Gehen natürliche Flächen an Siedlungsrändern durch den Neubau von Gebäuden und Infrastruktur verloren, so spricht man von Zersiedelung. Damit einher geht nicht nur die Versiegelung wertvoller Böden und eine höhere Fragmentierung von Lebensräumen, sondern auch übermässiger Verbrauch natürlicher Ressourcen, mehr Luftverschmutzung durch mehr Verkehr sowie ein höherer Energieverbrauch und vermehrter Ausstoss von Treibhausgasen.

Mithilfe von Satellitendaten hat ein Forscherteam jetzt untersucht, ob die Bemühungen zur Eindämmung der Zersiedelung Wirkung zeigen. Das Resultat ist erschreckend: Statt einer Abnahme verzeichneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine weltweite Zunahme der Zersiedelung um 95 Prozent. «Wir hatten zudem angenommen, dass die Zersiedelung in Europa sehr viel geringer ausfallen würde als zum Beispiel in ostasiatischen Regionen und auch weniger stark als in Nordamerika», gesteht Martin Behnisch vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. Doch im Gegenteil: Europa war im untersuchten Zeitraum zwischen 1990 und 2014 von allen Kontinenten am stärksten zersiedelt und die Zersiedlung hat im weltweiten Vergleich am stärksten zugenommen.

Die Forscher konnten für viele Teile der Welt belegen, dass die Zersiedelung vor allem in Ballungsräumen weiter steigt, etwa in den Aussenbezirken von Grossstädten. Hier wird weitläufiger und weniger dicht bebaut und entsprechend mehr natürliche Fläche geht pro Einwohner verloren. Schaut man auf die Pro-Kopf-Werte der Zersiedelung, so weisen Nordamerika, Australien und wiederum Europa die mit Abstand höchsten Werte auf.

Ein deutlicher Zusammenhang bestehe zwischen dem Human Development Index (HDI) und der Zersiedelung. Der HDI bemisst den Grad der Entwicklung eines Landes unter anderem anhand der Lebenserwartung und der schulischen Bildung der Bevölkerung sowie des Bruttonationaleinkommens pro Kopf. Es zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang: Die Zersiedlung ist in jenen Ländern am höchsten, die auch am höchsten entwickelt sind. Martin Behnisch schaut daher pessimistisch in die Zukunft: «Wenn man bedenkt, dass in Regionen wie Afrika und Asien eine Entwicklung, wie sie hochindustrialisierte Länder bereits durchlaufen haben, noch ansteht, wird deutlich, vor welcher Herausforderung wir mit Blick auf die Begrenzung des Flächenverbrauchs stehen.»