Blick hinter die Kulissen
Zoos töten gesunde Tiere: Warum das auch in der Schweiz gängige Praxis ist
In Schweizer Zoos gehören Tötungen von Tieren zur alltäglichen Praxis, in der Regel aus Artenschutzgründen. Wenn immer möglich, werden die Tiere weiter genutzt, zur Verfütterung an die Fleischfresser oder auch für die Forschung. Was bei manchen Empörung hervorruft, zeigt bei einem Blick hinter die Kulissen, wie Zoos Nachhaltigkeit, Artenschutz und Artenerhalt miteinander verbinden.
Im Juli 2025 ging ein Aufschrei durch die internationale Presse: Der Nürnberger Zoo tötete zwölf gesunde Paviane, weil kein geeigneter Abgabeplatz gefunden wurde. Die Empörung war insbesondere in den Sozialen Medien gross.
Dass Tiere in Zoos getötet werden, ist allerdings gängige Praxis. Manchmal werden gar extra Futtertiere gezüchtet und an Fleischfresser verfüttert, so auch in der Schweiz. Der Zoo Zürich zum Beispiel hält im Zoolino Nutztierrassen, die er entsprechend ihres Namens nutzt. «Bei Tieren aus eigener Zucht haben wir die volle Kontrolle über das Fleisch», erklärt Pressesprecher Dominik Ryser. «Zudem trägt der kurze Transportweg zur Nachhaltigkeit bei.» Die toten Tiere werden oft als Ganzes verfüttert, so dass die Fleischfresser auch die Nährstoffe aus Innereien, Federn, Haaren und Knochen nutzen können. «Eine Ganzkörperverfütterung ist auch eine gute Beschäftigung für Fleischfresser wie Tiger oder Hyänen. Die Tiere müssen sich ihr Futter dann erarbeiten, es erst einmal öffnen, was oft gar nicht so einfach ist», ergänzt Ryser. Eine Lebendfütterung sei jedoch verboten und wird in keinem Schweizer Zoo praktiziert.
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Das Verfüttern von Zootieren geschieht dabei keinesfalls unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Da liegen auch schon mal tote Erdmännchen auf einem Stein und werden genüsslich von Hyänen zerkaut. «Es gehört nun einmal dazu, dass Raubtiere Fleisch fressen », so Dominik Ryser. Das sollen die Besucher auch sehen können. Selbstverständlich würden alle Tiere tierschutzkonform getötet.
Bei Nutztieren wie dem Schwarzen Alpenschwein erfolgt dies wie bei herkömmlichen Schlachttieren auch durch eine Betäubung durch einen Bolzenschuss und anschliessendem Kehlschnitt. Das Schwarze Alpenschwein gehört zu den seltenen Nutztierrassen von ProSpecieRara. Dass diese getötet und genutzt werden, scheint daher ein Paradox. Damit die Rasse nicht ausstirbt, muss eine stabile Population erhalten bleiben und dafür ist Zucht wichtig.
Das gilt auch für bedrohte Tierarten wie zum Beispiel die Säbelantilope. In der Wildnis waren die Tiere einst durch intensives Bejagen ausgerottet. Dank Reservepopulationen unter anderem auch aus Zoos, wo sie heute weltweit die zweithäufigste Antilopenart ist, konnte die Säbelantilope erfolgreich wiederangesiedelt werden. Auch der Zoo Zürich hält die Art. Erst im Frühjahr 2025 wurde dort ein junger Bock geschossen und an die Hyänen verfüttert. «Damit Reservepopulationen von gefährdeten Wildtieren langfristig funktionieren, müssen die Tiere sich fortpflanzen und Nachwuchs aufziehen. Das stellt sicher, dass eine Population nicht überaltert. Zudem sind Fortpflanzung und Aufzucht Grundbedürfnisse von Tieren und daher wichtig für eine artgerechte Haltung», erklärt Dominik Ryser.
Doch wenn regelmässig Jungtiere geboren werden, mangelt es irgendwann auch in den grössten Anlagen an Platz. Im Fall des Säbelantilopen-Bocks kam es in Folge zu vermehrten Revierkämpfen und entsprechender Unruhe in der Herde. Nach dem Abschuss diente der Bock immerhin noch als Futterquelle für andere Tiere. Zudem werden getöteten Tieren oft noch zahlreiche Proben für diverse Forschungsprojekte entnommen. Die Fortpflanzung ist bei Tieren ein wichtiges Verhalten, dessen Ausleben viele Zoos ihnen nicht vor- enthalten möchten. Doris Slezak vom Tierpark Dählhölzli in Bern erklärt: «Wir lassen dem Fortpflanzungstrieb unserer Zoo-Bewohner in den allermeisten Fällen freien Lauf. Nur wenn es für das Tier aus gesundheitlichen oder anderen triftigen Gründen (zum Beispiel den Bären im BärenPark), besser ist, greifen wir zur Verhütung oder Sterilisation als Massnahme.»
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Nicht alle Tiere werden verwertet
Bei Nachwuchs steht bei allen Schweizer Zoos die Vermittlung an andere zoologische Einrichtungen an oberster Stelle. «Der Walter Zoo verfolgt das Ziel, seine Tierbestände verantwortungsvoll und im Einklang mit internationalen Haltungs- und Zuchtprogrammen zu managen. Der Tiernachwuchs wird nach Möglichkeit an andere zoologische Institutionen vermittelt – bevorzugt an Mitglieder der EAZA», erklärt der Pressesprecher des Walter Zoos Gossau, Thomas Harder. Auch andere Zoos geben ihren Nachwuchs an Tierparks der EAZA weiter. «So gibt es einen regen Austausch von Tieren zur Erhaltung von gesunden und genetisch diversen Zoopopulationen vieler Tierarten», so Doris Slezak vom Tierpark Dählhölzli.
Wo dies nicht möglich sei, müssen jedoch auch mal einzelne Individuen getötet werden. Man spricht bewusst deswegen von «töten», weil Tiere, die zur Verfütterung vorgesehen sind, nicht mit Medikamenten euthanasiert werden dürfen. «Die dabei verabreichten Medikamente lagern sich im Tierkörper ein, wirken toxisch und schliessen eine Verfütterung aus», so Fabienne Lauber, Pressesprecherin des Zoo Basel. Potenzielle Futtertiere würden daher nach geltendem Tierschutzgesetz geschlachtet und im Ganzen oder als Teile verfüttert.
Durch Tiere, die der Zoo selbst züchtet, kann der Zoo Zürich aktuell 13 Prozent des Nahrungsbedarfs der gehaltenen Fleischfresser decken. Das restliche Fleisch bezieht der Zoo von Schlachthöfen aus der Region – und vom Tierspital Zürich. Hier können sich Besitzer von Nutztieren, die notgeschlachtet werden müssen, zu einer Spende an den Zoo entscheiden. Entsprechend stösst die Empörung über einen Aufruf eines dänischen Zoos, Haustiere zum Verfüttern zu spenden, bei Dominik Ryser auf Unverständnis: «In Zürich ist das schon länger gängige Praxis. Natürlich geht es dabei nicht darum, lebende Hunde und Katzen zu spenden». Letztere werden aus medizinischen Gründen meist sowieso euthanasiert und sind somit für eine Verfütterung ausgeschlossen. Für viele Pferdebesitzer, deren Tiere getötet werden müssen, sei es hingegen ein kleiner Trost, dass ihr Tier nach seinem Tod immerhin noch in den Kreislauf des Lebens zurückgeführt wird.
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