Wo die Alpen beginnen, der Bodensee nah ist und ein besonderes Gestein die Landschaft prägt, liegt der Naturpark Nagelfluhkette. Alpweiden mit über 290 Pflanzenarten, wertvolle Hochlagenmoore, Weisstannen- und Schluchtenwälder sowie eine Alpdichte, die österreichweit einmalig ist, zeichnen den Naturpark aus.

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Doch so vielseitig die Landschaften des Naturparks sind, so unterschiedlich sind auch die Interessen und Erwartungen, welche Freizeitsportler und Erholungsuchende, aber auch Landwirte an die Umwelt stellen. Neue Herausforderungen wie der grosse Drang nach Natur und «draussen sein» sowie die sich ändernden Bedingungen aufgrund des Klimawandels kommen hinzu. «Ranger kümmern sich um alle, die sich im Naturpark aufhalten.

Wir informieren darüber, wie ein gutes Miteinander von Menschen und Natur funktionieren kann», erklärt uns Matthias Merta, der seit gut eineinhalb Jahren Ranger in dem grenzüberschreitenden Naturpark ist. Diese Mission ist nicht einfach, denn die Interessen sind recht unterschiedlich: Landwirte wollen oft etwas anderes als Naturschützer, und Wanderer, allen voran Schneeschuhwanderer, haben andere Vorstellungen als Förster, die ihre Wildtiere schützen wollen.

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Ein Falter und ganz spezielle Pflanzen

Doch der Naturpark steht für ein gemeinschaftliches Miteinander und dabei setzt man auf «Aufklärung statt Verbote», wie Merta berichtet. «Wir lenken Wanderer mit Tafeln auf den richtigen Weg und wenn wir im Gelände unterwegs sind, geben wir naturverträgliche Tourenvorschläge, klären über Schongebiete auf oder informieren freundlich über die Tier- und Pflanzenwelt.»

Und diese ist extrem vielfältig, da grosse Höhenunterschiede, geologische Vielfalt sowie nachhaltige Alpwirtschaft dazu führten, dass im Gebiet des Naturparks auf verhältnismässig kleiner Fläche eine grosse Anzahl unterschiedlicher Lebensräume entstanden ist. So ist der Naturpark unter anderem Heimat des scheuen Birkhuhns, des imposanten Steinadlers und des seltenen Apollofalters. «Dass der rote Apollofalter bei uns eines seiner letzten Refugien gefunden hat, liegt an den hier wachsenden Pflanzen. Der Weisse Mauerpfeffer ist nämlich die einzige Pflanze, die die Raupen des Apollofalters fressen», erklärt uns Naturpark-Ranger Merta. Der Mauerpfeffer sei überwiegend auf den Nagelfluhfelsen in sonnigen Lagen zu finden.

Ebenso wichtig sei jedoch die Lila Distel, die die bevorzugte Nahrung der ausgewachsenen Schmetterlinge sei. Die Falter benötigten eine gute Versorgung mit Saugpflanzen, wobei violette Blüten bevorzugt angeflogen würden. «Die exklusiven Ansprüche und die starke Bindung an den Weissen Mauerpfeffer erklärt das Verbreitungsmuster des Roten Apollofalters in Europa und weshalb wir hier eine ganz besondere Verantwortung für die Art haben», fährt Merta fort. Aber auch der Schwarze Apollo gehört zu den sogenannten Verantwortungs-arten (Tierarten, um deren Erhalt man sich mit ganz besonders grossem Einsatz kümmern soll). «Der Hohle Lerchensporn und der Mittlere Lerchensporn dienen der Raupe des Schwarzen Apollos als Futterpflanze, und zwar ausschliesslich!» Nur durch traditionelle Bewirtschaftung der Wiesen durch die Älpler könne der Lebensraum des Falters weiterhin geschützt werden.

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Doch Matthias Metzler ist da sehr guter Dinge: «Die Bregenzer Wälder haben schon immer gut auf ihre Umwelt aufgepasst. Das ist auch ein Grund, warum bei uns immer noch so viele Plenterwälder zu finden sind.» Im Plenterwald gibt es im Gegensatz zum häufig üblichen, gleichförmigen Altersklassenwald auf kleinem Raum alte und junge Bäume verschiedener Arten und Dickenklassen nebeneinander, da nur einzelne, erntereife Stämme entnommen werden. Dadurch ist der Boden kompakt, durchwurzelt und stabil – und das Wald-klima bleibt dauerhaft erhalten. Was einst aus der Not heraus entstand – sehr viele Menschen hatten im Bregenzerwald nur kleine Waldparzellen, bei denen ein grosser Kahlschlag nicht sinnvoll gewesen wäre –, wird heute aus Umweltschutzgründen weitergepflegt. Immer getreu dem Motto: «Nützen und schützen!»

Abfall bei der Käseherstellung

Diesem Motto folgt seit mehreren Jahren auch die Familie Metzler aus Egg. Vater Ingo Metzler und seine vier Söhne Manuel, Lukas, Elias und Jonas bewirtschaften einen Hof. Jeder hat seinen Bereich. Manuel ist für die Käseproduktion zuständig, Elias für die Kosmetikproduktion, Jonas für die Ziegen und Kleintiere und Lukas für die Entwicklung der Kosmetik. In drei Jahrzehnten ist es den Metzlers gelungen, einen traditionellen Bauernhof in einen innovativen, vielfach ausgezeichneten Betrieb zu verwandeln.

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Auf den ersten Blick erscheint der Metzlersche Hof wie ein klassischer Bregenzerwälder Bauernhof, dahinter stehen jedoch mehrere moderne Holzgebäude: ein wagemutiges Gebäude aus Beton und Glas, daneben ein imposanter Stall aus Holz sowie die Produktionshalle, in der Familie Metzler Heilmittel aus Molke, eine eigene Pflegelinie und weitere Naturkosmetiklinien herstellt. «Unser Prinzip war es immer schon, vorhandene Ressourcen möglichst optimal zu nutzen», bestätigt uns Sohn Lukas bei einem Rundgang über den Hof und fährt fort: «Wird ein Liter Milch zu Käse verarbeitet, gewinnt man daraus zirka zehn Prozent Käse.

90 Prozent bleiben übrig – die Molke.» Dieser grosse Rest sei seit der Antike als wertvolles Heilmittel bekannt. 400 verschiedene Inhaltsstoffe habe die Molke. Damit liesse sich einiges anfangen: Salben, Cremes, Lotionen, Pulver, Kräuterbäder oder Lippenpflege. Selbst die Spa- und Beauty-ExpertinSusanne Kaufmann lässt ihre Produkte aus Metzlers Molke herstellen.

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Ob beim Besuch im Stall oder in der neuen Produktions- und Lagerhalle, eines ist klar: Familie Metzler setzt auf besondere Kreislaufsysteme. So wird vom Gras, dem Futter der Tiere, über die silofreie Milch bis zum Käse und zur Molke, aus der Kosmetisches entsteht, alles an einem Ort transparent verarbeitet, präsentiert, zur Verkostung angeboten und in die ganze Welt verschickt. Selbst bei der Energie ist man mittlerweile fast autark. «Für Energie sorgen eine Photovoltaikanlage und eine thermische Solaranlage mit grossem Schotterspeicher unter den Bodenplatten der neuen Gebäude. Diese Anlage heizt das Gebäude und das Wasser, sodass keine externe Wärmeenergiezufuhr mehr notwendig ist», erklärt Lukas Metzler etwas stolz.

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So sind sie eben, die Menschen aus dem Bregenzerwald. Sie sind sich bewusst, dass die enge Vernetzung von Natur und Kultur, eine lange Geschichte nachhaltiger Nutzung von vorhandenen Ressourcen und eine intakte ländliche Struktur die Voraussetzung und Herausforderung für die Zukunft sind. Und wenn man sich im Bregenzerwald so umschaut, scheinen die Bewohner sehr vieles richtig zu machen.

Weitere Erlebnistipps

Der Panoramarundweg Niedere  ist eine leichte und familienfreundliche Rundwanderung (4,5 Kilometer) mit Panoramablick auf den Bodensee sowie den Bregenzerwald, die Allgäuer und Schweizer Berge. Entlang des Weges blühen je nach Jahreszeit prachtvolle Alpenblumen. Zu sehen gibt es etwa den Gelben Enzian. Im oberen Bereich bei der Niedere Höhe wachsen«Teppiche» aus Alpenrosen. Unterwegs kommt man an der Bergkapelle Alpe vorbei – ein typisches Beispiel für die moderne Hocharchitektur des Bregenzerwaldes. 

Bei einer Führung durch die Moore Krumbach erfahren Interessierte viel Wissenswertes über Moorpflanzen, Geologie und Geschichte der Moore. Barfuss durchs Moor gehend, entdecken die Teilnehmer zudem Sonnentau und Rosmarinheide. Ein Geheimtipp sind die Moorwanderungen zwischen 6 und 8 Uhr morgens mit anschliessendem Moorfrühstück. Jeweils am ersten Samstag im Juni, Juli und August. Preis pro Person inklusive geführter Moorwanderung und Frühstück: 25 Euro 

Die 1000-Einwohner-Gemeinde Krumbach im Bregenzerwald benötigte neue Buswartehäuschen und lud daraufhin internationale Architekturbüros zur Gestaltung derselben ein. Sieben Büros aus Chile, Spanien, Belgien, China, Norwegen, Russland und Japan gestalteten schliesslich die mit zahlreichen Architekturpreisen ausgezeichneten «Buswartehüsle». Sie gelten heute als progressives Aushängeschild der Region. 

Familie Metzler bietet unter dem Namen Metzler Naturhautnah eine reiche Palette an Molkeprodukten: Kosmetikartikel, belebende Erfrischungsgetränke und Badezusätze. Wie aus dem alten Heilmittel Molke in Verbindung mit Kräutern Kosmetik entsteht, kann man in der modernen Produktionshalle mitverfolgen. molkeprodukte.com

Die KäseStrasse Bregenzerwald  ist ein Zusammenschluss von Landwirten und Alpen, Sennerinnen und Käsemachern, Käsewirten und Gasthäusern. Was die über 180 Partner vereint, ist die Pflege von Genuss und regionaler Kultur. Interessante Stationen sind der Käsekeller in Lingenau, in dem viele Tausend Laibe Bergkäse reifen; das Käsehaus in Andelsbuch, das ansieben Tagen in der Woche geöffnet ist und die ganze Bandbreite an Bregenzerwälder Käsen zum Verkauf anbietet, sowie die Sennschule in Egg, wo man in einem Sennkurs seinen eigenen Frischkäse herstellen kann.