Der Nationalrat hat gestern über die Initiative gegen Massentierhaltung sowie den direkten Gegenentwurf des Bundesrats abgestimmt. Er empfiehlt beide Vorlagen zur Ablehnung. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten Schweiz ist über den Entscheid des Nationalrates enttäuscht. Das schreibt sie in einer Medienmitteilung vom Donnerstag. Der Nationalrat verpasse eine Chance, das immense Tierleid, welches nach wie vor in der industriellen Tierhaltung anfällt, zu mindern. Er ignoriert zudem das Bedürfnis der Bevölkerung nach höheren Tierschutzstandards. 

Der Nationalrat verpasse es, die ungenügenden Tierschutzstandards in der Schweizer Nutztierhaltung zu verbessern und ein wichtiges Volksbegehren derartig zu ignorieren. Dies habe negative Folgen, allen voran für die Nutztiere in der industriellen Tierhaltung, die ein qualvolles Dasein fristen, aber auch auf unsere Gesundheit und Umwelt.
 

Das «vorblidliche Schweizer Tierschutzgesetz» ist gar nicht so vorbildlich

Vier Pfoten weist darauf hin, dass das Schweizer Tierschutzgesetz zwar gern als vorbildlich bezeichnet qwird. Fakt sei aber: In der industriellen Haltung von Nutztieren existieren auch hierzulande viele relevante Tierschutzprobleme. «Einem Schwein zum Beispiel steht viel zu wenig Platz zur Verfügung. Die eigentlich sehr reinlichen Tiere müssen auf weniger als einem Quadratmeter schlafen, essen und sich versäubern.»

Platz zum Spielen, Wühlen oder Suhlen bleibe kaum. Auch Auslauf sei gesetzlich nicht vorgesehen. Hühner wollen scharren und in der Sonne baden. Aber die Mehrheit aller Masthühner verbringt ihr ganzes Leben hinter geschlossen Stalltüren – zu Tausenden zusammengepfercht und mit etwa einem A4 Blatt Platz zum Leben. Dies sind laut Vier Pfoten nur einige Beispiele von Bedürfnissen, denen in der industriellen Tierhaltung kaum Rechnung getragen wird. 

Die Tierschutzorganisation bemängelt fehlenden Weidegang, Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Tiere werden der Produktion angepasst, und dies, obwohl heute anerkannt ist, dass Tiere empfindungsfähige Wesen sind. Bei solchen Verhältnissen könne man nicht von einem vorbildlichen Tierschutzgesetz sprechen, lässt sich Yasmine Wenk zitieren, Campaignerin bei Vier Pfoten Schweiz.

Sie fasst zusammen: «Neben den Tieren leiden auch Menschen und Umwelt unter den Auswirkungen der industriellen Tierhaltung: Wir sind weit entfernt von einer flächengebundenen Tierhaltung. Wir überdüngen unsere Böden, produzieren Unmengen an Stickstoff und Ammoniak und haben mit hohen Antibiotikaresistenzen zu kämpfen, die nicht zuletzt in der Massentierhaltung anfallen. Zudem sind 75 Prozent aller neuen Infektionskrankheiten tierischen Ursprungs – die Massentierhaltung ist also auch eine Brutstätte für Epidemien und Pandemien.»

«Politik verkennt die Realität»

Für Vier Pfoten ist es inakzeptabel, dass sich die Politik nun derart querstelle. Statt dass eine der grössten gesellschaftlichen Herausforderungen endlich adressiert und Massnahmen zur Steigerung des Tierwohls in der Nutztierhaltung umgesetzt werden, halte man an einem veralteten und Tier- und Menschengesundheit gefährdenden System fest. Dabei hatte der Bundesrat mit seinem Gegenvorschlag den Handlungsbedarf in diesem Bereich ganz klar anerkannt. 
Als nächstes geht die Initiative in die vorberatende Kommission des Ständerats. Vier Pfoten erhofft sich, dass zumindest die Kommission einen positiven Entscheid für die Initiative fällt. In einer modernen und zukunftsfähigen Landwirtschaft müssen die Bedürfnisse der Tiere an erster Stelle stehen und nicht an möglichst wirtschaftliche Haltungssysteme angepasst werden.