Waren die ersten Zünsler, die wohl mit Importpflanzen den Weg nach Europa gefunden hatten, der breiten Öffentlichkeit noch entgangen, so war deren erste grosse Frass-Welle 2010 unübersehbar. Mancherorts waren sonst satt immergrüne Hänge plötzlich kahl, wie am Grenzacher Horn bei Basel. Auch in vielen Gärten war Buchs keine Zierde mehr.  

Das Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz (NLU) der Universität Basel beobachtet den Buchsbaumzünsler seit dessen Auftauchen in Europa mit einer Langzeitstudie. Seit gut acht Jahren unterhält es dazu auch zwei Lichtfallen, wo Individuen gezählt, aktuelle Bedingungen registriert und Zusammenhänge gesucht werden.  

Ein Ziel sei vorherzusagen, wann die Falter ausfliegen, sagt NLU-Professor Bruno Baur gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Der Erfolg einer Insektizid-Behandlung von Garten-Buchs – im Wald ist Spritzen verboten – hängt vom richtigen Zeitpunkt ab. Das Gift soll das Insekt in seiner verwundbarsten Raupen-Phase treffen.

Volatiler Flug  
Vorhersagen sind schwierig, da sich überwinternde Raupen je nach Wetter und Temperaturen unterschiedlich entwickeln: 2011 schlüpften erste Falter schon Ende Mai, 2016 nach dem verregneten Frühling erst gegen Ende Juni. Die Basler Stadtgärtnerei versucht die Flugdaten zeitnah anzukündigen. Diese Zünsler können indes bis zu vier Generationen im Jahr entwickeln.  

Trotz verregnetem Frühling scheint 2016 dem Zünsler behagt zu haben, denn im Herbst wurden in den Basler Lichtfallen viermal soviele Falter registriert als in den fünf Jahren davor. Was das für 2017 bedeutet, ist noch offen; aktiv werden die Tiere ab konstanten etwa sieben Grad.  

Nach der ersten Welle 2009 und 2010 waren die Zahlen stark gesunken, der Schädling hatte sich teils selber die Lebensgrundlage weggefressen. Werden Blätter rar, geht er auch an die Rinde, und dann können die Büsche absterben – ohne weiteren Zünslerfrass kann sich Buchs sonst erholen.  

Bei einer Untersuchung von 31 Buchsbeständen in der Nordwestschweiz im vergangenen Mai waren 90 Prozent der Büsche teils entlaubt, bis zur Hälfte der Pflanzen sogar komplett. In Stadtnähe waren die Schäden deutlich grösser.

Für Vögel ein Brechmittel  
Verschwunden ist der Zünsler nie. Und potenzielle Fressfeinde tun sich schwer am Insekt, welches das im Buchs enthaltene Gift im eigenen Körper unbeschadet speichert. So sei etwa eine ganze Versuchsreihe mit Schlupfwespen ergebnislos verlaufen, sagt Baur.  

Bei Vögeln habe man derweil beobachtet, dass sie Buchsbaumzünsler gemischt mit anderen Insekten vertragen, aber bei einem zu hohen Anteil wieder herauswürgten. Junge Vögel seien am Buchsgift im Insekt teils sogar gestorben.  

Bis sich ein Ökosystem anpasst und heimische Organismen Neozoen für sich entdecken, kann es dauern, wie Baur festhält – Evolution braucht Zeit. Bis heute hätten sich auch für die Neophyten Japan-Knöterich, Drüsiges Springkraut und Kanadische Goldrute keine natürlichen Feinde eingefunden.  

Zudem fehlt es nicht an Zünsler-Nachschub via Pflanzenhandel. Dort fehlt laut Baur teils das Knowhow, teils aber auch das Interesse – werden Buchsbüsche in Gärten abgefressen, gibt es eine einträgliche Nachfrage nach Gift und Ersatzpflanzen. Nach ersten Publikationen zum Zünsler habe er «böse Briefe» von Gärtnereien bekommen.

Abwehr mit feinen Maschen statt Gift  
Anders als beim Buchsbaumzünsler sei beim Asiatischen Laubholzbockkäfer mit seinem enormen Schadenpotenzial rasch und strikt gehandelt worden, hält Baur fest. Eigentlich gebe es zu solchen Neobiota Vorschriften, doch die Umsetzung harze. Beim Kampf gegen invasive Pflanzen und Tierarten zu sparen sei angesichts der mit der Ausbreitung wachsenden Kosten jedenfalls grosser «Unfug».  

Grössere Buchsbestände gibt es ausser im Raum Basel auch entlang des Jurasüdfusses, im Tessin sowie punktuelle Bestände im Mittelland oder in der Ostschweiz. Die Pflanze ist seit der Eiszeit in der heutigen Schweiz heimisch. Als immergrüne Blattpflanze ist Buchs wie die Stechpalme im Ökosystem eine Spezialität.  

Der Buchsbaumzünsler ist inzwischen bis ins Urnerland vorgedrungen. Zuletzt war er laut Baur am Jurasüdfuss aktiver als im Raum Basel. Zu Leibe rücken darf man ihm von Gesetzes wegen nur mit bestimmten Chemikalien – viele Insektizide gefährden auch zahlreiche Nützlinge.  

Stattdessen hilft auch, befallene Pflanzen zum richtigen Zeitpunkt sorgfältig abzuklopfen oder mit ausreichendem Wasserdruck abzuspritzen. Noch einfacher ist Baurs Gaze-Tipp: Stülpe man ein feines Netz rechtzeitig und am Stamm bündig über den Buchs, haben die Zünsler keine Chance.