und von der grossen Gefahr, die der Klimawandel für diesen Kontinent mit sich bringt. Ein wunderbar illustriertes Kinderbuch mit einer wichtigen Botschaft.

«Diese Richtlinien sind notwendig für einen nachhaltigen, sanften Tourismus», sagt Vreni Gerber. «Die Reederei wie auch wir achten darauf, dass sich unsere Kundschaft dieser Richtlinien bewusst ist.» Ferner werde auf ihren Reisen auch darauf geachtet, dass nur an den Landestellen angelegt wird, die von AECO / IAATO festgelegt sind – und, dass nichts an Land liegenbleibt. Vor der ersten Anlandung in Südgeorgien werden die Aus­senkleidung und die Rucksäcke abgesaugt, damit über die Besucherinnen und Besucher keine fremden Spezies und Krankheitserreger eingeschleppt werden.

Es ist also machbar, verantwortungsbewusst in die Arktis und Antarktis zu reisen. Dass sich ein ökologischer Fussabdruck nicht vermeiden lässt, steht allerdings wie bei jeder Reise ebenfalls ausser Frage.