Was erwartet die Besucherinnen und Besucher in der neuen Halle, Herr Bijleveld?

Sie werden auf einem Steg durch die Kronenschicht der tropischen Regenwälder wandern. Darum nennen wir das Gebäude Canopea, was so viel wie Kronenschicht bedeutet.  

Was ist in der Kronenschicht von Bäumen so interessant?

Dort spielt sich das Leben ab! Es sind hängende Gärten, voller epiphytischer Pflanzen. Ich bin ein totaler Fan davon. 

Erklären Sie uns bitte mehr dazu.

Bei Epiphyten handelt es sich um Pflanzenarten, die sich in der Kronenschicht des Regenwaldes mit ihren Wurzeln auf Ästen von Bäumen festhalten. Sie entziehen ihnen keine Nahrung, sondern profitieren von der Lichtintensität, die in der Baumkrone hoch ist. Sie ernähren sich von der hohen Luftfeuchtigkeit und bilden teilweise Kelche, in welchen sich Wasser sammelt. Bromelien, Tillandsien, Farne und viele Orchideen wachsen epiphytisch.

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Wird man als Besucher über einen Steg in der Höhe geführt oder sind auch am Boden Gehege geplant?

Es wird drei Niveaus geben, wobei Besucherinnen und Besucher über einen Steg die obersten zwei Etagen einsehen können. Wie im Regenwald wird es so genannte Überständer geben, einzelne Bäume, die über das Kronendach hinausragen. Dann folgt die geschlossene Kronenschicht. Am Boden werden wir vielleicht Kleinkantschils halten, eine asiatische Hirschart, aber das ist noch nicht sicher.

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Werden Sie Pflanzenarten der Tropen der Welt zeigen?

Ja, wobei wir die verschiedenen geographischen Zonen klar einteilen werden. Der Hauptbereich wird Südamerika gewidmet sein, da dieser Kontinent mit den Bromelien und Orchideen ein besonders faszinierendes Spektrum an Epiphyten hat. In Afrika und Asien dominieren Nest- und Geweihfarne, Orchideen sind in den Tropen weltweit verbreitet.

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Welche Tiere werden in Canopea leben?

Bestimmt werden wir verschiedene Vogelarten integrieren. Sicher werden auch Frösche und andere Amphibien und Reptilien frei in der Halle leben. Wir achten natürlich auf Tierarten, welche die Pflanzen kaum beschädigen und die sich von verschiedenen Schädlingen ernähren.

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Kapitale Überständer im Regenwald sind hunderte von Jahren alt. Wie wollen Sie solche Bäume in Ihre neue Halle bringen?

Wir werden sie künstlich herstellen. Derzeit hat ein Künstler einen Prototypen mit speziellen Materialien erstellt. Man sieht nicht, ob der Stamm echt oder künstlich ist, so treffend hat er die Strukturen imitiert. Natürlich werden wir auch echte Bäume pflanzen. Ein Kapokbaum beispielsweise wächst bereits in unserem Treibhaus heran.

Worin wurzeln die Bäume?

Wie im Regenwald, werden wir am Boden lediglich eine gut 30 Zentimeter hohe Humusschicht haben. Die Bäume stützen sich mit Brettwurzeln ab, sind also alles Flachwurzler. Wegen der ganzjährig hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit setzt sich organisches Material rasch um.

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Und die Epiphyten?

Wir werden sie auch auf den künstlichen Bäumen platzieren. Wir testen bereits ein System mit Matten, die das Wasser sehr gut transportieren und darunter liegendem Gewebe. Das funktioniert in unserem Treibhaus bereits bestens. Tillandsien und Bromelien beispielsweise wachsen gut und bilden junge Triebe. Ein Zeichen, dass ihnen die Bedingungen behagen. Ein Problem bei den Epiphyten ist oft, dass sie nicht gut anwurzeln, weil die Luftfeuchtigkeit ungenügend ist.

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Woher stammen die Pflanzen?

Wir haben ein Netzwerk mit Botanischen Gärten und Zoos Europas. Allein im Burgers Zoo in Arnhem in den Niederlanden werden um die 2600 tropische Pflanzenarten gehalten. Dort werden Pflanzen bereits für uns gezüchtet. In unserem Treibhaus ziehen wir schon jetzt zahlreiche epiphytische Arten wie Bromelien und Tillandsien an, die wir von Gärtnereien aus Costa Rica importiert haben.

Wie belüften und heizen Sie die neue Halle?

Wir heizen unsere Innenbereiche hoffentlich bald mit Holzfernwärme der Gemeinde Kerzers. Künftig soll der Stromverbrauch mindestens zur Hälfe über Photovoltaikanlagen gedeckt werden. 2019 wurden in einem ersten Schritt bereits 120 Paneele installiert. Die Belüftung erfolgt manuell durch das Öffnen von Fenstern am höchsten Punkt. Wir werden dann Feuchtigkeit verlieren, die wir über ein Sprühsystem wieder neu zuführen müssen. Dazu verwenden wir Osmosewasser, also Wasser, dem der Kalkanteil entzogen wurde.

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Wie viele Tierpfleger oder Gärtner brauchen Sie für die neue Halle?

Grundsätzlich wird das bestehende Team dort in einem Rotationssystem eingesetzt. Bestimmt wird es aber eine neue Stelle brauchen.

Wann kann man in Kerzers in die Kronenschicht der tropischen Regenwälder eintauchen?

Wir hoffen, dass wir 2025 öffnen können, vielleicht wird es aber auch 2026, weil wir noch nicht genau wissen, wann die Fernwärme angeschlossen wird. Die Halle steht derzeit, doch Pflanzen sind noch keine darin.

Gibt es irgendein Problem?

Nein, aber das Gebäude wird zwei weitere, untere Niveaus haben. Die müssen tadellos abgedichtet sein, wenn man im obersten Niveau einen Tropengarten baut…

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Was wird in diesen Räumlichkeiten zu sehen sein?

Im ersten Obergeschoss wird es Seminarräume und einen Gastraum geben für Anlässe, im Erdgeschoss sind ein Aquarium und eine Ausstellung über Amphibien geplant.

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Welche Expansionspläne haben Sie noch?

Wir wollen nicht grösser werden. Canopea ist das letzte Bauunterfangen. Alles andere, was wir noch machen werden, wird der Naturlandschaft des Seelandes gewidmet sein ohne grosse Bauwerke. Hinter dem Gebäudekomplex könnten wir noch mit drei Hektaren vergrössern, würden aber dann eher die einheimische Natur zurückbringen. Bereits jetzt haben wir einen bemerkenswerten Aussenbereich mit grosser Artenvielfalt an einheimischen Pflanzen und Tieren. Das möchten wir noch ausbauen.

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Zur Person
Caspar Bijleveld ist Biologe und Direktor des Papilioramas. Der Schmetterlingsgarten wurde von seinen Eltern in Marin (NE) gegründet. Caspar Bijleveld hat die Institution erheblich erweitert. Das Papiliorama engagiert sich in verschiedenen Schutzprojekten weltweit und für die Biodiversität in der Schweiz. So werden beispielsweise seltene Pflanzen- und Tierarten gezüchtet und wieder ausgewildert. Caspar Bijleveld ist auch Präsident von zooschweiz, des Dachverbandes der wissenschaftlich geführten Zoos der Schweiz.

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Dimensionen der neuen Halle
Länge: 38,25 Meter; Breite: 31,50 Meter; Höhe: 18,5 Meter
Ungefähre Kosten: 5,7 Millionen Franken