Lange galt beim Vogelgesang: Die Männchen singen, die Weibchen hören zu. So auch beim Zebrafinken, der oft und gerne in Volieren gehalten wird, und dessen Gesang daher auch intensiv von Wissenschaftlern untersucht wird. Die arttypischen Töne erlernen die Männchen von einem Tutor, meist dem Vater. Über einen Zeitraum von drei Monaten hören die jungen Männchen dem Tutor zunächst nur zu. Dann fangen sie an, dengehörten Gesang auch zu üben und ent-wickeln schliesslich eine eigene Version davon, die sie ihr Leben lang beibehalten.

Nun hat ein Forscherteam am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz festgestellt, dass auch Weibchen eine wesentliche Rolle beim Gesangslernen männlicher Zebrafinken spielen: In Anwesenheit eines Weibchens können junge Männchen den Tutorgesang präziser imitieren. Tatsächlich reagieren die Weibchen mit Rufen auf den männlichen Gesang und kommentieren so quasi die Gesangsleistung. Bei den Männchen lösen die Rufe der Weibchen eine spezifische neuronale Reaktion im vokalen Lernzentrum imGehirn aus.

Solche subtilen, aber sehr entscheidenden Interaktionen zwischen den Geschlechtern bleiben oft lange unerkannt oder zumindest unbeachtet. Erkenntnisse wie diese erinnern jedoch daran, sich bei der Beobachtung komplexer Prozesse nicht immer nur auf das Offensicht-liche zu konzentrieren.